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Zeitkapsel

Wenn ich mich so in meinem Bekanntenkreis umhöre oder in Internetforen stöbere, kommt es mir vor, als spiele die ganze Welt The Elder Scrolls 5: Skyrim. Egal ob in der Bahn, im Spielgeschäft, auf dem Pausenhof oder im Uniklo: Überall wimmelt es von Drachentötern. Und wer mag‘s ihnen verdenken? Skyrim ist ein riesiger Sandkasten voller Abenteuer und Feuerspucker, ein Koloss unter den Rollenpielen. Die hübschen Schneelandschaften locken zum Erkunden, die modrigen Gräber zum Durchforsten ein. Und: Man kommt vom einen ins andere, knüppelt etwa Monster oder pflückt Kräuter - ständig gibt es etwas zu entdecken oder zu erledigen. Skyrim ist der krönende Genreabschluss dieses Jahres. Auf über vier Millionen Bildschirmen herrscht momentan Eiszeit.

Doch es bleibt nicht beim Drachenschlachten. Immerhin ist Skyrim nicht das einzige Spiel, das vor Weihnachten um Käufer buhlt. Angeführt werden die Verkaufscharts von Assassin‘s Creed: Revelations, gefolgt von Modern Warfare 3, Halo Combat Evolved und Super Mario 3D Land. Und dann gibt es schließlich noch das neue Anno 2070, das Multiplayer-Schießeisen Battlefield 3 sowie das quietschfidele Comic-Jump-‘n‘-Run Rayman Origins. Alles sehr gute, teils grandiose Spiele - aber wer zum Henker soll die überhaupt spielen?

Manchmal wünsche ich mir eine Zeitkapsel, in der ein Tag mehr als 24 Stunden hat und das private Daddelhobby genügend Platz findet. Denn aktuelle Titel drehen sich heutzutage kaum noch in meinen Laufwerk - den Anschluss habe ich längst verloren. Das Ganze hat aber auch etwas Gutes: Im Sommer, wenn das saisonale Loch im Release-Kalender klafft und sich die anderen Sonnenallergiker aus Langeweile im Bauchnabel pfriemeln, brauche ich nur in mein Regal zu schauen und einen Titel aus dem Vorjahr zu grabschen. 2012 dürfte mir dabei wohl auch Skyrim in die Hände fallen.

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Ich habe einen Vogel

Vor einem halben Jahr kaufte ich mir das Highscore-Spielchen Tiny Wings im App Store - und damit einen Vogel, der mir bis heute die Nerven raubt. Ständig wage ich einen weiteren Versuch und schubse den kleinen Brummer über Hügel und Täler, jedoch immer nur bis zur vierten Insel, dann starte ich das Spiel erneut. Jeden Tag, immer und immer wieder. Weil ich nach dem dritten Inselsprung prompt gegen die Bergspitzen klatsche und mir somit den Erfolg versaue. Weil ich es nie schaffen werde, im Fiebermodus ohne Fehler über diese eine Insel zu fliegen. Niemals.

Trotzdem mache ich weiter, denn ich kann dem putzigen Federvieh einfach nicht böse sein. Wenn die Sonne aufgeht und er jauchzend über die Hänge rutscht, dazu noch die harmonische Melodie im Hintergrund klimpert, dann kann ich nicht anders als weiterzuspielen. Täglich ernte ich Seufzer von meinen Mitmenschen. Warum ich denn so hartnäckig sei, fragen sie dann. Ich würde es doch sowieso nicht schaffen und nur meine Zeit vergeuden. Zugegeben, das ist deprimierend. Aber ich werde nicht aufhören in die Wolken zu rauschen. Irgendwann, das verspreche ich, bezwinge ich auch die vierte Insel im Dauerflug. Vogelehrenwort.

Ich habe einen Vogel

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iPhone 4 Steve

Steve Jobs ist tot. So traurig die Nachricht auch ist, überraschend kommt sie nicht. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende und Mitbegründer des Apple-Konzerns litt schon jahrelang unter schwerer Krankheit. Wie schwer, das vermochte niemand zu sagen. Steve Jobs war für seinen Ehrgeiz bekannt - und zog sich erst dann von seiner Arbeit zurück, als alles erreicht schien. „Apple hat ein visionäres und kreatives Genie verloren. Und die Welt einen außergewöhnlichen Menschen", heißt es auf der offiziellen Apple-Website. Steven Paul Jobs entschlief am vergangenen Mittwoch im friedlichen Familienkreis. Der Messias der Hardware-Industrie ist von uns gegangen.

Für viele war Jobs eine Lichtgestalt. Doch nicht jeder Besitzer eines Apple-Produktes kann mit der Todesnachricht und den nun folgenden Nachrufen etwas anfangen. Dabei verdanken wir ihm einen Großteil heutiger Kult- und Statusobjekte. Unter seiner Schaffensperiode entstanden unter anderem der iPod, das iPhone und das iPad, der App Store, die Multiplattform iTunes sowie unzählige weitere Dienste und Serviceleistungen. Er führte das Apple-Unternehmen zu dem, was es heute ist. Sein Sinn für Ästhetik und Minimalismus prägen Apples Produktpalette bis heute.

Bleibt die Frage, ob das so bleiben wird. Alle Welt schreit immer nur nach neuer Technologie. Jeder erwartet Quantensprünge im Jahresturnus. Das kürzlich vorgestellte iPhone 4S ist eine konsequente Weiterentwicklung seines Vorgängers, trotzdem reagierten die Fans mit Spott und Enttäuschung. Es scheint, als erstickten wir im Technikluxus, ständig dürstet es uns nach etwas Neuem. Derweil sollte man den angeknabberten Apfel nicht im Vorfeld verteufeln, sondern das iPhone 4S als Abschiedsgeschenk an einen großen Geist sehen. Und einfach mal Danke sagen.

iPhone 4 Steve

Retro #1 The Legend of Zelda

Ich weiß nicht mehr, wann und von wem ich meinen ersten Game Boy bekam. Und ich weiß auch nicht, wie viele Spiele ich gespielt, wie viele Stunden ich mit dem grauen Klotz verbracht habe. Aber ich kann mich genau an den Tag erinnern, an dem ich zum ersten mal in die Welt von Zelda eintauche. Es ist 1996 und im Modulschacht meines Game Boys steckt das von einem Freund geliehene The Legend of Zelda: Link's Awakening. Über den Bildschirm zuckt der Nintendo-Schriftzug, gefolgt von Blitzen und tosenden Wellen. Mein Held schippert tapfer übers unruhige Meer, doch der Kahn hält dem Unwetter nicht lange Stand. Als eine Frau den leblosen Link am Strand bemerkt und die Kamera gen Himmel schwenkt, blicke ich auf ein riesiges, gepunktetes Ei, das aus der Spitze eines Felsens ragt. Von da an bin ich im Fieber. Tage-, nein, wochenlang keule ich Monster, suche Schätze und durchforste Dungeons. Ich knoble, oftmals zusammen mit Freunden, und beiße mir an so manchem Rätsel die Zähne aus. Weit über ein Jahr verbringe ich im geheimnisvollen Traumland Cocolint, verschlafe sogar den vereinbarten Rückgabetermin um eine ganze Jahreszeit. Dennoch sehe ich nie das Ende. Schlimmer noch: Seitdem habe ich nie wieder ein Zelda gespielt.

Ja, das ist ein harter Brocken. Denn mittlerweile gibt es eine beachtliche Liste von Zelda-Titeln, und jedes ist für sich ein ganz eigenes Erlebnis. Ich kenne weder Ocarina of Time noch Twilight Princess. Kein Major's Mask und kein A Link to the Past. Selbst von The Windwaker und Phantom Hourglass sagt mir nur der Titel etwas. Ein Umstand, den ich bis heute bereue, aber dank des üppigen Angebots an Retroklassikern auf der Virtual Console zumindest teilweise wieder gut machen kann. Und so habe ich mir vorgenommen, Prinzessin Zelda gleich mehrmals zu retten, in allen zur Chronologie gehörenden Spielen, angefangen mit dem allerersten: The Legend of Zelda von 1986 für das Nintendo Entertainment System.

Nach Spielstart (und einem drögen Textintro) finde ich mich in einem verlassenen Wäldchen wieder. Hinter mir erstreckt sich eine Höhle, in der mich aber nur ein alter Greis vollschnattert. Also laufe ich nach rechts, dann nach oben und nochmals nach rechts. Bildschirm für Bildschirm erkunde ich Hyrule, halte Ausschau nach Extras, Kreaturen und Gruften, in denen sich eines der acht Triforce-Fragmente befinden soll, die Prinzessin Zelda vor ihrer Gefangennahme zerbrach. Zunächst mache ich jedoch Bekanntschaft mit dem Schwierigkeitsgrad. Voller Tatendrang stürze ich mich mit gezücktem Schwert auf den ersten Gegner: ein popeliger Igel, der böse dreinblickt und Steinchen aus seinem Rüssel spukt. Doch Plötzlich schießen merkwürdige Wurmwesen aus dem Boden; aus der Ferne beharkt mich eine Seeschlange mit Feuerbällen. Die nervige Dudelmusik überschlägt sich, auf meine Ohren (und Nerven) bricht ein Crescendo unheilvoller Retro-Klänge herein. Ich bin schlichtweg überfordert, ich sterbe, und stehe erneut vor der gähnenden Höhle des Startgebiets. Noch Stunden später frage ich mich, wie ich wohl das Schild aktiviere - und ob es überhaupt einen Nutzen habe.

Rückblickend bewundere ich die damaligen Spieler, die diese Tortur auf sich nahmen. Denn so faszinierend The Legend of Zelda auch sein mag, so knüppelhart ist es auch. Jeder gegnerische Treffer kostet mich einen halben Herzcontainer, manchmal auch einen ganzen. Spätestens nach sechs Hieben ist jedoch Schluss und ich muss von Neuem beginnen. Vor allem im fortgeschrittenen Abenteuer wird das Monsterschlachten zum Geduldsspiel - und trotz Komplettlösung muss Bösewicht Ganon lange auf seinen Tod warten.

Irgendwann war es dann geschafft und das schwabbelige Biest besiegt. Bis dahin sind viele frustrierende Stunden ins Land gezogen, die ich abwechselnd mit einem Kumpel teilte. Gemeinsam zogen wir durch Hyrule und sammelten jegliche Bonusitems und Herzcontainer, jede Zusatzwaffe, das Floß, die Kerze sowie den Masterschlüssel - und jeweils einen blauen und einen roten Zaubertrank. Zu meinem Stolz kann ich sagen, dass ich das Gebräu im letzten Dungeon nicht gebraucht habe. Nach vielen aufregenden aber auch qualvollen Wochen inklusive Spielpause, schlage ich schließlich Ganon in Häppchen, die wohl seinerzeit spektakulär, für heutige Maßstäbe aber lächerlich zu Feindstaub zerbröseln. Im September 2011, über 25 Jahre nach Erscheinen von The Legend of Zelda, habe ich die Prinzessin zum ersten mal gerettet. Und nun weiß ich auch, warum es trotz alledem so viel Spaß macht, all diese Bürden für eine Frau auf sich zu nehmen. Und wie das Zelda-Phänomen seinen Anfang nahm.

Retro #1 The Legend of Zelda

Mit kleinen Flügeln hoch hinaus

Warum ist Doodle Jump für das iPhone so erfolgreich? Was macht es so besonders? Die gekritzelte Optik? Das simple Spielprinzip? Der putzige Charme des grünen Rüsselmännchens? Irgendetwas muss es ja sein, aber was es auch ist - Tiny Wings hat es auch. Das Minispiel schaffte es in Rekordzeit in die Charts und hält sich dort seit Wochen in den Top 5.

Mit kleinen Flügeln hoch hinaus

Bei diesem Preis-Leistungs-Verhältnis kein Wunder, kostet die Perle doch nur 79 Cent. Für nichtmal einen Euro darf man einem übergewichtigen Vogel mit minderwertig ausgeprägten Flügeln zum Fliegen verhelfen. Mittels Druck auf den Touchscreen plustert sich der kleine Kerl auf und gewinnt an Gewicht. So lässt sich am meisten Schwung gewinnen, den man zum Auftrieb braucht. Ist man indes zu langsam, bricht nach gewisser Zeit die Nacht herein und hüllt den Kleinen in kuschlige Träume.

Was bei Doodle Jump die Plattformen sind, sind in Tiny Wings unterschiedlich steile Inselhügel, die immer wieder eine besondere Herausforderung darstellen. Gegner gibt es keine. Nur eine liebenswerte Melange aus märchenhaften Kulissen und im Hintergrund dudelnden Elektroklängen.

Hat man nach einiger Übung alles richtig gemacht, kann der fröhlich jauchzende Gockel sogar am Wolkenkleid schnuppern. Das gibt Punkte und Geschwindigkeit - neben den sammelbaren Münzen die einzigen beiden Motivationsmotoren. Tiny Wings ist folglich eine kurzweilige Punktejagd, mit freischaltbaren Erfolgen und zuckersüßem Liebreiz. Aber was heißt schon Kurzweil? Ich jedenfalls überbrücke täglich lästige Wartezeiten mit dem kleinen Brummer. Ein Schmuckstück unter den Iphone-Spielen.