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Assassin's Creed IV: Black Flag

Assassin's Creed IV: Black Flag

Reichtum, Macht und Ruhm. Der Mann, der sich dies alles erkämpfte heißt Edward Kenway - der amtierende König der Piraten. Das hier ist seine Geschichte.

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"Ein ehrlicher Mann hat kein leichtes Leben, Edward. Und sich danach zu sehnen, das schmerzt am Allermeisten", erzählte mir einst James Kidd. Diese Worte gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Nun stehe ich am Ende meiner langen Reise, alleine. Ich - das heißt Edward Kenway - Assassine und Freibeuter im Atlantikraum. Alle haben ihn verlassen. Sind vom Weg abgekommen. Aber wieso?

Edward Kenway interessiert sich für das ganz große Geld. Er hat seine Frau im Vereinigten Königreich zurücklassen müssen, um für sie zu sorgen. Deshalb versucht er sich als Freibeuter und ihm sind alle Mittel recht. Die Story von Assassin's Creed IV: Black Flag spielt Anfang des 18. Jahrhunderts und dreht sich um die Suche nach einem sagenumwobenen Observatorium. Die aus den Vorgängerteilen so präsente Thematik des Krieges zwischen Assassinen und Templern ist hier kaum zu spüren. Wir leben das freie Leben eines Piraten. Mit all seinen Vorzügen und seinen Problemen. Das karibische Setting ist für mich als Fan der Serie viel spannender als etwa das des geschichtsträchtigen Assassin's Creed III im amerikanischen Bürgerkrieg. Man hat einfach die Freiheit, Dinge zu tun, auf die man gerade Lust hat.

Seit jeher Gameplaybremse Nummer Eins sind die Realitätsmissionen, die ihre eigene Geschichte erzählen. Zu den ungünstigsten Zeitpunkten reißt Ubisoft uns aus der in mühevoller Kleinstarbeit kreierten Welt. Dass viele Spieler lieber geistesabwesend die einfältigen Kurzmissionen hinter sich bringen, scheinen sie immer noch nicht zu checken. Wer will denn bitte die Karibik gegen beengte, farblose Zellen oder Lagerhäuser eintauschen? Ubisoft hält konsequent an dieser Idee fest und schiebt energiegeladenen Piraten einen Riegel vor.

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Assassin's Creed IV: Black FlagAssassin's Creed IV: Black Flag
Im Wesentlichen ruht Assassin's Creed IV: Black Flag auf zwei Gameplay-Säulen.

In Black Flag spielen wir neben Edward nämlich einen neuen Mitarbeiter von Abstergo Industries. Wer wir sind und was wir machen, es bleibt im Verborgenen. Im Gegensatz zu unseren Vorfahren verhalten wir uns verblüffend wortkarg und introvertiert. Direkt zu Beginn dieser in Episoden aufgeteilten Storyhäppchen fällt auf, dass das Abstergo-Gebäude merkwürdig lebendig wirkt. Warum sich das alles so anfühlt, fällt eigentlich erst beim zweiten Hinsehen auf. Wir steuern den unbekannten Templer nämlich aus der Egoperspektive. Zahlreiche Charaktere, die sich in englischer oder französischer Sprache unterhalten, sorgen für die richtige Atmosphäre. Bekannte Floskeln bleiben im Originalton, alles andere wird übersetzt. Das wirkt zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig, aber den netten Französinnen verzeiht man so einiges.

Allerdings bietet die Welt außerhalb des Animus kaum etwas Sehenswertes. Ständig sollen sonderbare Dinge in den Büroetagen erledigt werden. Sicherheitskameras ausschalten, Computer hacken und an beschäftigten Figuren vorbeihuschen. Serienkenner finden hier Informationen über Desmond Miles und andere Assassinen. Auch auf alte Gesichter werden wir hier treffen und schnell erahnen, was die verbliebenen Assassinen planen.

Im Wesentlichen ruht Assassin's Creed IV: Black Flag auf zwei Gameplay-Säulen. Zum einem gibt es das herkömmliche Spiel aus der Verfolgersicht an Land. Dort suchen wir nach Informationen, führen Attentate aus und flüchten anschließend. Zusätzliche Zeit beanspruchen die zahlreichen Nebentätigkeiten. Es gibt Ausrüstungsteile zu finden, die über die ganze Weltkarte verstreut sind. Maya-Ruinen bieten Rätseleinlagen und Templerschlüssel öffnen einen besonders wertvollen Schatz.

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Assassin's Creed IV: Black Flag
Die Kämpfe in Assassin's Creed IV: Black Flag sind nicht mehr so leicht. Die Gegner greifen in unterschiedlichem Tempo an und einige von ihnen gleich mit mehreren Treffern.

Der Jagd nach Tieren wird eine deutlich geringere Rolle zugeschrieben. Nur wenige Tierkomponenten müssen einmalig für die Herstellung bestimmter Ausrüstungs-Upgrades gesammelt werden. Danach lässt sich mit dem schmutzigen Handwerk nur noch etwas Kleingeld verdienen. Wirtschaften ist wichtig, denn Geld bekommen wir nicht mehr über renovierte Shops oder kontrollierte Stadtviertel. Handelsschiffe müssen überfallen werden, um deren Ladung einzukassieren. Wenn wir ein Schiff entern, erhalten wir alle geladenen Waren. Wird das Schiff dagegen zerstört, verschwindet ein Großteil davon in den Fluten. Um in Erfahrung zu bringen welche Feinde mit welchen Waren beladen sind, gibt es das Fernrohr. Durch Drücken der rechten Schultertaste späht Edward nahe Schiffe aus und kann so entscheiden, ob sich die Jagd lohnt.

Damit kommen wir zum zweiten Gameplay-Pfeiler: der Schifffahrt. Seit Assassin's Creed III dürfen wir aktiv ein Schiff steuern und erleben packende Gefechte. Aber Kenway ist Pirat und die Atlantikregion bietet erheblich mehr Wasseranteil als Landfläche. Deshalb findet ein Großteil des Spiels auf dem Wasser statt. Wir haben mit der Jackdaw ein eigenes Schiff und nutzen sie aktiv zur Reise und zum Kampf. Das muss einem erst einmal bewusst werden. Die Weltkarte besteht jetzt aus Wasser und wir segeln darauf. Faktisch verbringen wir sehr viel Zeit auf dem Zweimaster und mit der Crew.

Damit die Weite des Ozeans nicht langweilt, haben die Entwickler allerhand Material in die See gepumpt. Sporadisch auftretende Sandbänke lassen die Jackdaw einen unfreiwilligen Zwischenstopp einlegen. Überall schwimmen Treibgut und Schiffbrüchige herum, die nur darauf warten, eingesammelt zu werden. Eine nette Idee sind die Seemannslieder der Crew. Weitere Liedzeilen sind ebenfalls in der Welt verstreut und ermöglichen der Meute, neue Lieder zu singen. Neben den gegnerischen Konvois und zahllosen Feindschiffen gibt es schießwütige Festungen mit gewaltigen Mörsertürmen. Dort einmal nicht aufgepasst und die Jackdaw ist Kleinholz. Außerdem können wir auf hoher See sogar direkt in einen Kampf spanischer und englischer Kriegsschiffe geraten und das zu unserem Vorteil nutzen, wenn wir wollen. Sollten wir Edwards räuberische Ader freiem Lauf lassen und stets die feindlichen Handelsrouten überfallen, steigt bald der Ruflevel an. Das überzeugt schließlich auch die nervigen Piratenjäger, uns zu attackieren.

Assassin's Creed IV: Black Flag
Optisch verändert sich Black Flag nur geringfügig zum Vorgänger. Die schönsten Bilder sehen wir in den Next-Gen-Versionen, aber nicht nur hoch über den Städten, sondern auch direkt auf der Wasseroberfläche.

Auf fast allen Inselgruppen warten Schätze und andere Geheimnisse darauf, entdeckt zu werden. Oder wir erleben eine der Unterwassermissionen. Wir dürfen nämlich richtig tauchen. Zwar auch nur sporadisch und mithilfe einer erst später verfügbaren Tauchglocke, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zumal die Tauchmissionen alle sehr schön sind. Dieses erste Mal, wenn wir kaum noch Luft in unseren Lungen haben und patrouillierende Haie den Weg zum rettenden Sauerstoff versperren. Das lässt dein Herz lauter schlagen und Panik aufsteigen.

Der Atlantik ist eine gut gewählte Weltkarte, aber einen Kritikpunkt habe ich. Wenn wir im Optionenmenü das Blut anstellen und mit dieser Einstellung auf hoher See einen Wal jagen, schlägt das gewaltig auf den Magen. Sobald der Kapitän beginnt spitze mit Widerhaken besetzte Harpunen in das Tier zu jagen und den Ozean im wahrsten Sinne des Wortes rot zu färben, stößt das an die Grenzen des guten Geschmacks. Sobald dieses Folterszenario beendet ist, werden wir mit einem Abbild unserer Tat belohnt. Den bluttriefenden Kadaver ziehen die beherzten Matrosen leichtfertig an Bord. Der Anblick darf durch langes Drücken einer Taste übersprungen werden, aber nicht sofort ... mal sehen, was die PETA dazu sagen wird.

Optisch verändert sich Black Flag nur geringfügig zum Vorgänger. Die schönsten Bilder sehen wir in den Next-Gen-Versionen, aber nicht nur hoch über den Städten, sondern auch direkt auf der Wasseroberfläche. Die Qualität des Wassers gehört zu den schönsten Präsentationen, die auf der aktuellen Konsolengeneration möglich sind. Einige Passagen bohren sich dabei tief in unser Gedächtnis. Etwa diese eine Seeschlacht: Die Jackdaw entert gerade ein gegnerisches Kriegsschiff. Captain Kenway nimmt den Aufzug hoch zur Takelage seines Zweimasters, von wo aus er sich mit einem Seil auf das gegnerische Deck schwingt. Erst im allerletzten Moment erkennt er den feindlichen Admiral und tötet ihn per kunstvoll inszeniertem Luftattentat. Davon kriegt man nie genug. Leider nerven stark verpixelte Texturen in den Animationen, eine Eigenheit der Grafikengine, die erst in den Next-Gen-Versionen für PS4 und Xbox One behoben ist.

Assassin's Creed IV: Black Flag
Damit die Weite des Ozeans nicht langweilt, haben die Entwickler allerhand Material in die See gepumpt.

Viele Spieler trennten sich deshalb von der Serie, weil sie vom teils anspruchslosen Schwierigkeitsgrad der frühen Titel gelangweilt wurden. Eigentlich hat es keinen Unterschied gemacht, gegen wie viele Feinde wir gleichzeitig kämpften. Fünf waren so gut wie dreißig. Denn die Gegner griffen stets einzeln an und ließen sich per Konter-Kill sofort ausschalten. Aber im Grunde genommen gibt es aber seit Assassin's Creed III genug Möglichkeiten, einen Kampf aussichtslos zu verlieren. Die Kampfkomponente verspricht genug Abwechslung mit ihren zahlreichen Ausrüstungsgegenständen. Die Kämpfe in Assassin's Creed IV: Black Flag sind nicht mehr so leicht. Die Gegner greifen in unterschiedlichem Tempo an und einige von ihnen gleich mit mehreren Treffern. Außerdem wird von außerhalb auf uns geschossen. Eine eigene Assassinen-Bruderschaft, die auf Befehl jegliche Feinde in der Nähe tötet, lässt Ubisoft diesmal übrigens weg. Alles ist für Gelegenheitsspieler geeignet.

Schwierig sind deshalb eher die Kämpfe auf hoher See. Die Jackdaw muss ebenso wie Edward aufgerüstet werden. Das wiederum ist an mehrere Faktoren geknüpft, weshalb Erkundungsmissionen in die schwer bewachten südlichen Gebiete reine Himmelfahrtskommandos darstellen. Allerdings beherbergen größere Schiffe natürlich auch bessere Belohnungen. Und diese zu besiegen geht ganz einfach: Wenn ein feindliches Schiff genug Schaden eingesteckt hat, ist es bereit zum Entern. In dieser Phase steuern wir Kenway direkt. Das unterbricht den tödlichen Mörserbeschuss oder die Feindmannschaft. Nach erfolgreichem Enterkampf dürfen wir die Jackdaw von der gegnerischen Crew reparieren lassen und setzen den Kampf mit erholter Gesundheit fort. Geplant ist das von Entwicklerseite sicher nicht gewesen. An derartigen Stellen bemerkt man häufig die fehlende Künstliche Intelligenz. Weil diese Schiffe sich nicht kümmern, bleibt von ihrem Verbündeten nur ein sinkendes Wrack übrig.

Aber das ist nicht der einzige technische Schnitzer. Die Lippensynchronität ist wirklich mies und vor allem die Massenkämpfe während des Enterns sind frustrierend. Ständig kassieren wir Treffer verbündeter Crewmitglieder, die nicht nur Leben kosten, sondern auch noch unsere Kombo Kills unterbrechen. Den Tiefpunkt der Technik finde ich persönlich aber im Feuer. Wenn ein Schiff anfängt zu brennen, steigen aus dem Inneren Flammen durch die Fenster auf. Das schaut unheimlich schlecht aus und macht ganz nebenbei auch keinen Schaden. Oder der gefürchtete Pirat Edward Kenway kann durch Feuer gehen, weil er mit dem Teufel im Bunde steht. Ein echter Hingucker sind die vielen Taue am Bug des Schiffes. Aber durch die Hälfte der Takelage laufen wir unbeirrt hindurch, weil sie offensichtlich nur der Optik dienlich sind. Aber bei einem solchen Großprojekt kann man doch mal über ein paar Fehler hinwegsehen. Es stört auch nur kurz, dass die Jackdaw binnen Sekunden abbremst. Denn solche Wunder bringen strategische Vorteile mit sich.

Assassin's Creed IV: Black Flag
Der Jagd nach Tieren wird eine deutlich geringere Rolle zugeschrieben. Nur wenige Tierkomponenten müssen einmalig für die Herstellung bestimmter Ausrüstungs-Upgrades gesammelt werden.

Am bewährten Mehrspielermodus verändert sich kaum etwas. Wir bekommen einige neue Figuren, wie den kreidebleichen Dandy, der seine Gegner bevorzugt mit einem Fleischerhaken um die Ecke bringt. Diese Darsteller haben eine Menge neuer Animationen erhalten, wodurch das Spiel noch variabler ausschaut. Es gibt den kooperativen Spielmodi Wolfsrudel, in dem die vier Spieler zusammen computergesteuerte Charaktere ausschalten müssen oder den Artefakt-Angriff. Dort spielen die Templerverschnitte in zwei Teams und versuchen, das gegnerische Artefakt möglichst ungesehen oder aber besonders schnell zur eigenen Basis zu eskortieren. Quasi Capture the Flag, nur viel schneller, als wir es von Shootern gewöhnt sind.

Aber das klassische Mehrspielergefühl kommt erst bei Gesucht auf - der Deathmatch-Variante. Dort müssen wir Feinde ausschalten, während es andere Spieler auf uns abgesehen haben. Diese Kombination aus Räuber und Gendarmen und der tollen Bewegungsfreiheit der Assassin‘s Creed-Serie ist magisch. Die Möglichkeit Verfolger zu betäuben und sie dann zu provozieren, lässt jedem Spieler ein breites Grinsen im Gesicht aufgehen. Punkte bekommen wir durch viele möglichst hochwertige Attentate. Das treibt den Highscorezähler in die Höhe und einen selbst an die Spitze der Liste.

Wenn dann noch die Unmengen von Ausrüstungsfreischaltungen unserer Lieblingsfigur hinzugezählt werden, ist der Mehrspielerpart fast ein eigenständiges Spiel. Die Maximalstufe wurde auf 55 angehoben und mit der Rücksetzfunktion Prestige versehen. Um alles zu komplettieren, muss viel Zeit investiert werden. Apropos investieren: Der Season Pass für Assassin's Creed IV: Black Flag ist übrigens schon erhältlich. Für 19,99 Euro gibt es die Episode Seemannsgarn, die es nicht auf die Disk geschafft hat. Viel besser ist hingegen das neue Spiellabor, das es den Assassinen endlich erlaubt, eigene Spielmodi zu kreieren. Da dürfen wir nämlich die Parameter nach Belieben verändern, was zu interessanten Spielmodi führen könnte.

Es ist beängstigend zu erleben, was Ubisoft hier gehext hat. Eigentlich hatte ich die Serie schon längst abgeschrieben und mich anderen Titeln gewidmet. Aber nun liegt dieses Spiel vor mir, welches ich offenherzig vielen Menschen empfehlen würde. Schon die Hälfte des Spielinhaltes benötigt weit mehr als zwanzig Spielstunden. Es gibt so wahnsinnig viel zu erleben und es macht auch noch Spaß - was ja nun wirklich keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Die Story hat mich berührt, ja sie hat richtig gut unterhalten. Assassin's Creed IV: Black Flag ist um ein Vielfaches authentischer als andere Serienableger.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
tolle Seefahrt, riesiges, hervorragendes Gesamtpaket aus Story und Multiplayer
-
einfältige Kurzmissionen in der Realität, Lippensynchronität ist mies
overall score
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