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Assassin's Creed: Syndicate

Assassin's Creed: Syndicate

Ubisoft bittet zur Templerjagd in London. Während die Spielwelt überzeugend die Zeit der industriellen Revolution zeigt, ist das Spiel selbst keine, sondern ein gereiftes Produkt.

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Um es gleich rauszulassen: Nein, Assassin's Creed: Syndicate ist kein zweites Unity. Kein Bug-Fest. Glitch-Gate fällt aus. Es ist einfach ein ziemlich gutes Videospiel. Das ist nett und auch kritisch gemeint. Dass es gut geworden ist, hat viel mit Reduktion von Komplexität zu tun. Assassin's Creed: Syndicate ist ein deutlich schlichteres Spiel als der Vorgänger Assassin's Creed: Unity - und auch dadurch ein fehlerfreieres Erlebnis. Dafür musste der Multiplayer dran glauben und auch die begleitende App fürs Tablet. So betrachtet ist Syndicate wieder mehr ein schlichtes Solo-Adventure in einer offenen Welt.

Die Geschichte um die Zwillinge Evie und Jacob Frye ist ein schön erzähltes Abenteuer in London zu Zeiten der Industrialisierung. Die Stadt ist groß, aber nicht überbordend oder sinnlos gestreckt. Der Spielplatz ist riesig und reicht von der Spitze des Parlaments hinein in dunkle Kanäle. Kinder müssen in Fabriken schuften, das Volk leidet in vielen Bezirken echte Not und ein paar wenige Skrupellose machen sich Taschen voll, während die Politiker mit dem Nachdenken über Größeres beschäftigt sind.

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Assassin's Creed: SyndicateAssassin's Creed: Syndicate
Jacob und Evie geben ein tolles Geschwister-Duo: In jeder Sequenz haben beide ein paar Missionen, die dann in einem großen Finale für einen der beiden münden. Im Freeroam dürfen wir nahtlos zwischen beiden wechseln.
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Wir treten nun als Assassine an, London zurückzuerobern. Dazu müssen wir die Templer um deren Kopf Crawford Starrick aus der Stadt drängen - mit List und Tücke (den Stärken von Evie) und roher Gewalt (dem Metier von Jacob und seinen Rooks). Dieser Wechsel spiegelt sich auch im Gameplay wider. Evie übernimmt den Stealth-Part. Ich mag das und sie als Protagonistin sehr und habe tatsächlich, wann immer es ging, in ihre Perspektive gewechselt. Also mindestens immer im Freeroam. Die Missionen spielen wir nämlich aus der Perspektive von Jacob oder Evie, das aber ist fest vom Spiel fixiert. In jeder Sequenz haben beide ein paar Missionen, die dann in einem großen Finale für einen der beiden münden. Diese Endmissionen bieten mehrere Lösungsansätze und sind die Höhepunkte, sowohl erzählerisch als auch konzeptionell.

Das Gameplay ist komplex, aber nicht überfrachtet. Es lässt einem viele Freiheiten, wobei das Vermeiden von Kämpfen lohnender ist, als sie anzuzetteln. Jacob will immer mehr mit dem Kopf durch die Wand. Mit ihm "muss" man mehr kämpfen, wobei man dann merkt, dass das Kämpfen zwar flüssig und cool animiert, aber auch ein wenig eintönig ist. Es ist um ein vielfaches befriedigender, die Gegner nach und nach mit Evie abzuservieren. Hier spielt auch der neue Seilwerfer die größte Rolle, weil man mit dessen Hilfe schnell wieder auf Dächer und in der Deckung verschwinden kann.

Man kann mit Evie und etwas Geschick in Bereiche eindringen weit jenseits der eigentlichen Levelempfehlungen. Man darf nur keine Fehler machen. Muss leise und mit Bedacht Gegner für Gegner erledigen. Das ist unglaublich intensiv und macht Laune. Mit Evie wird das Game immer wieder zum Cover-Stealth-Shooter, wenn man mit Wurfmesser in gehockter Tarnhaltung durch die Level schleicht und hinter Ecken hervorlugt, um Gegner zu messern. Alle erspielten Erfahrungspunkte teilen sich übrigens beide Helden, man hat also nie das Problem, dass man zwingend wechseln müsste.

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Assassin's Creed: SyndicateAssassin's Creed: Syndicate
Stealth- und Action-Gameplay wechseln sich ab und gehen fließend ineinander über. Das Schleichen und leisen Töten bringt aber deutlich mehr Laune.

In der Stadt sind wieder zahlreiche Nebenmissionen verteilt, die Geld und Erfahrungspunkte bringen. Man kann Kinderarbeiter befreien und ruchlose Fabrikanten meucheln, diversen Persönlichkeiten bei privaten Angelegenheiten helfen oder einfach Kisten plündern, seltene Blumen sammeln oder Helix-Fragmenten nachjagen. Das Abmurksen von Templern ist auch immer wieder ein großer Spaß. Es gibt Fight Clubs, Pferdekutschrennen oder man kann Schiffsladungen klauen. Überall lauern Belohnungen: bessere Waffen, neue Blaupausen für Verbesserungen, Geld.

All das ist beiläufig wie lange nicht mehr eingebaut ins Spiel. Nichts wirkt zwingend oder setzt einen unter Druck. Vielmehr hat Assassin's Creed: Syndicate einen guten Flow, einen schönen Rhythmus. Grafisch mag es nicht überbordend sein, aber der Look passt und offensichtlich wurde ein Teil der optischen Möglichkeiten der weichen Framerate geopfert. Was in diesem Fall dem Gesamtergebnis zugute kommt. Über die Grafik kann man natürlich auch meckern. Hereinploppende Grafikelemente gibt es an so mancher Ecke, dafür ist an anderen Orten die Weitsicht derart wunderschön inszeniert, dass man sich das ganze gerne als Ölbild malen lassen würde.

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Der neue Seilwerfer ermöglicht ein schnelleres Fortbewegen und eröffnet auch neue Strategien beim schnellen Verschwinden.

Richtig nervig sind nur die gelegentlich langen Ladezeiten zwischen den Sequenzen und Missionen. Am schlimmsten ist es bei der Schnellreisefunktion, die ihren Namen nicht wert ist. Es dauert über eine Minute, bis der angepeilte Teil Londons neu geladen ist, egal ob man zehn Kilometer weg ist oder direkt neben dem Punkt steht. Die Künstliche Intelligenz agiert gut und aggressiv, findet aber auch schnell ihre Grenzen. Haut man ab und schafft es unterzutauchen, gehen die Wachen schnell wieder ihrer Arbeit nach als wäre nichts gewesen.

Bis man alle Missionen erledigt hat, gehen schnell zwanzig Stunden ins Land. Will man alle Stadtteile befreien, alle Nebenerinnerungen spielen und alles sammeln, kommen viele Stunden hinzu. Das ist wie immer bei Assassin's Creed - und das mögen die Fans ja auch. Man kann die Serie dafür kritisieren, dass sie keine echten Innovationen liefert. Aber so ist das eben mit Serien, die gut laufen. Die liefern mehr von dem, was Fans erwarten. Wer was ganz Neues will, sollte vielleicht woanders schauen. Wer ausgereifte Open-World-Unterhaltung will, darf Assassin's Creed: Syndicate nicht ignorieren.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
schöne Spielwelt, gereiftes Game, fokussiertes und rundes Spielerlebnis
-
etwas zu wenig Abwechslung, Stealth-Gameplay im Endgame quasi ausgehebelt
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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KRITIK. Von Christian Gaca

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