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Steins;Gate: Elite

Steins;Gate: Elite

Eine der besten Visual Novels unserer Zeit bekommt eine Frischzellenkur. Wie machen sich die Mitglieder des Future Gadget Laboratory im neuen Gewand?

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Die Illusion ist zu perfekt. Eine lustige Truppe bastelt in einem heruntergekommenen Appartement an alten Gerätschaften herum und entwickelt dabei aus Versehen eine Zeitmaschine. Die euphorischen Experimente geraten außer Kontrolle, schließlich soll es allen recht gemacht werden. Dieser irrationalen Wahnvorstellung folgt das unvermeidbare Dilemma, das immer entsteht, sobald jemand versucht, die Fehler der Vergangenheit ungeschehen zu machen. Die unbeschwerte Atmosphäre entpuppt sich als perverses Wettrennen gegen die Zeit, das für unseren Helden nichts als Leid, Verzweiflung und Machtlosigkeit bereithält.

Diese Synopsis gleicht in vielerlei Hinsicht den Werken Miyazakis - nicht Hidetaka von From Software, sondern Hayao vom Animationsstudio Ghibli. Auch dort werden schöne Bilder benutzt, um Erwartungen an grausigen Realitäten zerschellen zu lassen - ein bittersüßes und sehr effektives Schema. Steins;Gate nutzt dieses Konzept ebenfalls, indem es sich mit der philosophischen Frage befasst, wie man dem Unvermeidbaren entkommt. Und weil das Game diesen Alptraum so wunderbar veranschaulicht und ergreifend begleitet, hat uns letzte Woche eine Neuauflage des 2009er Videospiels erreicht: Steins;Gate: Elite.

Die Rahmenhandlung der jungen Wissenschaftler, die das Schicksal herauszufordern, bleibt hierbei unverändert. In erster Linie verbindet die Elite-Version die ursprüngliche Visual Novel mit dem Material des darauf basierenden Anime von 2011. Im Klartext bedeutet das, dass wir statt starrer Standbilder und unbeweglichen Charakterposen ab und zu dynamische Szenen zu Gesicht bekommen und große Textblöcke vor festem Hintergrund passé sind. Spieler müssen sich aber damit arrangieren, dass der Titel lediglich in englischer Sprache bereitsteht, bei japanischem Originalton.

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Das bessere Spiel ist zweifellos das Original von 2009. Doch wer lieber einen interaktiven Anime sehen mag, der wirft einen Blick auf die Neuumsetzung.

Da die Vorlage mehr Inhalt bietet, als die Animationsserie in 25 Episoden, haben sich Mages./5pb. mit dem Anime-Studio White Fox zusammengesetzt, um zusätzliche Szenen aufzubereiten. Allerdings war der Anime seinerzeit nicht gerade ein aufwendig inszenierter Eye-Catcher, deshalb fallen diese neuen Aufnahmen beim genauem Hinsehen schon auf - wir wollen Steins;Gate: Elite daraus aber keinen Strick drehen. Mit hochskalierten Grafiken oder einfachen Portierungsarbeiten hat diese Spielversion nämlich nichts zu tun.

Die originale Visual Novel aus dem Jahre 2009 punktete mit einer schlau eingebundenen und sehr effektiven Spielmechanik, mit der Spieler aktiv den Verlauf der Geschichte bestimmten. In Steins;Gate: Elite wurde dieses Element weitestgehend heruntergefahren, wodurch der Titel ein gutes Stück seiner Interaktivität und das mächtige Überraschungsmoment verliert. Visual Novels sind ohnehin nicht für ihr sattes Gameplay bekannt, deshalb ist diese Änderung im doppelten Sinne schade. Doch da die Geschichte so stark ist, fällt diese Optimierung gar nicht so sehr ins Gewicht.

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Steins;Gate: Elite erzählt eine komplexe Rahmenhandlung zwischen physikalischer Lehrstunde und japanischer Internetkultur. Schon damals war es seiner Zeit voraus.

Was Fans sauer aufstoßen könnte, ist der inhaltliche Umfang von Steins;Gate: Elite. Das Hauptgame unterhielt je nach Lesetempo etwa 35 Stunden, zumindest wenn man nicht bei einem vorzeitigen Ende rausgeworfen wurde. Der Anime selbst bietet aber nur knapp zehn Stunden Bild- und Tonmaterial, was in Steins;Gate: Elite ordentlich gestrafft wird. Und obwohl die beteiligten Entwicklerstudios zusätzliche Szenen bereitgestellt haben (die nahe ans Original herankommen, gleichzeitig aber ein wenig herausstechen), bleiben spätere Kapitel nicht vor der inhaltlichen Schere geschützt. Wer die volle Packung möchte, sollte deshalb weiterhin auf das Original setzen.

Steins;Gate habe ich erst letztes Jahr nachgeholt und mich unfassbar darin verliebt. Die Vorlage ist beinahe zehn Jahre alt und sie mag ihre Schwächen haben (vor allem die Perspektive auf das Transgender-Thema eines Charakters), doch mich hat 2018 nichts anderes derart stark fesseln können. Für mich war Steins;Gate: Elite deshalb ehrlich gesagt ein irritierendes Spielerlebnis, da es sich in einigen Aspekten doch sehr deutlich von seinem Ursprung unterscheidet.

Der schlaue Einsatz des Anime-Materials bereichert die Visual Novel letzten Endes aber ungemein, und wer bislang nur den Anime kennt, der wird sich über die spielerische Komponente und die zusätzlichen Szenen freuen. Das Original ist allerdings noch immer ein wunderbares Spiel, das sich die Zeit nimmt, die vielen Themenfelder und Nebencharaktere genau zu erklären. Steins;Gate: Elite gelingt das nicht im selben Maße. Trotzdem steht Anime-Liebhabern mit dem Game eine mächtige Alternative zur Verfügung, die wir gerne und wärmstens empfehlen.

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Okabe wird den Tag verfluchen lernen, an dem er den Müll in seinem Labor zum "Future Gadget #8" zusammensteckte.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
eine der wenigen befriedigenden Geschichten über Zeitreisen, wahnsinnig einprägsame Charaktere, effektive Präsentationsform des Anime-Materials, integriertes Wiki erklärt Internet-Memes
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einzige Spielmechanik wurde gekürzt, weniger Inhalt als noch beim Original aus 2009, düstere Anime-Optik nimmt den strahlenden Momenten der Serie etwas an Wirkung
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