2016 haben The Game Bakers ein Bossrush-Actionspiel mit Geschicklichkeitspassagen, elektrischen Beats und scharfen Klingen veröffentlicht - Furi. Das Projekt erhielt trotz seiner groben Art einiges an Aufmerksamkeit, doch mit dem kommenden Spiel der Franzosen hat es fast nichts mehr gemeinsam. In Haven lernen wir ein junges Pärchen kennen, das vor der eigenen Vergangenheit flieht. Die beiden Hauptpersonen heißen Kay und Yu und sie sind nicht füreinander bestimmt. Das sagt jedenfalls eine ominöse Entität namens Matchmaker aus dem Reich, aus dem die Beiden kommen. Um ihr Leben dennoch miteinander verbringen zu können, fliehen sie vor der Obrigkeit und landen auf einem fremden Planeten. Dort nehmen wir ihr Abenteuer auf.
Die Zwei sind die einzigen Menschen auf diesem gottverlassenen Ort namens Source und sie müssen sich selbst durchschlagen. Der Schauplatz von Haven ist ein aufgespalteter Planet mit über 40 schwebenden Inseln, die teilweise recht weitläufig sind. Spielerisch besteht das 3D-Adventure hauptsächlich darin, in neuen Gebieten nach Nahrung, Teilen zur Reparatur unseres notgelandeten Raumschiffs, sowie nach sonstigen Hilfsmitteln zu suchen. Schon nach kurzer Zeit stoßen wir dabei auf "verschmutzte" Areale, in denen sich merkwürdige Energiekristalle bilden. Diese Bereiche beeinflussen einige in der Nähe befindliche, eigentlich friedliche Tiere, die von der mysteriösen Energiequelle korrumpiert werden und daraufhin ihre Umgebung attackieren.
Wir können die Infektionen in rundenbasierten Kämpfen heilen, doch dabei stehen uns leider nicht sonderlich viele Optionen zur Verfügung. Es gibt zwei Angriffe, eine Figur kann für die andere reduzierten Schaden einstecken und die letzte Option wird benötigt, um niedergeschlagene Feinde endgültig aus dem Kampfgeschehen zu nehmen. Alle Befehle müssen aufgeladen werden und weil Animationen nicht übersprungen werden können, bricht die Aktionskette manchmal ab (unter anderem weil man sie während des Wartens aus Versehen mit neuen Eingaben überschreiben kann). Das größte Problem sind die fehlenden Indikatoren, denn man wartet gerne mal 20 oder gar 30 Sekunden darauf, dass ein bestimmter Feind seinen Zug macht und anschließend angreifbar wird. Ihr braucht aber nicht nur Geduld, ihr müsst euch auch selbst merken, welche Feinde empfindlich für eine bestimmte Attacke sind.
Das alles zieht sich schnell in die Länge, wird aber immerhin hübsch animiert. Diese Gameplay-Schleife aus Kämpfen, Reinigungsdienst und fortlaufender Erkundung wird immer wieder von Dialogen unterbrochen, in denen wir mehr über die Vergangenheit dieses Ortes, sowie über die Hintergründe von Kay und Yu erfahren. Die besten Momente von Haven gehen auf die Interaktion der beiden charismatischen Protagonisten zurück, die kaum die Finger voneinander lassen können und ständig miteinander herummachen. Als Zuschauer fühlte ich mich regelmäßig wie das dritte Rad am Wagen, denn die beiden Turteltauben suhlen sich geradezu in ihrer sexuellen Energie. Das junge Paar heizt sich gegenseitig auf, sie streiten intensiv und versöhnen sich innig. Es ist ein einfühlsames, authentisches Miteinander.
Haven probiert sich an vielen Dingen, allerdings lässt die Feinabstimmung wie gesagt zu wünschen übrig. Unzählige Alltagsgespräche veranschaulichen die starke Beziehung zwischen Yu und Kay, doch der zentralen Spielstruktur steht die gegenseitige Charakterentwicklung ironischerweise im Weg. Beispielsweise müssen wir unsere aktuelle Reise regelmäßig unterbrechen, um ein Teil des Schiffes zurück zur Basis zu tragen. Das führt dazu, dass wir erneut durch unzählige Inseln reisen müssen, um unsere Erkundungstour fortzusetzen. Unsere Ausflüge sind zudem vom Appetit der Reisenden abhängig, denn wenn den beiden Abenteurern der Magen knurrt, oder es dunkel wird (weil das Pärchen mal wieder nicht vor dem Nachmittag aus den Federn kam), dann erschweren diese Bedingungen unseren Fortschritt beim Inselerkunden.
Zwar bringt es wesentliche Vorteile (im Kampf) mit sich, die Beziehung unserer beiden Abenteurer zu vertiefen, doch im Endeffekt kann man ein Ende des Spiels auch mit deutlich weniger Dramatik und Aufwand erreichen. An Verknüpfungen zwischen Narration und Spielmechaniken mangelt es nicht, doch die Umsetzung hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, vor allem qualitativ. Spielerisch empfand ich Haven deshalb leider als schwach. Den Kämpfen fehlt es an Taktik, Tiefgang und Indikatoren, die Erkundung nutzt sich aufgrund der fehlenden Vielfalt zu schnell ab und lohnt sich abgesehen von kleineren erzählerischen Highlights nur bedingt. Vermutlich hätte die Handlung ohne Interaktion fast besser funktioniert, denn dann hätte sie vielleicht gebündelter erzählt werden können.
Die reduzierte Farbpalette in Kombination mit der überschaubaren Artenvielfalt tierischer und pflanzlicher Lebewesen erinnerte mich immer wieder an No Man's Sky, doch Haven bietet leider nur vier sich sehr ähnlich sehende Biotope. Im Gegensatz zur Sci-Fi-Odyssee aus Großbritannien gibt es jedoch einen wesentlichen Clou, denn Kay und Yu düsen mit einiger Geschwindigkeit über die bunte Kulisse. Gestalterisch kann Haven trotz seiner Limitierungen überzeugen, doch auf der Xbox Series kam es auch immer wieder zu kleineren fps-Einbußen. Die sehr gute englische Sprachausgabe brach ab und zu komplett ab, doch da das Spiel beim Wechsel des Gebiets automatisch speichert, verliert ihr bei einem Neustart nie allzu viel Fortschritt. Die elektronische Musik von Haven wirkt entspannt, doch sie nutzt sich bei längeren Erkundungstouren ebenfalls ab.
Die Ausarbeitung von Kay und Yu ist The Game Bakers hervorragend gelungen, doch das Drumherum ist überaus wackelig und leider nicht sehr spannend. Die schicke Umverpackung kann diesen Fakt über einige Zeit verschleiern, doch das Kern-Gameplay trägt den Titel nicht über die komplette Spielzeit. Vor allem die zweite Hälfte empfand ich als schleppende Erfahrung, denn während man die Inseln nach optionalen Geheimnissen absucht, passiert eigentlich gar nichts und es gibt keine echten Anhaltspunkte. Auch die unterentwickelten Kämpfe können den Titel nicht retten und deshalb bleibt folglich nur das starke Bildnis des einsamen Liebespaars, das auf sich allein gestellt gegen äußere Einflüsse ankämpft. Es ist eine perfekte Metapher für das neue Spiel von The Game Bakers.