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Alien Rage

Alien Rage

Ein kurzlebiges, recht eintöniges Gefühl der Macht mit wahnsinnig betörender Grafik für kleines Geld, das alles ist Alien Rage.

Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass hier einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Hat Entwickler City Interactive etwa bei Epic Games abgekupfert? Ich möchte dem Entwicklerteam keinesfalls ihre eigene Arbeit absprechen. Es fühlt sich vielmehr so an, als ob hier uninspirierte Einfälle aus anderen Videospielen übernommen wurden, um das eigene Spiel damit gewichtiger zu gestalten und auszufüllen.

Die Hauptfigur in Alien Rage ist ein muskelbepacktes Monster von einem Mann in einer klobigen Stahlrüstung. Seine dämlichen Sprüche könnten exakt aus dem Mund von Marcus Fenix stammen. Und dann kommt noch die gefühlte Schwerfälligkeit des Charakters dazu. Denn obwohl die Steuerungsvorlage uns eine Sprungfunktion vorgibt, ergibt diese in der Praxis wenig Sinn. Kaum zwanzig Zentimeter überspringen wir. Es eignet sich also nicht einmal dazu, eine Deckung zu überspringen. Hier wird spielerische Freiheit vorgegaukelt. Merkwürdigerweise ist unser Soldat ziemlich flink beim Sprinten, kann aus vollem Lauf heraus dann wiederum doch nur einen guten Meter rutschen. Was ist das hier nur für ein merkwürdiges Spiel, das ich in die Finger bekommen habe?

In erster Linie ist Alien Rage ein Egoshooter, der von seinen wahrhaftig gelungenen Visualisierungseffekten lebt. Blitze, die über das HUD zucken, durch elektromagnetische Impulse ausgelöste Interferenzen des Sichtfeldes, atemberaubende Licht- und Schattenspiele und wabernder Plasmadampf. Auf technischer Seite ist dieses Spiel trotzdem ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sind die Grafik- und Physikeffekte gut gelungen, wenngleich der überwältigende Rest mittelmäßig bis schlecht ausfällt. Verständlicher wird das alles, sobald man es selbst erlebt. Das Dargebotene sieht nämlich nach einem Vorzeigetitel aus, aber dazu gesellen sich schlechte, teilweise nicht übersetzte Bildschirmtexte, unsichtbare Levelbegrenzungen und fragwürdige Aussetzer der Künstlichen Intelligenz. Die Liste ist lang. Verstehe das, wer will. Die Entwickler zeigen aber doch ihr Talent, etwas auf hohem Niveau zu produzieren.

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Alien RageAlien Rage
Blitze, die über das HUD zucken, durch elektromagnetische Impulse ausgelöste Interferenzen des Sichtfeldes, atemberaubende Licht- und Schattenspiele und wabernder Plasmadampf.
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Die Einzelspielererfahrung ist - milde ausgedrückt - durchwachsen. Die in der Zukunft angesiedelte Geschichte spricht eigentlich für sich. Darin geht es um eine mächtige Energiequelle, das Promethium. Die Menschen haben es auf einem fernen Planeten gefunden. Die Alienrasse der Vorus streitet sich nun mit den wenigen menschlichen Siedlern darum. Deshalb schickt irgendeine mächtige Organisation den größten Badass, den sie finden konnten - uns. Der Auftrag: alles vernichten. "Wenn wir es nicht haben können, dann soll es keiner haben." Tja... Das sagt doch alles aus.

Der spielbare Charakter ist in erster Linie bewundernswert. Danach kommt seine unübertroffene Coolness (was an den Machosprüchen erkennbar ist) und dann sind wir selbstverständlich fast unbesiegbar. Mit diesen drei Hauptfertigkeiten geht es daran, sich durch eine vierzehn Level umfassende Kampagne zu schießen. So wie es sich liest, spielt es sich auch. Kaum kann man das erste vom dritten Level unterscheiden, da sich die Areale mitunter stark ähneln.

Tiefergehende Gespräche, Kontext und emotionale Bindungen sucht man ebenfalls vergebens. Eine Bindung entwickelt man allerhöchstens zur favorisierten Waffe. Diese sollte eine hohe Feuerrate und einen geringen Rückstoß aufweisen. Die richtige Waffe läuft erst nach mehreren hundert Projektilen heiß oder will erst dann mit einem neuen Magazin gefüttert werden. Beruhigt fixieren wir also Trigger, respektive Maustaste und nehmen manuell leichte Korrekturen des Sichtfeldes vor. Unseren Feinden ist das egal. Teilweise bekomme ich den Eindruck, dass die widerwärtigen Aggressoren absichtlich ins Fadenkreuz rennen, um ihrem Dasein ein Ende zu setzen.

Alien Rage
Das Spiel ist eigentlich nicht besonders schwer, aber manchmal geht alles sehr schnell. Sollte der Gegneransturm zu hoch sein, empfiehlt es sich, Deckung zu beziehen.
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Neben dem ständigen Abknallen von Weltraumaliens achten wir beim Spielen aber vor allem auf Eines: orange leuchtende Treibstoffbehälter. Ähnlich wie im durchwachsenen Koop-Shooter Fuse werden beim Treffen dieser dezent platzierten Energiezellen verheerende Explosionen ausgelöst. Neben dem hollywoodreifen Feuerwerk samt dazugehöriger blutgetränkter Luft sorgt ein solches Ereignis auch für das rasante Ansteigen des Punktezählers. In der linken, oberen Ecke befindet sich nämlich ein Highscore, der uns antreibt, besonders präzise, schnell und natürlich tödlich zu agieren. Es gibt Boni für Kopfschüsse und das Erreichen und Halten von Serien bestimmter Abschussarten. Auch wenn dieses Feature nicht so strikt durchgehalten wird, wie beispielsweise in Bulletstorm, haben wir einen Grund, alternative Kampftaktiken auszuprobieren.

Nachdem wir erfolgreich einen Abschnitt durchquert haben, erfolgt eine abschließende Levelbewertung. Das Spiel ist eigentlich nicht besonders schwer, aber manchmal geht alles sehr schnell. Sollte der Gegneransturm zu hoch sein, empfiehlt es sich, Deckung zu beziehen. Eine Pause regeneriert nicht nur Lebenspunkte, sondern vereinfacht jedwede Auseinandersetzung ungemein. Meistens reicht es aus, sich hinter einer Kiste zu verstecken und alle Gegner nacheinander abzuschießen. Denn die erscheinen stets - und damit ist felsenfest zu rechnen - einzeln hinter besagter Deckung. Blau schimmernde Stellen markieren Positionen, an denen man zum Weiterkommen eine direkte Aktion starten muss. Zum Beispiel erleben wir dann eine Kletterpartie oder eine der drei ständig identisch ablaufenden Animationen beim Durchqueren einer Tür. Diese Passagen werden wahrscheinlich zum Vorladen der nächsten Abschnitte genutzt. Blöd nur, dass man es merkt.

Neben der Soloerfahrung bietet Alien Rage natürlich auch einen Multiplayer. Mit den beiden Spielmodi Deathmatch und Team-Deathmatch gibt es leider nicht viele Auswahlmöglichkeiten. Auch die vier unterschiedlichen Karten täuschen über nichts hinweg. Einmal im Spiel muss man sich zwischen Alien- und Menschenrasse entscheiden, die jeweils drei ähnliche Waffen-Sets bieten. Nicht gerade eine tolle Auswahl. Die Karten bieten mehrere Ebenen, sind allesamt sehr verschachtelt und Kämpfe häufen sich in etwas offenen Arealen. Mir wurde beim Spielen langweilig. Vielleicht liegt das am größten Manko: die tollen Grafikeffekte fehlen. Wieso programmiert man ein wunderschönes Spiel, um seine Stärke im Multiplayer nicht mehr auszuspielen? Verstehe ich nicht. Allerdings wurde die Bewegungsfreiheit angepasst. Wir dürfen nun über Hindernisse springen und so höher gelegene Ebenen erklimmen.

Alien Rage
Übrigens haben die Gegner eine nicht abstreitbare Ähnlichkeit mit den Locust aus der Gears of War-Serie.

Übrigens haben die Gegner eine nicht abstreitbare Ähnlichkeit mit den Locust aus der Gears of War-Serie. Aber an deren Agilität und Können reichen die Geschöpfe von Alien Rage aber lange nicht heran. Normalerweise rennen sie von Deckung zu Deckung und dann irgendwann direkt in unser Fadenkreuz. Eines der wichtigsten Gameplay-Elemente während des Kampfgeschehens sind die strategisch platzierten Teleporter. Gegnerische Krieger nutzen diese Möglichkeit gerne und oft, um uns in den Rücken zu fallen. Übrigens sind einige Gegner manchmal unsichtbar. Diese speziellen Feinde greifen häufig im Nahkampf an und betäuben uns kurzzeitig. Allgemein sind die Vorus ziemlich aggressiv. Da bekämpft man am besten Feuer mit Feuer und schreitet ebenso aggressiv voran.

Als Argumentationsverstärker bekommen wir optisch veränderte Variationen bekannter Waffen zur Verfügung gestellt. Präzision spielt aber kaum eine Rolle in diesem Egoshooter. Selten geht mal die Munition aus, da es nicht viele unterschiedliche Waffen gibt. Interessanter ist da die Funktion des alternativen Feuers. Dieses Feature ist allerdings auf wenige Schüsse begrenzt und sollte nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden. Herumfliegende Partikel und Projektile tragen mächtig zur Atmosphäre bei. Der Abschuss gegnerischer Granatwerferschüsse zum Beispiel erzeugt eine Explosion mit unvorhersehbaren Ergebnissen. Wie unsere Screenshots schon andeuten, bleibt Alien Rage am Ende eine an Erwachsene gerichtete Erfahrung. Gegner werden in Fetzen geschossen, zerstückelt und Leichenteile kleben nach dem Kampf wie Dreck an der Wand. In einigen Fällen ist mir sogar orangenfarbenes Blut aufgefallen. Toll bei Halo gesehen, danke dafür! Ansonsten ist Alien Rage nicht übertrieben blutig. Zumindest nicht in erster Linie. Denn Abschüsse generieren keine Alienkörperflüssigkeiten und außerdem verschwinden die Leichen, sobald man sie aus dem Blickfeld lässt.

Am besten genießt man Alien Rage mit lauter Musik. Mindestens drei elektronischen Gitarren sollten der Band angehören, damit die für das Spiel notwendigen Gitarrenriffs auch wirklich jeden Winkel des Innenohrs erreichen. Aber mal wirklich. Alien Rage ist keinesfalls schlecht. Es gibt sich nur keine Mühe, die offensichtlichen Minuspunkte zu überdecken. Am Ende bleibt es ein kurzlebiges, recht eintöniges Gefühl der Macht mit wahnsinnig betörender Grafik für kleines Geld. Und man muss sich nicht vor etwaigen Zusatzinhalten fürchten. Einen Blick ist das allemal wert. Bloß nicht zu lange im Multiplayer verweilen.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
sauschicke Grafik, geringes Budget, gängige Steuerungsvorlagen, wuchtige Explosionen, Highscorejagd
-
hoher Gewaltgrad, Optikflaute im Multiplayer, geringer Wiederspielwert, bei Epic Games abkupfern...
overall score
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