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Ancestors Legacy

Ancestors Legacy

Aus Polen kommt ein solides Strategiespiel, das es mittlerweile auf die Konsole geschafft hat. Ingo hat sich für euch angeschaut, was der Titel drauf hat.

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Echtzeitstrategiespiele sind auf den Konsolen schon immer ein Nischenprodukt gewesen. Das mag am allgemeinen Geschmack der Konsolenspieler liegen, aber ein wichtiger Grund dafür ist sicher auch die üblicherweise komplexe Steuerung, die ohne Maus und Tastatur doch einige zusätzliche Aufmerksamkeit und Ideen erfordert. Trotzdem hat das Genre auch auf den Konsolen eine eingeschworene Fangemeinde und Titel, wie Age of Empire II haben schon auf der Playstation 2 gezeigt, dass es funktionieren kann.

Dennoch haben die großen Publisher - vielleicht mit Ausnahme von Microsofts Halo-Wars-Reihe - diesem klassischen Genre scheinbar den Rücken zugekehrt. Kein Command & Conquer, kein Schlacht um Mittelerde, kein Age of Empire - und das sind nur die Genre-Größen, die es bereits auf die Konsole geschafft hatten. Kleinere Titel, wie etwa die 8-Bit-Reihe, hatten leider schon zum Release quasi keine ernsthafte Spielerbasis.

Jetzt bringen uns 1C Company und Destructive Creations mit Ancestors Legacy einen frühmittelalterlichen Schlachtenepos auf die Konsolen, das zwar bereits für PC erschienen ist, das aber von Anfang an auch für PS4 und Xbox One geplant war und einige wirklich schöne Ideen im Gepäck hat. Der Titel steht allerdings eher in der Tradition eines Company of Heroes und ist folglich kein Ersatz für Age of Empire. Wir bauen hier zwar ebenfalls eine Basis auf, aber die Gebäude werden in diesem Spiel an vorbestimmen Stellen errichtet und wir können keine Mauern bauen.

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Durch die niedrige Einheitenzahl ist es aber kaum möglich Truppen dauerhaft zur Verteidigung zu stationieren.

Im Mittelpunkt von Ancestors Legacy stehen die Einheiten, von denen wir maximal zehn an der Zahl gleichzeitig führen dürfen. Eine Einheit besteht aus mehreren Soldaten (mit Ausnahme von Katapulten und Helden), die im Kampf verletzt werden oder auch sterben können. In Ruhephasen heilen die Verletzungen langsam wieder und in der Basis oder in eroberten Dörfern ersetzen wir gefallene Soldaten. Das ist ein extrem wichtiger Faktor, da unsere Einheiten mit der Zeit Kampferfahrung erhalten und dadurch zusätzliche Fähigkeiten und bessere Werte bekommen - das kann im Gefecht den entscheidenden Unterschied ausmachen. Ist das letzte Mitglied einer Truppe gefallen, sind diese Boni weg und wir müssen in der Baracke unerfahrenen Nachschub produzieren.

Die Kämpfe selbst basieren natürlich auf dem klassischen Schere-Stein-Papier-Prinzip, allerdings bietet Ancestors Legacy einige Besonderheiten. Sind unsere Einheiten erst einmal in Kämpfe verwickelt, lassen sie sich von uns ohne weiteres nicht mehr kontrollieren. Das sorgt für einigen Realismus, denn natürlich können Schildträger, die gerade mit Schwertkämpfern im Clinch liegen, nicht einfach so von ihnen ablassen, um sich die nervigen Bogenschützen vorzuknüpfen, mit denen sie leichteres Spiel hätten. Die Bogenschützen müssen übrigens mit Bedacht eingesetzt werden, da ihre Salven auch die eigenen Einheiten treffen.

Wenn Nahkämpfer aufeinandertreffen, kann es zum minutenlangen Schlagabtausch kommen, selbst wenn der theoretische Ausgang eigentlich schon feststeht. Die einzige Möglichkeit die Kontrahenten vorher voneinander zu trennen, ist der Rückzugsbefehl, durch den die Einheit die Flucht antritt, danach aber für kurze Zeit nicht mehr auf Befehle reagiert. Auch die Formation unserer Einheiten spielt eine wichtige Rolle - offensiv marschieren sie schneller, während sie defensiv tödliche Fallen entdecken können (die man ebenfalls auslegen darf). Natürlich verleihen Angriffe in den Rücken oder in die Flanke zusätzliche Schadensboni und wir können unsere Einheiten für fiese Hinterhalte in Gebüschen verstecken.

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Die Schlachten und Scharmützel sind grandios in Szene gesetzt.

Der Fokus auf die Einheiten ist hervorragend umgesetzt und man hat wirklich das Gefühl, die Einheiten kämpfen einzeln miteinander und fuchteln nicht nur mit ihren Schwertern herum, bis die Werte auf null gesunken sind. Beim Sturmangriff spüren wir die Wucht, mit der die Einheiten aufeinandertreffen, das ist schon großartig mitanzusehen. Die Helden sind die Hauptfiguren aus der jeweiligen Kampagne und sie sind starke Kämpfer, die häufig noch eine Spezialfähigkeit mitbringen. Damit unterstützen sie unsere Truppen im Kampf zusätzlich und wenden womöglich ein düsteres Blatt ab.

Es gibt einen Tag-Nacht-Zyklus, der die Sicht beeinflusst (unsere Einheiten können Fackeln tragen, werden so aber auch selbst schneller entdeckt), unsere Armee braucht Nahrung und die Moral kann sinken. Wir müssen die Basis ausbauen, um weitere Einheiten und Technologien freizuschalten und wir gelangen an Ressourcen, indem wir Dörfer erobern. Dazu brennen wir fremde Dorfzentren immer erst komplett nieder, bevor es unsere eigenen Dorfbewohner wieder aufbauen. Durch die niedrige Einheitenzahl ist es aber kaum möglich Truppen dauerhaft zur Verteidigung zu stationieren. Sollte ein Dorf angegriffen werden, können wir Alarm auslösen, woraufhin die Dorfbewohner ins Dorfzentrum strömen und versuchen die Eindringlinge aus eigener Kraft abzuwehren. Das ist für Bauern zwar kaum möglich, doch mit Glück verschafft es uns etwas Zeit, um auf die Attacke zu reagieren und Unterstützung zu senden.

Die wirklich lange Kampagne ist in vier Teile gegliedert. Wir dürfen als Wikinger, Angelsachsen, Germanen (die merkwürdigerweise mit dem römischen Reich assoziiert werden) und Slawen in die Schlacht ziehen. Diese vier Fraktionen erleben je zehn Missionen, nach der Hälfte findet üblicherweise ein Szenenwechsel statt und wir beschäftigen uns mit einem frischen Handlungsstrang. Die Kampagne folgt stellenweise schon sehr stark einem Skript, ist für das Genre aber überraschend abwechslungsreich ausgearbeitet worden.

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Strategiefans können in der Kampagne schon für einige Zeit versinken.

In den vierzig Missionen gleicht eigentlich keine der anderen: Wir führen Eroberungsfeldzüge an, müssen Belagerungen überstehen, werden in der Stadt vom gemeinen Pöbel verfolgt, kämpfen mit Guerilla-Taktiken, es kommt zu tödlichen Kämpfen zwischen Brüdern und wir stehen uns in epischen Schlachten mit riesigen Armeen gegenüber. Die Geschichten werden im Ladebildschirm und durch Dialoge oder kleinen Szenen im Spiel erzählt. Strategiefans können in der Kampagne schon für einige Zeit versinken, denn an den individuellen Missionen sitzt man gerne eine Stunde oder länger.

Neben der abwechslungsreichen Kampagne können wir uns noch in die klassischen Skirmishes stürzen. Gegen die KI oder gegen andere Spieler dürfen wir auf zehn Karten in die Schlacht ziehen. In den Gefechten versuchen bis zu sechs Spieler alle Produktionsgebäude des Gegners zu zerstören. Alternativ wird im Domination-Modus gespielt, einer Art Tauziehen, bei dem es darum geht, wer die meisten Dörfer halten kann, um dem gegnerischen Team genügend Punkte abzuluchsen und die Siegbedingung zu erfüllen. Wie lange der Spaß an den Kämpfen anhält, lässt sich allerdings noch nicht sagen - das wird sich erst zeigen, wenn die Spieler hoffentlich die Server bevölkern.

Ancestors Legacy ist ein schickes Spiel (zumindest aus der Perspektive, in der gespielt wird) und es bereichert das Genre mit ein paar wirklich schönen Ideen. Die Schlachten und Scharmützel sind grandios in Szene gesetzt und die Wucht des Aufpralls, wenn zwei Armeen aufeinandertreffen, ist förmlich spürbar. Die Steuerung mit dem Controller funktioniert, dass liegt aber auch am eher gemächlichen Tempo des Spiels. Die Eingaben haben andere Echtzeitstrategiespiele auf der Konsole schon besser umgesetzt, aber nach einer kurzen Eingewöhnungsphase gehen die Kommandos halbwegs flüssig von der Hand.

Auf manchen Karten gibt es Nadelöhre, die das eigentlich schöne Konzept um das kluge Positionieren der Einheiten ein wenig aushebeln und insgesamt könnten sich die Einheiten der unterschiedlichen Völker noch stärker voneinander unterscheiden. Für 35 Euro bekommt ihr den Titel aktuell, der verhältnismäßig niedrige Preis spiegelt jedenfalls in keinster Weise die Qualität des Produkts wieder. Fans des Genres dürften hier voll auf ihre Kosten kommen.

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Disclaimer: Das Problem mit dem Entwickler.

Klingelt bei Destructive Creations etwas bei euch? Das sind die Entwickler dieses polnischen Gewaltspiels, die uns mit ihrem menschenverachtenden Müll zum virtuellen Amokläufer machen wollten. Das wollten wir damals nicht bei uns haben und so etwas wird es auch in Zukunft nicht auf Gamereactor Deutschland geben. Einige Jahre später ist das Studio jedenfalls mit einem zahmen Strategiespiel zurück, das solide Mechaniken und einige interessante Überraschungen bietet. Ingo hat sich verständlicherweise schwer damit getan, die Vergangenheit des Entwicklers vom Spielgefühl zu trennen und das Produkt für sich stehend zu bewerten. Genau das kann sich auch auf euer Spielempfinden auswirken, falls ihr dem Entwickler keine zweite Chance einräumen wollt. Dann lasst am besten gleich die Finger davon und wendet euch schöneren Sachen zu.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
toller taktischer Fokus auf die einzelnen Einheiten, abwechslungsreiche und lange Kampagne.
-
keine freie Positionierung der Basis, die Einheiten könnten noch unterschiedlicher sein.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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