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Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin

Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin

Das Soulslike-Genre mit der Final-Fantasy-Lizenz zu verbinden, klingt nach einem Erfolgsrezept, doch die Ausführung verhindert, dass wir den Titel empfehlen können.

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Stranger of Paradise: Final Fantasy OriginStranger of Paradise: Final Fantasy Origin
Final-Fantasy-Veteranen werden diese Widersacher natürlich wiedererkennen, allerdings werden die Kämpfe gegen sie diesmal anders ablaufen, als ihr es vielleicht in Erinnerung habt.

Nachdem Team Ninja The Nioh Collection auf der Playstation 5 (und PS4) veröffentlichte, wollten die Entwickler ihrer feudaljapanischen Soulslike-Reihe eine kleine Auszeit gönnen und sich anderen Projekten widmen. Wer Nioh 2 ausgiebig gespielt hat, der wird diese Meldung vermutlich ebenfalls als gutes Zeichen interpretiert haben, denn frische Ideen kann die Reihe offengestanden gut gebrauchen. Im Auftrag von Square Enix stülpen die japanischen Entwickler ihr ausgetretenes Spielkorsett nun über die magische Welt von Final Fantasy und dabei entsteht eine Art „zugängliches Final-Fantasy-Nioh". Das mag erst einmal nicht verkehrt klingen, sollte für Neulinge allerdings als klare Warnung verstanden werden.

Mit Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin erweitert Team Ninja das allererste Final Fantasy aus dem Jahr 1987 um eine vielschichtige Vorgeschichte. Wer mehr über den Anbeginn der langjährigen JRPG-Reihe erfahren möchte, der wird in diesem Abenteuer aufschlussreiche Perspektiven zu einigen Hintergrundthemen und Figuren aus dem Original bekommen. Dafür müsst ihr aber bis zur Auflösung der Story am Ball bleiben und das ist aufgrund verschiedener Faktoren keine leichte Aufgabe. Zum einen wäre da natürlich das herausfordernde Nioh-Gameplay, das regelmäßige Schwierigkeitsspitzen aufweist und schnelle Reflexe voraussetzt. Das zweite Hindernis ist die wahnsinnig anstrengende Geschichte, die konfus erzählt wird, mit blassen Charakteren arbeitet und bis zum Ende wenig Sinn ergibt.

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Die Erzählung wendet viel Zeit und Energie auf, um die Spieler auf einen großen Twist vorzubereiten, der dem Team zwar gut gelingt, aber insgesamt zu viel Investition voraussetzt. Das große Problem sind die unreflektierten Figuren, die ihre Eindimensionalität nicht infrage stellen, sondern provokant zelebrieren und dadurch sehr unsympathisch wirken. Beinahe alle Charaktere dieser Spielwelt sind blasse Abziehbilder, aber der Anführer unserer grimmigen Truppe ist eine Nummer für sich. Jack ist ein vom Hass getriebener Soldat, der ein Wesen namens Chaos verfolgt und an nichts anderes denken kann. Was dieser engstirnige Idiot das ganze Spiel über von sich gibt, ist absolut unerträglich, und seine raue Art ist der Grund dafür, dass sich die Geschichte nicht entwickelt - er hält die Exposition mit Leibeskräften zurück.

Dass wir ihn und die anderen Partymitglieder im Spielverlauf besser kennenlernen und verstehen, warum sie sich so verhalten, entschädigt zwar etwas für die Zeit, die wir mit ihnen verbringen müssen - es macht die Sache aber auch nicht wieder wett. Die Geschichte nimmt erst in den letzten Missionen (also nach 20 oder 30 Stunden) richtig an Fahrt auf und dann steht auch bereits der Epilog bevor. Wie viel ihr von all dem am Ende mitnehmt, hängt sehr stark von eurem Bezug zum Original ab. Ich bin vor allem überrascht, dass es dem Spiel tatsächlich gelungen ist, doch noch so etwas wie eine kohärente Handlung zu erzählen. Die meiste Zeit über war die Geschichte nämlich ehrlich gesagt unausstehlich.

Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin
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Diese Bildreihe soll verdeutlichen, wie chaotisch der Kunststil von Stranger of Paradise ist: Elemente aus dem Mittelalter, Magie, moderne Klamotten und Hi-Tech-Zukunft beißen sich permanent.
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Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin greift die komplexe Spielstruktur von Nioh auf und erweitert bestimmte Facetten. Die Gegner haben nicht nur eine Lebensleiste, sondern auch eine Haltungsleiste (genannt „Break Gauge") und sobald die erschöpft ist, könnt ihr zum sogenannten „Soul Burst" einsetzen. Das ist eine unnötig brutale Hinrichtung, die man sich im Spielverlauf immer und immer wieder ansehen muss. Verschiedene Waffen richten unterschiedlichen Haltungsschaden an und ihr könnt teilweise die Umgebung zu eurem Vorteil nutzen, um Feinde schneller zu überrumpeln.

Eine interessante Neuerung ist das Combo-System, das euer Angriffsrepertoire sinnvoll erweitert, in der Praxis aber nur selten Anwendung findet. Meist lassen einem die Gegner nicht genügend Zeit, um lange Attacken einzuleiten, doch die Bewegungen sind vielfältig einsetzbar und wer Timing und Eingaben präzise hinbekommt, der wird sich sehr mächtig fühlen. Im Kampf stehen uns drei Defensivmanöver zur Verfügung: Ihr könnt euch gegen die meisten Angriffe verteidigen und mit gutem Timing eine Parade ausführen, einigen Attacken müsst ihr per Ausweichrolle entgehen und zu guter Letzt gibt es noch das „Soul Shield", mit dem ihr bestimmte Angriffe auffangt, die ihr anschließend gegen eure Feinde richten dürft.

Ein großer Fokus von Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin ist das Jobsystem, das an Final Fantasy erinnern soll. Mit gewonnener Erfahrung schaltet ihr in den verschiedenen Talentbäumen passive und aktive Effekte frei und davon wollt ihr so viele wie möglich haben. Jede Klasse schreibt euch vor, welche Waffen ihr nutzen könnt und das bedingt wiederum die Fähigkeiten, auf die ihr zugreifen könnt. Die Entscheidung, ob ihr mit Streitaxt, Schwert, Lanze, Dolch oder Streitkolben in den Krieg zieht, ist letztlich aber nicht so groß, wie man zunächst annimmt. Als Magier könnt ihr die Feinde zwar mit magischen Attacken eindecken, aber sobald euer Mana leer ist, müsst ihr in den Nahkampf wechseln, um eure Energiereserven wieder aufzufüllen. Da wir jederzeit zwischen zwei Ausrüstungssets wechseln können, kann man sich auf unterschiedliche Situationen vorbereiten.

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Die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad frei wählen zu können, ist eine schöne Sache.

Um der veränderten Zielgruppe gerecht zu werden, bietet Team Ninja diesmal mehrere Schwierigkeitsgrade an, die vor allem die Schadensskalierung beeinflussen. Auf „Story" haltet ihr in den Kämpfen deutlich länger aus und ihr könnt prinzipiell alle Angriffe blocken. „Action" ist eine gut ausbalancierte Option, die vor allem in den Bosskämpfen herausfordernd wird. Duelle gegen diese großen Monster, die jeder Final-Fantasy-Fan kennen wird, sind natürlich das Highlight des Spiels. Team Ninja gibt euch übrigens sehr hilfreiche Hinweise, falls ihr an diesen Gegnern scheitern solltet - außerdem kann man den Schwierigkeitsgrad an jedem Checkpunkt verringern. Auf „Hard" verliert ihr beim Tod einen Teil eurer Manaleiste und das wollt ihr natürlich nicht, denn ihr braucht die aktiven Fertigkeiten. Nach Abschluss des Spiels wird eine weitere Option verfügbar, die aber nur für die hartgesottenen Actionfans von Team Ninja interessant ist.

Neben dem gewählten Schwierigkeitsgrad bedingt euer Ausrüstungslevel, wie viel Schaden ihr anrichtet und wie viel ihr einstecken könnt. Das gesamte Spiel über wechselt eure Ausrüstung im Minutentakt, denn Team Ninja ertränkt die Spieler nach wie vor in einer Flut an zufällig generierten Items, die den Spielfluss unnötig verlangsamen. Da einem das Spiel die besten Ausrüstungsteile auf Wunsch hin selbstständig heraussucht, muss man sich mit Affinitäten und Bonuseffekten zum Glück nicht intensiv beschäftigen. Die Optimierung der eigenen Ausrüstung macht wirklich erst ganz am Ende des Spiels Sinn, wenn ihr auf dem „Chaos"-Schwierigkeitsgrad die allerschwersten Missionen absolviert und euer Setup perfektionieren wollt. Die meisten Spieler werden Funktionen wie die Schmiede deshalb nur nutzen, um den ganzen Müll regelmäßig zu entsorgen.

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Für die Story und das Szenario zeichnet sich Kazushige Nojima von Stellavista Ltd. verantwortlich. Er hat zuvor an FF8 und FF10 gearbeitet.

Im Gegensatz zu Nioh sind wir in Stranger of Paradise nicht allein unterwegs, sondern werden von zwei Partymitgliedern begleitet. Im Kampf werden sich eure Mitstreiter nur selten bemerkbar machen, aber manchmal ziehen sie die Aufmerksamkeit der Feinde auf sich, was in diesen Spielen sehr wertvoll ist. Im Mehrspielermodus, der leider nur innerhalb der Konsolenfamilien von Sony und Microsoft möglich ist (Crossplay gibt es nicht), schlüpfen fremde Spieler in die Rollen eurer Begleiter. Diese Gäste können ihre eigenen Waffen und Fähigkeiten einsetzen und sie spielen primär für Ausrüstung und Erfahrung.

Die effektvollen Bosskämpfe von Stranger of Paradise: Final Fantasy Origin sind eine schöne Angelegenheit, nur gibt es leider keine echten Highlights, wie sie zum Beispiel Elden Ring und Co. bietet. Das Gameplay von Nioh wurde zwar glücklicherweise etwas entschlackt, aber weder die generische Level-Architektur noch die Konfrontationen mit normalen Feinden sind besonders spannend. Die Welt ist ein einziger Stilbruch aus verschiedenen Epochen und Technologien, die die meiste Zeit über gar keinen Sinn ergeben. Bei der Story ist Team Ninja deutlich über das Ziel hinausgeschossen und deshalb glaube ich, dass nicht einmal die Fans damit allzu viel Spaß haben werden. Wer eine große Leidenschaft für die traditionsreiche JRPG-Reihe empfindet, der kann aus dem Titel aber sicherlich einiges herausziehen.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Durchhaltevermögen zahlt sich aus, flottes Actionspiel mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden, Final-Fantasy-Fans werden mit dem Titel mehr Spaß haben.
-
technisch anspruchsvoll und Performance-Einbußen bleiben nicht aus, das Setting der Welt und die zentrale Geschichte sind für Außenstehende großer Quatsch, warum wird man noch immer mit wertlosen Items vollgemüllt?
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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