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Battlefield 3

Battlefield 3

Es wird als das "hübscheste Spiel aller Zeiten" gehandelt. Es wird viele Millionen Dollars allein für das Marketing verschlingen und tritt in einem Genre an, das am Scheideweg steht. Egoshooter werden entweder größer und bedeutsamer als je zuvor oder sie kollabieren an einem Herzinfarkt. Battlefield 3 steht mittendrin, mit einem großspurigen, selbstbewussten Grinsen? Wir wissen, warum.

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Battlefield 3 wird der Call of Duty-Killer sein. Strittige Aussage? Auf jeden Fall, aber ist es eine komplett übertriebene These? Ich glaube das nicht. Es könnte sein, dass Battlefield 3 nicht so einschlagen wird wie ich vermute, dass es passieren wird. Aber das sind äußere Faktoren, die nichts mit dem Spiel selbst zu tun haben. Auf dem EA-Showcase wurden uns drei Gameplay-Segmente präsentiert. Den Inhalt kennt mittlerweile wohl jeder, der auch nur am rande interessiert ist, denn die Trailer laufen heiß in den Videoplayern aller Gaming-Websites.

Eine kurze Unterhaltung, die ich ein paar Stunden später beim Rausgehen mit einem Kollegen hatte, die hat eigentlich alle Überlegungen zu dieser etwas anderen Vorschau ausgelöst. Eigentlich waren es nur zwei Sätze, einer von ihm, einer von mir.

Ich: "Ich habe nichts derartiges gesehen oder gefühlt, seit dem Modern Warfare vor Jahren enthüllt wurde." Der Kollege: "Das ist genau das, was ich auch gerade sagen wollte, das ist genau das, was ich auch denke..."

Battlefield 3
Ein wunderbarer Flirt mit dem Fotorealismus...
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Die Call of Duty 4: Modern Warfare-Enthüllung war ein Activision-Event vor ein paar Jahren, als das Spiel noch unter Verschluss stand. Ein abgedunkelter Raum, ein 50-Zoll-TV und ein 5.1 Surround-System - und was ich damals sah, flirtete mit dem Fotorealismus. Klar, alles professionelle Sinnestäuschung, aber es war nicht zu leugnen, dass ein Schauer meinen Rücken hochkroch, als die Action startete. Das einzige Wort aus meinem Mund war am Ende ein ziemlich baffes "Wow". Diese Demo markierte den beeindruckendsten Moment meiner Karriere als Videospieljournalist.

Bis zum EA-Showcase. Bis zu jenem Moment, als Battlefield 3 nicht nur mit dem Fotorealismus flirtete, sondern auch eine volle Viertelstunde lang visuellen Sex vor meinen Augen abspulte. Immer noch eine professionelle Sinnestäuschung, aber der Unterschied ist mit den Jahren unglaublich geworden.

Klar, eine Menge des Knisterns liegt an der Umgebung. Ein fetter Screen, der eher einem Kino gerecht wird als der kleinen Wohnung, in der er thront, vermählt mit einem hämmerden Bass, der mit den inneren Organen Bongos spielt. Aber es sind nicht nur die Optik und der Sound. Es ist der gesamte Auftritt von Battlefield 3 und der Zeitpunkt der geplanten Veröffentlichung - eine Kombination, die ein neues Call of Duty voraussichtlich mit einem gezielten Kopfschuss aus seiner Spitzenposition schießen wird. Für diese These gibt es mindestens sieben gute Gründe.

Battlefield 3
Es sind die kleinen Momente, die Details, die das große Paket verkaufen.
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1. DER LOOK
Wir alle leiden an Trailer-Übelkeit und der Frage, was echtes Gameplay ist und was nicht. Bei dem ersten Trailer zu Battlefield 3 war ich noch skeptisch. Diese Skepsis blieb, bis das Squad am Ende einer geskripteten Sequenz aus dem Militärfahrzeug auf die Straße sprang. Ein kurzes Blenden der Augen durch das gleißende Sonnenlicht wird für diesen Übergang geschikct genutzt. Ich erwarte danach einen deutlichen Rückgang der Qualität. Aber der kommt einfach nicht. Der einzige Unterschied ist das HUD, das jetzt auf dem Bildschirm zu sehen ist. Es stimmt einfach: Das hier sieht auch im Spiel selbst verdammt gut aus.

Aber es sind die kleinen Momente, die Details, die das große Paket verkaufen. Die flatternde Wäsche über unseren Köpfen, während es durch enge Straße nach vorne geht. Oder dieser ungeheuer detaillierte Marktplatz. Die Animation des Squads, auf Patrouille oder tief im Feuergefecht, die Genauigkeit ihrer Bewegungen, die zeigen die Leistungsfähigkeit der Frostbite 2-Engine. Oder diese leeren Patronenhülsen, die sich wie ein Wasserfall aus einem Helikopter über unsere Köpfe ergießen und niederprasseln, während das Maschinengewehr Risse in den Zement der Brücke hämmert, auf der wir stehen.

Das alles sorgt für eine immersive Erfahrung. Natürlich spielen diese kleinen Details bei einem fetten Krieg um einen herum keine große Rolle. Aber viele dieser Details gemeinsam spielen eine Rolle. Und dann ist da noch das Erdbeben...

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Vollständige Zerstörung der Umgebung, darauf setzt auch die neue Frostbite 2-Engine.

2. EPISCHE GRÖSSE AUF EINEM ENGEN PFAD...
... oder ein ziemliche umständliche Beschreibung dafür, dass Battlefield natürlich schon immer bei Call of Duty die linearen Struktur der Solokampagne geklaut hat, diese zerschossenen engen Korridore und die folgenden, etwas größeren Freiflächen, die man von mehreren Punkten aus erreichen kann. Bevor nun die Battlefield-Fans ihre Mistgabeln zücken: Das gilt nur für den Solomodus. Den Multiplayer halten Dice und EA noch fest unter Verschluss. Er wird, so viel ist sicher, ein Sandbox-Zerstörungsfest wir wir es kennen und lieben.

Wie gesagt, ich habe drei Level gesehen. Eine Patrouille durch enge Gassen, die auf einem kleinen Parkplatz endet. Einen Raketenangriff auf einen unserer Scharfschützen in einem angrenzenden Gebäude, während wir auf dem Dach ausharren. Und einen Alleingang im Keller, um eine Sprengkapsel zu sichern, was in einer kurzen Quick-Time-Event-Schlägerei mit deren Betreiber mündet. Davor lag ein Feuergefecht auf einer Fußgängerbrücke, das auf eine breite Straße mündete. Ähnlich wie bei Call of Duty werden einem die Gegner fast immer von vorne geschickt. Die intensiven Feuergefechte täuschen darüber hinweg, dass A kerzengerade in Richtung B führt.

Ich persönlich hatte nie ein Problem damit in Egoshootern, obwohl es bei Battlefield 3 einfach Einschränkungen geben muss. Es ist ja das neue Battlefield. Trotzdem haben Solo-Kampagnen damit endgültig offenbart, nur die Vorspeise für den Hauptgang zu sein, den Multiplayer. Oder ein Weg, um Menschen den Einstieg zu erleichtern. Und während die Geschichte zuerst abgekocht erscheint - westliche Streitkräfte im Mittleren Osten auf Friedensmission - rollt die Story plötzlich über sich selbst, mit einem Erdbeben, das der neuen Engine schmeichelt und alles umwirft.

Battlefield 3
Die Solo-Kampagne offenbart endgültig: Sie ist nur die Vorspeise für den Hauptgang, den Multiplayer.

3. BLOCKBUSTER-ENTERTAINMENT
Während schon die Feuergefechte zwischen unserem Squad und der P.L.R. (jener aufständischen Organisation, über die wir nichts wissen außer ihrer Abkürzung) mehr Action liefern als Michael Mann im Blockbuster-Movie Heat, ist das alles nichts gegen den sich verschiebenden Kontinent, der die Präsentation zu einem dramatischen Ende bringt. Leichte Erschütterungen sind bereits am Anfang spürbar und sie werden auch von den Protagonisten kommentiert. Sie geben aber nur einen Vorgeschmack auf den vermutlich großen Wendepunkt der Battlefield 3-Story. Und bereiten einen nicht darauf vor, wie laut die Frostbite 2-Engine brüllen will. Das Squad steigt in einen gepanzerten Lastwagen und macht sich am montierten Maschinengewehr zu schaffen, als der Wagen von unbekannten Mächten getroffen wird. Als wir uns aus dem Wrack pellen, rollen seismische Wellen aus der Ferne auf uns zu und reißen die Straße weg.

Der Effekt ist verblüffend. Die Straße wird aus ihrem Fundament gehoben, gebrochen und zerstört von konzentrischen Wellen, die auf einen zurollen und dabei Fahrzeuge umdrehen und an uns vorbei schleudern. Die Hochhäuser erzittern und wackeln bedenklich, bevor sie erdwärts kollabieren. Das erste Haus knallt auf den Konvoi und der Bildschirm wird schwarz. Meine Nieren werden voll getroffen vom mächtigen Bass des Subwoofers. Über die Ereignisse nach dem schwarzen Bildschirm schweigen sich die Entwickler noch aus, aber eine Flucht aus einer von einer von einem Erdbeben getroffenen Stadt, Feuergefechte in versinkendem Mauerwerk, das alles klingt nach einem sinnvollen Handlungsbogen für eine Gameengine, die auf Vernichtung aufbaut. Es ist eine echte Hollywood-Blockbusterstory, für Fans von Action-Egoshooter.

Und Battlefield 3 macht keine Kompromisse. Ein paar Journalisten haben EA mit Fragen über soziale und moralische Verantwortung bombardiert. EA sagt, dass das Spiel ein fiktionales Werk sei - eas sollen sie denn sonst auch sagen? Battlefield 3 positioniert sich auf Augenhöhe mit allen Blockbustern dieser Welt, als großes Spektakel, als Popcorn-Vergnügen und Unterhaltung für Eskapisten, als epische Achterbahnfahrt... yadda yadda.

Battlefield 3
Eine echte Hollywood-Blockbusterstory, für Fans von Action-Egoshooter.

4. DIE SOUND-NADEL
Die Integration lizenzierter Musik in einer Szene, um ein bestimmtes Gefühl auszulösen, das nennen sie Needle Drop in der Filmindustrie? Es ist ein Trick, der viele Male im Kino, im Fernsehen und in der Werbung benutzt wurde, aber bisher eher sporadisch in Videogames. Call of Duty: Black Ops hat gezeigt, wie man es richtig macht mit einem Klassiker der Rolling Stones. Medal of Honor hat's mit Apocalypse Now versucht, aber am Ende nur ein weinerliches, armseliges Musikvideo abgeliefert. Leute: Niemals Linkin Park nehmen! Bei den Klassiker bleiben! So wie Battlefield 3 eben, das verlässt sich auf niemand geringeren als Johnny Cash.

Der Countrysänger ist eine gute Wahl, er soll den Schwerpunkt auf einen typischen US-Arbeitstag legen. Needle Points neigen übrigens auch dazu, Erinnerungen im Kontext des Songs auszulösen, und darum bin ich auch noch vom letzten Mal erschlagen, als sie Mr. Cash so effektiv eingesetzt haben.

Battlefield 3
Wer denkt eigentlich, dass der Releasetermin im November nur ein Zufall ist? Richtig, niemand!

5. ZWEI GAMES, EIN ENTWICKLER
Okay, zurück zum Gameplay, aber weiter mit den Seitenhieben auf Medal of Honor. Die Solo-Kampage und der Multiplayer sind dort zwei sehr unterschiedliche Erfahrungen. Aber sie sind auch beide von einem anderen Entwickler. EA's Versuch, die Medal of Honor-Reihe zu reaktivieren, ließ Dice in der Pflicht des Multiplayers, während Danger Close die Solo-Aufgabe übernahm. Man kann ja über das Internet und dass es die Welt näher zusammenrückt, denken was man will, aber es muss Schwierigkeiten gegeben haben mit einem Team in Stockholm und einem in Los Angeles.

Trotz der starken Elemente in beiden Teilen von Medal of Honor spürt man den Spalt in der Mitte, obwohl die Grafik und das äußerliche Design über beide Teile hinweg konsistent sind. Aber die Hälfte von Dice war ganz klar die stärkere. Konsistenz über das gesamte Paket hinweg ist wichtig und es wird im Fall von Battlefield 3 ein aufpoliertes Produkt in allen Aspekten gewährleisten.

6. DER RELEASEZEITRAUM
Wer denkt eigentlich, dass der Releasetermin im November nur ein Zufall ist? Richtig, niemand! Es sind genug Jahre ins Land gegangen, damit die Menschen lernen konnten, dass immer im November ein neues Call of Duty kommt. Nicht nur, dass EA auf das verführerische Vorweihnachtgeschäft setzt, sondern sie hoffen auch frech, dass die Verkettung von Militär-Shooter und Zeitpunkt für eine reibungslose Übertragung des Activision-Cashflows in die eigene Kasse sorgt. Battlefield 3 soll nicht weniger werden als ein Sargnagel für die Call of Duty-Serie. Das tolle für EA und Dice ist, dass sie das Grab nicht einmal selbst schaufeln müssen. Diese harte Arbeit hat Call of Duty bereits selber begonnen.

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Battlefield 3 soll nicht weniger werden als ein Sargnagel für die Call of Duty-Serie.

7. BURNOUT
Treyarch's Call of Duty: Black Ops entfloh der Infinity Ward-Kernschmelze wie der Millennium Falcon dem explodierenden Todesstern. Der Hintern war vielleicht ein bisschen angekohlt, aber zum größten Teil überlebten die Beteiligten unversehrt und feierten die Verkaufsrekorde.

Das aktuelle Call of Duty konkurriert um die ersten drei Plätze der meist gespielten Xbox Live-Games, aber was interessanter ist, das ist das Wiederaufleben der früheren Titeln und deren Rückkehr in die Top Ten. Selbst Call of Duty 4: Modern Warfare, jetzt etwa vier Jahre alt, ist wieder da. Könnte einfach an Preissenkungen liegen oder daran, dass die Fans zurückkehren zu einer schlichteren, weniger fehlerbehafteten Multiplayer-Erfahrungen. Wer weiß...

Welches Studio auch immer das nächste Call of Duty macht, die Spieler werden wissen, dass es ist nicht die Fortsetzung der "echten" Serie ist. Selbst wenn ein neues Spiel mit dem Infinity Ward-Logo darauf verkauft wird, es gäbe den Fakt, dass wichtige Mitarbeiter der Serie einfach nicht mehr mitmachen. Es wird wie das Konzert einer wirklich tollen Coverband - etwas der Seele wird einfach fehlen.

Aber: Wird diese Tatsache der Mehrheit der Käufer des nächsten Spiels überhaupt noch bekannt sein? Hat das überhaupt eine Wirkung? Oder ist das Franchise bereits in FIFA-Regionen angekommen, wo die Marke den Kauf eher bestimmt als der Inhalt der Disc? Am einen Ende der Skala könnte es zum Franchise-Burnout wie bei der Guitar Hero-Reihe kommen, einfach wegen Übersättigung. Aber am anderen Ende der Skala könnte der Battlefield-Hype so lange vor der Veröffentlichung auch zu wechselnden Loyalitäten führen, ähnlich wie bei FIFA vs. PES-Kampf der letzten Jahre. Ende des Jahres werden wir es wissen.

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