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Banished

Banished

Der Kampf ums Überleben muss nicht immer mit Zombies ausgetragen werden. Diese Simulation ist eine wunderbare Antwort auf die Frage, wie es nach der Apokalypse weitergeht.

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Was machen Menschen eigentlich, wenn sie von null anfangen müssen und ganz auf sich allein gestellt sind? Könnten sie überleben und den Grundstein für eine Zivilisation legen? Kann es gelingen, dass die Gemeinschaft wächst oder wird ihr Untergang einfach nur hinausgezögert? Rein formal betrachtet ist die Antwort natürlich klar. Die ganze Geschichte der Menschheit ist voll von Beispielen dafür. Und trotzdem ist es schwer sich vorzustellen, wie das funktionieren soll. Nehmen wir an, wir stranden auf einer einsamen Insel. Dort gibt es kein Internet und keinen Supermarkt. Wir sind ganz auf uns allein gestellt. Und gerade weil unsere Gesellschaft heute von so vielen Dingen abhängig geworden ist, übt der Gedanke an dieses andere, einfache Leben eine solche Faszination aus.

Auch in populären Spielen wurde das bereits mehrfach umgesetzt. Es ist eine interessante Vorstellung, die wir beispielsweise in der Anno-Reihe, in Civilization oder Die Siedler nachspielen durften. Wir fangen klein an und lassen unser Volk blühen und gedeihen. Trotzdem gibt es natürlich einen ganz wesentlichen Unterschied zur Grundidee, für sich selbst verantwortlich zu sein. Der Aspekt des Überlebens in der Wildnis spielt bei diesen Titeln doch nur eine untergeordnete Rolle. Unsere Siedler konnten nicht an Hunger oder vor Kälte sterben. Es gab ein gewisses Grundniveau unter das sie nicht fallen konnten und das sie vor dem Tod schützte. Diese Simulationen hatten aber auch ein anderes Ziel. Sie wollten die Entwicklung darstellen und nicht der Frage nachgehen, ob Menschen unter diesen Bedinungen überhaupt existieren können.

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Wir müssen ein Siedlung aufbauen und dafür sorgen, das die Bewohner immer genug Nahrung haben und nicht erfrieren.
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Die Verbannten in Banished allerdings müssen sich genau dem stellen. In diesem Spiel geht um das nackte Überleben. Das bisschen Feuerholz und die wenigen Vorräte, die wir mitgebracht haben, sind irgendwann aufgebraucht. Bis dahin müssen wir auf eigenen Beinen stehen. Fischer etwa liefern das ganze Jahr über eine relativ konstante Menge an Nahrung, die sie aus dem Fluss fischen. Genauso gibt es Jäger und Sammler, die im Wald Wild erlegen oder nach Beeren, Pilzen und Wurzeln suchen. In den Sommermonaten loht es sich, das Feld zu bestellen und sich um Obstbäume zu kümmern. Anfangs haben wir nur wenig Diversität, aber fahrende Händler bieten uns immer mal wieder Samen von anderen Pflanzen an, die wir anbauen können. Gleichzeit gibt es Förster, die Bäume fällen und den Wald wieder aufforsten sowie Holzarbeiter, die es zu Brennholz weiterverarbeiten.

Mit Leder vom Wild oder Wolle aus der Schafszucht, lässt sich warme Bekleidung fertigen, um unempfindlicher gegen Kälte zu sein. In der Umgebung finden wir außerdem Stein und Eisen, um damit stabilere Häuser und Betriebe zu errichten. Wir können später auch in Minen und Steinbrüchen nach diesen Rohstoffe suchen, allerdings hinterlassen diese in der Landschaft unschöne Krater. Das wichtigste aber ist die Balance, die wir halten müssen. Hunger und Kälte sind die beiden großen Probleme, die uns wirklich Angst machen sollten. Und im Grunde versuchen wir mit allen unseren Handlungen, genau das zu verhinden und sich zu rüsten, wenn beispielsweise mal eine magere Ernte eingefahren oder unsere kleine Siedlung von einer Katastrophe heimgesucht wird.

Um nicht auszusterben brauchen wir natürlich Nachwuchs und auch der hat Hunger und braucht Wärme. Später macht die Schule unsere heranwachsenden Siedler klüger und damit produktiver. Wir benötigen weitere Häuser, damit die Menschen mehr Platz für sich haben und so das Interesse an der Fortplanzung steigt. Wir können Friedhöfe anlegen, Kirchen errichten und Alkohol herstellen, um die Zufriedenheit der Gemeinschaft weiter zu erhöhen. Und sollten Krankheiten ausbrechen, ist selbstverständlich ein Arzt nötig. Eine Seuche könnte sonst unsere gesamte Bevölkerung dahinraffen lassen.

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Im Winter können wir keine Felder bewirtschaften, aber auf die Jagd gehen und Wurzeln sammeln.
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Es gibt viele kleine Stellschrauben, um den Neustart in der Wildnis besser zu gestalten. Ein Schmied stellt Werkzeuge her, die beispielsweise die Produktivität der Betriebe erhöhen. Die freiwerdenden Arbeiter können dann an anderer Stelle eingesetzt werden. Das Konstrukt ist am Ende ziemlich komplex und das wiederum macht jeden Erfolg so fragil. Banished fühlt sich manchmal an wie ein Puzzlespiel. Stellen wir beispielsweise nicht mehr genug Werkzeuge her, sinkt die gesamte Produktion. Damit könnte schnell eine Knappheit an Nahrung und Feuerholz herrschen - eigentlich das einzige, vor dem wir uns fürchten müssen.

Mehrmals ist es mir passiert, dass durch zu schnelles Wachstum und falsche Planung ein Engpass entstanden ist. Der hat mich dann letztendlich weiter zurückgeworfen, als ich vor der angedachten Expansion war. Banished verlangt von uns aufmerksam und geduldig zu sein. Wir müssen jeden Kreislauf im Blick haben und kontrollieren, an welchen Stellen wir nachbessern müssen. Anfangs, wenn wir nicht genug Menschen in der Siedlung für die anfallende Arbeit haben, fällt es nicht immer gleich auf, wenn irgendwo eine Person eines natürlichen Todes stirbt. Diese Stelle müssen wir dann händisch neu besetzen. Später, wenn es immer ein paar Leute gibt, die nichts konkretes zu tun haben, geschieht dies automatisch.

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Wir müssen versuchen die richtige Balance zu finden. Machen wir einen Fehler, könnte dies schnell dazu führen, dass alles zusammenbricht.

Zu behaupten, der Ansatz von Banished sei realistisch, wäre gelogen. Tatsächlich sind die Spielregeln einfach nur andere als in den eingangs erwähnten Titeln. Würde es um eine echte Abbildung unser Welt gehen, würden wir beispielsweise Ackerböden durch Monokultur zerstören und es gäbe nicht über all Eisen in der Erde, wo wir eine Mine errichten. Früchte, Obst, sowie Fisch und Fleisch wären nicht unendlich lange haltbar. Und natürlich ist da noch die Frage nach den sozialen Problemen, die ein solches Leben mit sich bringt. Aber schließlich wollen wir auch keine Abbildung der Realität, sondern ein gutes Spielkonzept. Und wer sich für das menschliche Miteinander interessiert, soll sich sowieso lieber Die Sims 3 kaufen.

Dennoch ist es erstaunlich, was hier ein Einzelner für schmales Geld zusammengezimmert wurde. Hinter Shining Rock Software steht nämlich allein Luke Hodorowicz. Banished entstand in etwas mehr als drei Jahren Entwicklungszeit und ist dafür ein kleines Meisterwerk, das stundenlang vor den Computer fesselt. Es bleibt zu hoffen, dass die Spielidee mit weiteren Update noch verfeinert wird. Vor allem nach hinten raus fehlt es der Simulation ein bisschen an Motivation und Herausforderung. Vielleicht könnten ein paar Missionen mit vorgegebenen Zielen, festen Zeitrahmen und Bestenlisten, die Erfahrung sinnvoll ergänzen. Zumindest ein Mod-Kit ist bereits angekündigt.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
relativ simples Konzept, fordernde Simulation, alle Elemente in Balance halten
-
Motivation sinkt im späteren Spielverlauf
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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