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Halo 3: ODST

Halo 3: ODST

Nun sind Bungies Fallschirmjäger also endlich gelandet. Unser Mann Jonas Mäki hat sich in das besetzte New Mombasa begeben, um dort böswillige Außerirdische auszuradieren. Wie viel Spaß macht das denn nun wirklich?

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Von allen Halo-Spielen ist Halo 3: ODST vermutlich das merkwürdigste. Der Titel lautet Halo 3, aber es spielt eher während der Halo 2-Periode. Es wurde als Halo: Recon angekündigt, aber dann änderte sich sein Name zu Halo 3: ODST. Es sollte eine Expansion zu einem niedrigeren Preis werden, aber wurde im Nachhinein betrachtet zu einem ganz eigenen Spiel.

Dazu kommt so einige Verwirrung darüber, wie die mitgelieferten Halo 3-Level funktionieren, inwiefern es einen richtigen Multiplayer-Modus gibt und ob man das Abenteuer auf Splitscreen spielen kann. Und was ist eigentlich die Halo: Reach-Betaversion, die Microsoft mit dem Paket mitgeschickt hat? Ist da jemand der Ansicht, dass Halo 3: ODST an sich nicht interessant genug ist? Und... und wo ist eigentlich der Master Chief geblieben?

Halo 3: ODST findet parallel zu Halo 2 statt, zu dem Zeitpunkt als das riesige Covenant-Raumschiff auf der Suche nach irgendetwas Unbekanntem über New Mombasa schwebt. Wir schlüpfen in die Rolle von Rookie, einem frisch ausgebrüteten Orbital Drop Shock Trooper. Der Falllschirmjäger muss sich nun zusammen mit Buck, Romeo, Mickey und der Befehlshaberin Dare in die Stadt rein, um einen Auftrag zu erfüllen, über den wir gelinde gesagt nur äußerst minimale Informationen bekommen haben.

Ginge alles nach Plan, käme dabei natürlich nicht viel Spiel heraus. Wir schaffen also nicht viel mehr als uns in der kleinen ODST-Kapsel in Richtung Erde abzuschießen, bevor das riesige Covenant-Raumschiff plötzlich die Biege macht und die Fallschirmjäger mitten in den Jetdüsenstoß geraten. Alle Systeme geben auf, das Team wird über die ganze Stadt verteilt und plötzlich wird alles schwarz. Sechs Stunden später wachen wir in der Kapsel auf - über der Erde schwebend, ohne all die tollen Fähigkeiten des Master Chief und bewaffnet nur mit einer SMG mit Schalldämpfer. Immerhin.

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Genau dieses Gefühl der Ausgeliefertheit ist etwas, das in Halo 3: ODST stets wiederkehrt. Niemals ist das diese Überlegenheit eines Master Chief. Bisher waren alle Halo-Spiele machbar, auch auf der Legendary-Schwierigkeitsstufe. Aber Fakt ist, dass Halo 3: ODST selbst auf dem normalen Level anfangs eine ziemliche Herausforderung ist. Wer angeschossen wird ist auch verletzt und eine SMG ohne Schalldämpfer ist es in Halo ja eigentlich kaum wert, überhaupt aufgesammelt zu werden. Eventuell taugt sie was, wenn man zwei davon hat.

Aber Herr Rookie kann nicht mit zwei Knarren schießen und seine schallgedämpfte SMG ist alles, was er hat. Natürlich finden sich später weitere Waffen wie Schrotflinten, Plasmapistolen & Co., aber alle werden einzeln benutzt und nicht als Dual Wield. Wer zu viele Treffer kassiert hat, muss eine der Gesundheitsstationen aufsuchen, die überall in New Mombasa errichtet sind, um die Energie zurückzubekommen. Es reicht nicht, sich zurückzuziehen und den Schild aufladen zu lassen.

Zum Glück müssen wir nicht nur unter Nachteilen leiden, denn die ODST-Soldaten sind mit etwas ausgerüstet, das VISR heißt. Ein Visier, durch das alle Gegner mit einem roten Rahmen drumherum sichtbar werden. Dadurch wird es leichter, die Dunkelheit zum eigenen Vorteil zu nutzen und sich anzuschleichen, um dann die Gegner auszuschalten, bevor sie überhaupt merken, dass wir in der Nähe sind. Das Ganze fühlt sich manchmal ziemlich stealth-mäßig an und ist wirklich ein gelungener Aspekt.

Halo 3: ODST zu spielen, fühlt sich nicht wie Halo 3 an. Wir müssen taktischer und durchdachter spielen und das Schlachtfeld analysieren, anstatt direkt ins Getümmel zu stürzen. Auch das gesamte Tempo und das Konzept sind nicht wie bei den regulären Halo-Spielen. In Halo 3: ODST streifen wir herum und erforschen New Mombasa mit seinen vielen gewundenen Gassen. Suchen nach versteckten Mitteilungen, die eine spannende Geschichte darüber erzählen, wie es war, wie es sich anhörte und aussah, als die Covenant New Mombasa überfielen. Alles geschildert aus der Perspektive einer jungen Frau.

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Manchmal findet sich ein Artefakt der anderen ODST-Soldaten, was dazu führt, dass wir kurzfristig in die Rolle jener Person schlüpfen, die dafür sorgte, dass der Gegenstand dort landete. Wer etwa die Kapsel oder die Waffe von jemand anderem aufnimmt, landet postwendend in einem kleinen Abenteuer, das erklärt, was dazu geführt hat, dass diese Objekte gerade hier gelandet sind. Auf diese Weise gibt es nach und nach ein besseren Überblick darüber, was mit den anderen Soldaten passiert ist und so wird einem eine interessante Geschichte auf eine neue Art erzählt.

Halo 3: ODST fühlt sich die ganze Zeit sehr viel menschlicher an, als es die Eskapaden des Master Chiefs je waren. Die ODST-Soldaten sprechen miteinander, sie brauchen einander und nehmen gerne die Helme ab und zeigen ihre Gesichter. Nun ja, alle außer Rookie jedenfalls. Rookie fungiert nämlich vor allem als Hülle, die die ganze Geschichte erzählt, während wir kreuz und quer durch New Mombasa rennen um nach und nach zu erfahren, was mit dem Rest des Teams geschehen ist. Rookie sagt während des ganzen Abenteuers kein einziges Wort, nimmt nie den Helm ab, hat keinen Namen: Eine clevere Lösung, die an die Erzähltechnik von Valve in den Half-Life-Spielen erinnert.

Die Story ist also sehr viel geerdeter und leichter zu verstehen. Während die Halo-Spiele es traditionell fast erforderten, dass man sich eine gehörige Menge Halo-Lektüre einverleibte, um alles zu verstehen, ist Halo 3: ODST sehr unkompliziert und heiter. Nie tragen wir die Verantwortung für die gesamte Menschheit auf den gut gepanzerten Spartan-Schultern und es gibt eine Menge ungezwungener Sequenzen mit Kabbeleien und reiner Komik. Durchaus vorstellbar, dass dies von all denjenigen geschätzt wird, die noch nie so richtig die Größe des Weltraum-Hokuspokus in Halo begriffen haben. Persönlich allerdings spüre ich hier, nicht auf die gleiche Weise in das Spiel mit hineingezogen werden wie das sonst bei den Halo-Spielen üblicherweise automatisch passiert.

Trotz aller Neuerungen, die es in Halo 3: ODST gibt und trotz des anderen Tempos und der neuen Erzähltechnik ist es glasklar, dass man Halo spielt. Die Spielkontrolle ist unglaublich exakt, die Geschwindigkeitswechsel sind spitze und all die coolen Kämpfe werden wie üblich von Marty O'Donnels gut komponierter Musik begleitet, die jedes noch so kleine Scharmützel zu dem größen Epos werden lässt, das wir je erlebt haben.

Die Atmosphäre ist die ganze Zeit hervorragend, größtenteils aufgrund des leicht unsicheren und exponierten Spielgefühls. New Mombasa ist von harten Schlachten gezeichnet und es ist spürbar, dass sich die Story gerade in dem Moment des großen Kampfes zwischen Elites und den Covenant befindet - was für alle, die die Bücher gelesen haben, spitze ist. Manchmal müssen wir wirklich über Leichen klettern, durch Schmutz und Parks schleichen und wir sehen, wie sich enorme Brutes am Horizont auftürmen, um mit einem grässlichen Brüllen zu verkünden, dass die eigene Deckung aufgeflogen ist.

Halo-typisch gibt es in Halo 3: ODST mehrere Fahrzeugtypen und wir dürfen Warthogs, Ghosts und Banshees steuern. Dies führt zu einer willkommenen Abwechslung von Rookies Spaziergängen längs der ausgelöschten Straßen von New Mombasa. Es gibt wirklich denkwürdige Momente in Fahrzeugen, nicht zuletzt ein Warthog-Level, das zu dem absolut besten gehört, was wir je gespielt haben. Hier hat man Zugang zu Unmengen von Wraiths und die Möglichkeit, einen Park mit diesen vierradgetriebenen brutalen Monstern total kaputt zu fahren.

Allgemein betrachtet ist Halo 3: ODST stets besser, wenn wir die Rolle eines der anderen Jungs aus der ODST-Truppe übernehmen. Hier wird nämlich flinker erzählt und die schnellen Geschichten sind mit Action gefüllt. Die Parts von Rookie sind nicht so fesselnd und es wird mit der Zeit ein wenig eintönig, im teilweise ausgeschalteten und dunklen New Mombasa sowie in den Innenräumen herumzuwandern. Erst im letzten Drittel des Abenteuers hin es auch für Rookie richtig los und die Story wird fesselnd.

Wir lieben die Halo-Welt und die Halo-Spiele haben immer für erstklassige Action gesorgt. Aber dass Halo 3: ODST seinen Anfang als Erweiterung genommen hat, ist streckenweise doch spürbar. Obwohl es gut aussieht und ausgearbeitet ist, merkt man, dass es auf dem Halo 3-Grafikengine basiert, die nicht mehr ganz frisch erscheint (was vor allem in den Zwischensequenzen deutlich wird) und es zum Beispiel nicht so viel Variation in den Umgebungen gibt.

Dies fällt vor allem deswegen aus, weil Halo 3: ODST etwas länger als Halo 3 ist, wenigstens für diejenigen, die nicht nur schnell hindurchstürmen, sondern mit Zeit einen Großteil der Aufträge absolvieren. Das Spiel ist zwar immer noch ein tolles Action-Abenteuer mit einigen richtig schönen Höhepunkten, die dem üblichen Halo-Standard schwindelerregend nahe kommen, aber ihm fehlt der richtige Kick in der Story. Die Zwischensequenzen des Spiels mit den nicht ganz so brillanten Schauspielern sind zudem eher hölzern.

Nun ist Halo ja mehr als ein spannende Geschichte mit epischen Aspekten. Natürlich gibt es einen absolut fantastischen Multiplayer. Unter anderem kann man das Spiel mit einem Freund im Splitscreenmodus durchspielen, aber es wird auch eine extra Disc mitgeliefert, auf der das ganze Halo 3 mit allen Multiplayer-Leveln, die zum Download herausgebracht wurden, drauf ist, ohne den Storymodus allerdings. Halo 3 ist bis heute das meist gespielte Online-Spiel für die Xbox 360 und über eine Million einzelner Spieler loggen sich jeden Tag ein, um ein bisschen rumzuballern. Hier fehlt es also nicht an Gegnern. Außerdem wird ein Platz in der Multiplayer-Betaversion des nächsten "richtigen" Halo-Spiels Halo: Reach mitgeliefert.

Der große Spaß für alle Halo 3: ODST-Spieler, die auf Multiplayer scharf sind, ist allerdings Firefight. Ein Modus, der mit Horde in Gears of War 2 verglichen wurde, aber wir finden, dass er mehr an Left 4 Dead erinnert oder an den Modus mit den Zombies in Call of Duty: World at War. Zu viert werden wir angegriffen und müssen so lange durchhalten, wie es nur geht. Es gibt eine gemeinsame Anzahl Leben und erst nach jeder fünften Angriffswelle gibt es mehr Leben, mehr Energie und mehr Waffen. Der Gegner variiert außerdem seine Spieltechnik zwischen jeder Welle und kann beispielsweise Granaten oder andere Spezialfähigkeiten auf uns einprasseln lassen. Dies führt zu Spannung und Abwechslung. Die Level haben typisches Halo-Format und können auch Fahrzeuge beinhalten. Wir blieben auf dem Nachtlevel Crater hängen, wo man sein ODST-Visier benutzen muss, das Freund und Feind deutlich markiert und das zeitweise richtig schauerlich ist.

Firefight wird einen zweifellos ähnlich lange wie Horde in Gears of War 2 unterhalten. Aber wenn man damit fertig ist, dann ist man auch insgesamt fertig. Es kann ab und zu ganz unterhaltsam sein, das Spiel anzumachen, aber es wird nicht eine ähnlich extreme Lebensdauer wie Halo 3 haben. Deswegen glauben wir, dass die Multiplayer-Disc mit Halo 3 an Halo 3: ODST den größten Online-Ertrag für all diejenigen haben wird, die es nicht schon bis zum Gehtnichtmehr gespielt haben oder die einfach noch nicht alle Level haben.

Aber auch wenn wir richtig viel Spaß beim Durchspielen von Halo 3: ODST hatten und Firefight in vollen Zügen genießen, liefert Bungie hier kein Meisterwerk ab. Es ist natürlich gewagt, ein Halo-Spiel ohne Spartan-Soldaten und vor allem ohne den Master Chief herauszugeben. Denn er ist ja eigentlich Halo. Dennoch sind die ODST-Soldaten würdige Nachfolger und sie sind alle interessant, so dass wir hoffen, in Zukunft mehr von ihnen zu sehen. Bis zum nächsten Mal muss jedoch eine neue Grafik-Engine her und eine epischere Geschichte, wenn Bungie wieder nach den absoluten Bestnoten streben will.

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Überlegene Spielkontrolle, fantastische Musik, Firefight rockt, viel zu entdecken, herrliche Atmosphäre
-
Alte Grafik, wenig fesselnde Story
overall score
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