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Modnation Racers

Modnation Racers

Das Little Big Planet der Rennspiele. In Modnation Racers greift Entwickler United Front Games das Baukasten-Prinzip auf und überträgt die Idee des Mit- und Selbermachens auf einen spaßigen Racer. Ob das Experiment geglückt ist?

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Wow, was für ein Spaß. Ich schlittere mal eben so elegant eine lange Kurve entlang. Eine wirkliche lange Kurve. Weil ich den Radius eng genug gewählt habe, rutsche ich nebenbei sogar an meinen Kontrahenten vorbei, die nicht ganz so geschickte Drifter sind. Ach ja, so könnte mir das gefallen. Am Ende wird mir noch eine ordentliche Portion zu meiner Turboanzeige hinzugefügt. Einen Teil davon verheize ich sofort, und mit dem ausgebauten Vorsprung wähne ich mich auf der Siegerstraße.

Leider zerplatzt dieser Traum in Modnation Racers nur allzu oft. Obwohl das Spiel wirklich Spaß macht, braucht man manchmal eben auch eine große Portion Glück, um ein Rennen zu gewinnen. Klar, bei Mario Kart ist das nicht anders. Auch hier zählt nicht nur das fahrerische Können allein. Aber der Funracer von United Front spielt sich doch etwas anders. Gerade bei den späteren, deutlich schwierigeren Strecken besteigt mich das Gefühl, dass der Zufall eine zu große Rolle bei der Entscheidung über Sieg oder Niederlage spielt.

Modnation Racers
Das Driften ist eine wahre Freude in Modnation Racers.

Und dabei schien alles so perfekt. United Front Games entwickelten ein Rennspiel mit dazugehörigem Streckeneditor. Als die ersten Informationen und Bilder an die Öffentlichkeit drangen, war die Vorfreude groß. Nintendos Verweigerung gegenüber dem HD-Standard weckte Begehrlichkeiten. Noch dazu mit einem Streckeneditor, der das Little Big Planet-Gefühl "Play-Create-Share" auf einen Funracer übertragen sollte.

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Und tatsächlich, Modnation Racers sieht großartig aus. Detaillierte Strecken, klare Formen und genau das richtige Maß an Farbe. Natürlich gibt es Playstation 3-Spiele, die technisch mehr hermachen, aber das Zusammenspiel bei diesem Titel stimmt einfach. Die Optik ist entzückend und selbst das vermeintliche dröge Baukastensystem bei der Charakterstellung lässt so viel Freiraum, dass sich jeder verwirklichen kann. An der Körperform lässt sich zwar nicht viel drehen, aber für alles andere gibt es schier unendlich viele Möglichkeiten.

Bei den Karts gilt das natürlich auch. Es gibt einen Haufen Sticker und Nippes, dazu etliche Farbspielereien und etliches mehr. Alle Karts fahren sich daher wahrscheinlich auch komplett gleich - abgesehen von zwei Einstellungsbalken, die Drift gegenüber Handling und Beschleunigung gegenüber Geschwindigkeit leicht anpassen lassen. Aber auch hier macht es keinen Unterschied, ob man ein Müllauto als Chassis benutzt oder aber ein leichtes Kart fährt.

Wie schon bei Nintendos Miis werden sich aber wahrscheinlich viele Spieler von bereits bekannten Serien inspirieren lassen. Schon während der Beta war die Zahl der herumfahrenden Mario-Mods beachtlich. Natürlich, das gilt für Charaktere, aber auch für Karts und Strecken, ein gewisser Stil bleibt am Ende immer erhalten. So wie ein Mii immer als solches identifizierbar ist, sind es die Mods auch.

Modnation Racers
Der Stoff aus dem die Träume...äh, Mods sind.
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Und es darf sogar gleich munter weiter verglichen werden, denn die Paralellen zu Little Big Planet drängen sich eben immer wieder auf. Auch in Modnation Racers ist der Solomodus trotz seines Umfangs von 28 Strecken eine Art Vorspiel. Hier können Ideen gesammelt und Möglichkeiten kennengelernt werden, was man mit Streckeneditor alles anstellen könnte. Die Umsetzung ist grundsätzlich leichter zu bewerkstelligen, weil der Titel eben mehr oder weniger nur das Aufbauen einer eigenen Minikartbahn simuliert. Bei Little Big Planet war das alles alles noch sehr mühselig, bis man zu einem vorzeigbaren Ergebnis kam.

Trotzdem ist er ein mächtiges Werkzeug, was aber direkt mit dem Spieldesign zusammenhängt. Abkürzungen zum Beispiel, die man auf scheinbar weitläufigen Strecken erst entdecken muss, weil sie beispielsweise von Marktkarren zugestellt sind. Oder aber Rampen, Stampfer und Absperrungen, die auf spezielle Bodensensoren reagieren - so wird aus einer behäbigen Standard-Kartbahn schnell ein großes, spaßiges Durcheinander.

Weil United Front Games aber eben beim Bauen von Strecken lediglich darauf setzen, dass vorgefertigte Objekte auf der Strecke platziert werden, ist der Editor einer viel breiteren Masse zugänglich als der von Little Big Planet. Das fängt schon beim Bau der Fahrbahn an, die eben mit einem Baufahrzeug erfahren wird, während man Kurven und die Neigung sofort und direkt beeinflusst. Genug Objekte sind dennoch vorhanden und die sind meist noch modifizierbar, damit am Ende trotzdem eine individuelle Strecke entsteht.

Modnation Racers
Der Streckeneditor von Modnation Racers ist ein mächtiges Werkzeug

Sogar an ganz faule Zeitgenossen haben die Entwickler gedacht. Wer sich für eins der Grunddesigns wie Berge, Wüste oder Küste entschieden hat, baut ein bisschen Strecke, lässt sie dann automatisiert auf dem kürzesten Weg mit dem Startpunkt ergänzen und sagt dem Spiel noch, dass es sich auch um die Dekoration kümmern soll. So schnell und so einfach ist eine passable Strecken zusammengeschustert. Ähnlich geht das übrigens auch mit Mods und Karts. Auch hierfür können jene ohne Lust oder kreative Ideen einfach das Spiel machen lassen.

Der schönste Editor mit der hübschesten Grafik nützt natürlich nichts, wenn das Spiel am Ende trotzdem für die Tonne ist. Und das Herz einen Funracers ist eben die richtige Mischung aus Fahrspaß und Waffeneinsatz. Modnation Racers bietet definitiv Freude am Fahren, auch abseits des eingangs beschriebenen Driftens. Es fährt sich rasant und ausreichend präzise. Und es gibt es die ebenfalls angesprochene Turboanzeige.

Die füllt sich durch erfolgreiche Drifts, Fahrten im Windschatten, hohe Sprünge und dabei ausgeführte Drehungen auf. Zudem gibt es Punkte für das Ausschalten von Kontrahenten durch Waffengewalt. Eingesetzt werden kann die Turboanzeige aber nicht nur zum Gasgeben. Es ist auch möglich einen Schutzschild aufzubauen, der allerdings die Leiste schnell schrumpfen lässt. Außerdem können mit der gesammelten Energie die Attacken Streifen und Stampfen ausgeführt werden, um die Mitfahrer richtig zu ärgern.

Modnation Racers
Friss meinen Staub! - Dank der Turboleiste, rechts im Bild, gibt es einen ordentlichen Boost.

Die Waffenauswahl ist ähnlich zufällig wie bei der Konkurrenz. Wird ein Zufallspaket gewählt, erhält man entweder Raketen, Elektroblitze, Kraftwellen und einen Beschleunigungsbonus. Alle vier lassen sich durch das erneute Einsammeln eines Paketes um zwei weitere Stufen verstärken. Auf Stufe drei sind die Waffen sehr effektiv und zu ein wirklich großen Ärgernis, wenn man getroffen wird.

Und genau an dieser Stelle lässt sich darüber streiten was Modnation Racers wirklich taugt. Wer es schafft, seine Waffe so weit aufzurüsten, ohne dass diese durch einen erfolgreichen gegnerischen Angriff im Vorfeld wieder abgewertet wurde, kann so die anderen Mitfahrer ziemlich clever ausschalten. Die Möglichkeit, den Schild zu gebrauchen, gibt es zwar, aber da dieser ordentlich Turboenergie frisst, ist man dem Angriff meist nicht gewachsen.

Insbesondere mit dem wachsenden Schwierigkeitsgrad ist somit nicht nur fahrerisches Können, sondern auch kluger Einsatz der Turboenergie nötig. Manchmal ist es schlauer, sich ein Stück von einem dichten Fahrerfeld abzusetzen, um sicherer fahren zu können. Umgekehrt könnte die verlorene Energie kurz darauf nötig sein, um einen Angriff von hinten durch das Schild abzuwehren.

Nur allzu oft wurde ich so kurz vor Schluss auf Platz sechs oder sieben von dem zwölf Fahrer starken Feld zurückgeschossen, weil eben der letzte Drift nicht mehr so gut saß und dann nicht mehr Energie für das Schild zur Verfügung stand, um einer Druckwelle aus den hinteren Reihen standzuhalten. Wer mit dem anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad wirklich mithält und dann wegen einer solchen Lappalie trotzdem nicht den geforderten ersten Platz einfährt, ist schnell genervt.

Modnation Racers
Diese Kraftwelle räumt das Fahrerfeld ordentlich auf. Bei einem dichten Fahrerfeld hat man keine Zeit mit einem Schild zu reagieren.

Warum aber ein solcher Titel, der sich an ein Massenpublikum richtet, überhaupt so schwer wird, erklärt sich mir nicht. Zumal weitere Materialien zur Gestaltung erst durch den Solomodus erspielt werden müssen. Beim ähnlich angelegten Little Big Planet schien das leichter von der Hand zu gehen. Zumindest das Durchspielen selbst.

Für pfiffige Spieler gibt es immer noch die zwei Nebenmissionen auf jeder Strecke, die beispielsweise lauten, dass eine bestimmte Zahl von Gegnern ausschalten muss oder man gegen keine Wand fahren darf. Dazu gibt es sammelbare Plaketten, die auf jeder Strecke versteckt sind und mit denen man nach und nach ebenfalls Erweiterungen für das Kart freispielt. Im Grunde hätte das völlig gelangt, um auch für geschickte Spieler Anreiz genug zu sein. Eventuell hätte es auch die Integration unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen getan, aber gerade Gelegenheitsspieler werden vermutlich nie alle Strecken freispielen.

Die müssen sich dann mit dem Onlinemodus zufrieden geben. Schlecht ist das nicht, denn der ist ohnehin einwandfrei ins Spiel integriert. Statt sich nämlich bloß schnöde durch Menüs zu hangeln, können die meisten Sachen auch über den Modnation Racers-Hub angefahren fahren. Zwei große Plätze, auf denen man auch direkt anderen Fahrern begegnet, um sie direkt zu einem Duell herauszufordern. Außerdem werden die erfolgreichsten Fahrer und die beliebtesten Mods angeboten. Denn geteilt werden in Modnation Racers nicht nur Strecken, sondern auch Mods und Karts.

In der Beta lief das noch ziemlich holperig. Ob Sony nachgebessert hat und das Ganze dem Ansturm auf die Server bei der Veröffentlichung standhält, muss sich zeigen. Diverse Modi, die Online zur Verfügung stehen, machen sicher Spaß. Darunter auch Rennen, bei denen Erfahrungspunkte gesammelt werden, um den eigenen Rang zu erhöhen. Wem das alles nicht liegt, der bleibt vielleicht doch lieber offline und spielt zu viert im Splitscreen. Klassischer, aber immer noch unterhaltsam.

Mich zumindest wird das nicht abschrecken, denn Warten bin ich auch so schon gewohnt. Die Ladezeiten von Modnation Racers sind nämlich unerträglich. Vor dem Rennen, beim Wechsel zurück in den Hub, überall taucht dieser wundervolle Ladebalken auf und stiehlt mir wertvolle Lebenszeit. Warum ein Titel, der auf der Festplatte installiert wird, noch immer so unsäglich lange braucht, wissen wohl nur United Front Games. Dafür gibt es auf jeden Fall einen fetten Minuspunkt. Schlimmer wird's nur, wenn man irgendwann wirklich einmal ein paar Strecken von anderen mal eben kurz ausprobieren will und im Grunde die Hälfte der Zeit gemeinsam mit dem Ladebildschirm verbringt.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
großartige Online-Einbindung, einfacher und dennoch mächtige Leveleditor, hübsche Präsentation
-
im späteren Verlauf anspruchsvoll mit hohen Frustfaktor, manchmal generisch
overall score
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