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Borderlands 3

Borderlands 3

Nach Borderlands 2 mussten wir sieben Jahre auf Teil 3 warten. Haben die Entwickler an einem Meisterwerk geschraubt?

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Die Entstehungsgeschichte um Borderlands ist kontrovers: Gerüchten zufolge soll Gearbox-Chef Randy Pitchford damals Geld von dem Sega-Projekt Aliens: Colonial Marines unerlaubt abgezweigt haben, um damit seinen grandiosen Überraschungshit zu finanzieren. Das Alien-Spiel hingegen kam unfertig wirkend und voller Fehler auf den Markt. Borderlands 2 übertraf seinen Vorgänger dann aber noch mal um einiges, war größer, bunter, lustiger und perfekter und schuf damit eine riesige Fangemeinde. Doch bei Gearbox wurde man der Serie müde und entwickelte lieber den finanziellen Rohrkrepierer Battleborn, während 2K Australia mit Borderlands: The Pre-Sequel ein echt gutes Spin-Off ablieferte. Auch Telltale Games leistete ihren Beitrag, das Franchise am Leben zu erhalten, indem sie mit Tales from the Borderlands ein gefeiertes Adventure im Universum der Serie ansiedelten.

Von Gearbox selbst kam allerdings nichts Neues, was die Fans verwunderte und sogar verunsicherte. Immerhin wurden externe Studios damit beauftragt, Remaster für die neuen Konsolen herzustellen und so kam erst Borderlands: The Handsome Collection mit Teil 2 und dem Pre-Sequel auf den Markt, im Frühjahr 2019 folgte schlussendlich das Remaster vom ersten Borderlands. Aber dann endlich, am 13. September 2019, erschien Borderlands 3 ganz offiziell für Playstation 4, Xbox One und PC. Unser Pressecode erreichte uns, wie viele andere Medienkollegen, allerdings erst einen Tag vor Release, was selten ein gutes Zeichen ist. So haben wir uns entsprechend Zeit genommen, das Spiel genau unter die Lupe zu nehmen.

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Sobald das Spiel beginnt, fällt zunächst einmal die aufgefrischte Grafik ins Auge.
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Fans der Serie finden sich nach dem Start jedenfalls sofort heimisch, wenn der Story-Hintergrund auf die übliche Weise von Waffenhändler Marcus eingeleitet wird. Sobald das Spiel beginnt, fällt zunächst einmal die aufgefrischte Grafik ins Auge, die zwar den typischen, Cel-Shading-Comic-Look beibehält, jedoch deutlich detailreicher daherkommt, als noch in den Vorgängern. Auf der PS4 Pro haben wir dabei - wie auch auf der Xbox One X - die Möglichkeit, entweder Auflösung oder Framerate zu priorisieren. Dementsprechend tendiert das Spiel dann bei Ultra-HD-Auflösung in Richtung 30 Bilder pro Sekunde oder die Framerate geht bei Full-HD-Bildqualität bis auf 60 hoch - das wird allerdings nicht immer gehalten. Auch das Blickfeld können wir einstellen, ein Feature, was man sonst eher von PC-Spielen kennt. Überhaupt bietet das Spiel eine Menge praktischer Optionen, die nicht immer Standard sind - von der Stickbelegung für Linkshänder über voll konfigurierbare Tasten sind sogar alternative Methoden verfügbar, um die Fahrzeuge zu steuern. Denn das etwas indirekte Steuern der Vehikel, was an die Warthogs von Halo erinnert, gefiel damals schon nicht allen Spielern.

Sobald die Handlung beginnt, treffen wir sofort auf viele alte Bekannte. Im Verlauf des Spiels laufen wir eigentlich allem über den Weg, was im Borderlands-Universum Rang und Namen hat. Vergessen darf man dabei nicht, dass auch das Telltale-Adventure Tales from the Borderlands zum offiziellen Serien-Kanon gehört, was zwar "neue" Charaktere hinzufügt, aber auch ein prominentes Todesopfer fordert. Neben den altbekannten Haudegen sind die vier Kammerjäger, von denen wir einen als Spielfigur auswählen können, komplett neu.

Da haben wir zum einen den Bestienmeister FL4K, der diverse Haustiere trainiert und herbeiruft, um seine Feinde zu dezimieren. Die Elitesoldatin Moze vertraut hingegen auf ihren dicken Kampfroboter Big Daddy. Die Zen- und Yoga-erfahrene Amara kann als Sirene auf ihre magischen Fähigkeiten zurückgreifen, die sich meistens darum drehen, ihren Gegner riesige Fäuste auf den Kopf zu hauen. Der Agent Zane kann sich unter anderem durch einen Klon verdoppeln, eine Flugdrohne in den Kampf schicken oder eine Energiebarriere aufbauen. Hier zeigt sich, dass die Skillbäume diesmal noch weitaus komplexer sind, als in den Vorgängern. Es können bis zu zwei Action-Skills gleichzeitig ausgerüstet werden, dann können wir allerdings keine Granaten mehr werfen. Zudem lassen sich die Spezialattacken mit weiteren Modifikatoren verändern, da hat jeder Charakter unterschiedliche Möglichkeiten. Das erlaubt mehr Experimente und natürlich auch mehr Abwechslung beim Aufleveln, was ja der Kern eines solchen Loot-Shooters ist.

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Es dürfen bis zu zwei Action-Skills gleichzeitig ausgerüstet werden, dann können wir allerdings keine Granaten mehr werfen.

Auch sonst gibt es im sehr vertrauten Gameplay viele Neuerungen, die das Spiel komfortabler machen, Munition und Geld werden nun beispielsweise immer automatisch eingesammelt. Mit dem Steuerkreuz können wir die aktive Mission wechseln, ohne dafür extra ins Menü wechseln zu müssen, und es gibt sogar ein paar Features aus Borderlands 1, die zurückkehren - dazu gehört vor allem der hohe Gewaltgrad, denn Borderlands 3 ist im Gegensatz zu Teil 2 und dem Pre-Sequel wieder ab 18 Jahren freigegeben. Die entsprechenden Blut- und Gewalteffekte lassen sich auf Wunsch hin aber auch abschalten.

Außerdem kann man die Farbakzente der eigenen Figur aus einer großzügigen Palette auswählen, statt nur auf rein vorgefertigte Skins zu setzen. In eine ähnliche Kerbe schlägt die Möglichkeit, Waffen mit verschiedenen Farbmustern auszustatten, was sehr cool aussieht. Käufer der "Super-Deluxe-Edition" können dabei gleich zum Start aus mehreren schicken Designs wählen. Es muss sich allerdings noch zeigen, ob sich das nicht negativ auf eines der wichtigsten Features von Borderlands auswirkt, denn die Jagd nach den tollsten Waffen war immer einer der Haupt-Motivationsgeber in der Reihe. Rein optisch kann man nun auch die lahmste Schrottpistole mit den Waffen-Skins zum superedlen Patronenhobel machen.

Dafür wird natürlich das Erbeuten neuer Skins zum Spaßbringer. Diese kann man diesmal direkt bei Crazy Earl kaufen, denn in Borderlands 3 dient die Kristallwährung Eridium nun überwiegend zum Kauf kosmetischer Elemente, während man die beliebten SDUs, die mehr Munition und Platz im Inventar liefern, für bares Cash beim Waffenhändler Marcus erwirbt. Das deutet darauf hin, dass Gearbox das Eridium wohl auch gegen Echtgeld verkaufen wird - doch wenn sich In-App-Käufe nur auf konkrete, kosmetische Gegenstände beschränken, ist das ja heutzutage fast schon sympathisch.

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Die entsprechenden Blut- und Gewalteffekte lassen sich auf Wunsch hin aber auch abschalten.

Auch beim Thema Beute gibt es eine Neuerung: Wer im Koop spielt, kann nun wählen, ob jeder Spieler seine eigene, individuelle Beute findet oder ob sich alle um die vorhandenen Gegenstände streiten müssen. Frei nach dem Motto "wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Für unseren Geschmack ist Letzteres eigentlich Pflicht, doch wer leicht neidisch wird und sich nicht ärgern möchte, kann eben auch auf den schonenderen Modus ausweichen. Eine der vielleicht besten neuen Optionen ist, dass sich der eigene Charakter nun nach einem Sprung auf Knopfdruck an vielen Kanten festhalten und hochziehen kann, was das Gameplay noch vertikaler macht und den Erkundungsaspekt unterstützt.

Ein Move, der aus Borderlands: The Pre-Sequel übernommen wurde, ist der Bodenstampfer, mit dem wir ganz wie Super Mario aus der Luft auf den Boden rammen, um einen Flächenschaden auszulösen. Auch feindliche Granaten oder zerschossene Pipelines können schnell einen Schadensbereich erzeugen, woraufhin sich ein Fleckchen Erde in ein Säure-, Lava- oder Elektroschock-Bad verwandelt. Das verhindert statisches campen und haucht dem Gameplay mehr Action und Positionskämpfe ein. Insgesamt muss man sagen, dass sich die Entwickler sehr viele Gedanken gemacht haben, wie man die Action noch schneller und dynamischer gestalten kann.

Auf der Stelle tritt hingegen der Humor. Borderlands war schon immer derbe und übertrieben und schlug in eine ähnliche Kerbe, wie das Mad-Magazin oder South Park. Diesmal sind die Bösewichter des Spiels so etwas wie Youtube-Streamer - im Spiel "Live-Screamer" genannt -, die ihre Follower nutzen, um das Universum gewaltsam in ihre Hand zu bringen. Das zeigt schon, wie sehr man auf aktuellen Zeitgeist eingeht, doch irgendwie haben sich die Autoren dabei für unseren Geschmack etwas verrannt. Man macht sich über hochaktuelle Probleme lustig, benutzt dann aber auch den sehr selbstreferenziellen Humor und genau die Hipster- und Netzsprache, über die man eigentlich satirisch herzieht.

Hier und da zünden die Gags aber natürlich trotzdem, der alberne Ansatz hat Borderlands ja schon immer von verkniffenen Franchise, wie Destiny oder The Division abgegrenzt. Diese Spiele bedienen sich zwar Elementen, die Borderlands in gewissem Sinne erfunden hat, nehmen sich dabei aber ultra ernst - was auch nicht jedermanns Sache ist. Trotzdem haben Borderlands 1 und 2 ihren Humor eher aus der Persiflage von oldschooligen Themen, wie Spaghetti-Western gezogen, was deutlich zeitloser ist. Und das passt auch viel eher zur hervorragend alternden Cel-Shading-Grafik, die in den Remastern schon mit Hilfe von HD-Textur-Paketen gezeigt hat, dass diese Spiele eben echte Klassiker mit hohen Produktionswerten sind.

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Rein optisch kann man nun auch die lahmste Schrottpistole mit den Waffen-Skins zum superedlen Patronenhobel machen.

Wenn man das Spiel jedoch im Online-Koop spielt, muss man schon zugeben, dass Humor und die Hintergrundgeschichte mehr oder weniger unbemerkt am Spieler vorbeirauschen und man sich eher darauf konzentriert, die Missionsaufgaben und das Spielgeschehen zu verfolgen. Und in diesem Bereich kann man einfach nur konstatieren, dass Borderlands 3 Gameplay-technisch eine absolute Unzahl von Verbesserungen bietet. Die Karte ist endlich dreidimensional, Missionsmarker geben ebenfalls an, wenn sie über oder unter dem Spieler liegen, Waffen haben alternative Feuermodi und lassen sich mit lustigen Anhängern ausstatten, die Kammerjäger haben alle ihren eigenen Aufenthaltsraum, der sich mit erbeuteten oder gekauften Items verzieren lässt, und, und, und. Zudem bietet das Spiel visuell extrem viel Abwechslung, da verschiedene Planeten bereist werden, und wir können davon ausgehen, dass die separat verkauften DLC wieder zum Besten gehören werden, das die Spielebranche zu bieten hat.

Aber, und das muss man leider wirklich anmerken, Borderlands 3 hat einen Pferdefuß und der heißt Performance. Auf der normalen PS4 und Xbox One läuft das Spiel schauerlich und zuckelt meistens bei 20-25 Bildern pro Sekunde herum. Auch der Leistungs-Modus auf den verbesserten Konsolenversionen erreicht kaum die 60 fps, lässt sich aber zumindest ordentlich spielen. Der Auflösungs-Modus bietet auf den Flaggschiff-Konsolen zwar fast schon kriminell tolle Cel-Shading-Grafik - wahrscheinlich die Beste, die es je gab - aber eine Ruckelorgie ist es trotzdem. Die Lösung ist also die PC-Version, doch auch hier ist die Power vieler tausend Euro erforderlich, um in den echten Grafikgenuss zu kommen, den uns die Borderlands: The Handsome Collection mit ihren hammerstabilen 60 fps und Ultra-HD-Texturpaketen bereits unverzichtbar gemacht hat.

Der Splitscreen-Modus geht auf den alten Konsolen fast schon in Richtung Unspielbarkeit, denn wenn ein Spieler ins Menü geht, friert beim anderen das Bild für über eine Sekunde lang ein. Und ein echter Wermutstropfen für uns in der Redaktion und unserem Freundeskreis ist der Wegfall der LAN-Option. So mussten wir uns extra zusätzliche Playstation-Plus-Zugänge organisieren, um wie gewohnt zusammenspielen zu können, von externen SSDs für die zusätzlich reduzierten Ladezeiten an der PS4 Pro ganz zu schweigen. All das könnte man in einem gewissen Rahmen vielleicht noch mit Patches optimieren, doch wir müssen zugeben, dass unser Vertrauen in Gearbox in dieser Hinsicht etwas geschwunden ist. Ganz offensichtliche Fehler im Splitscreen-Modus des Borderlands-Remasters sind beispielsweise selbst ein halbes Jahr nach Release immer noch nicht repariert und bei Borderlands 3 klagen einzelne Spieler sogar über den kompletten Verlust ihrer Spielstände.

Unterm Strich kann man also festhalten: Borderlands 3 ist für Fans das Spiel, auf dass sie sieben Jahre warten mussten, und es ist wirklich gut geworden. Jedenfalls wenn man einen dicken PC nutzt, eine Xbox One X oder eine PS4 Pro, am besten jeweils mit nachgerüsteten SSDs. Das sind Einschränkungen, die nach reiflicher Überlegung dann doch auf unsere Wertung drücken - die wir aber im Fall einer Nachbesserung noch nach oben korrigieren würden, denn das Spiel kratzt auch in seiner jetzigen Form stark an einer Neun.

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Ein Move, der aus Borderlands: The Pre-Sequel übernommen wurde, ist der Bodenstampfer.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
extrem umfangreiche Welten, viele Detailverbesserungen, die vielleicht beste Cel-Shading-Grafik aller Zeiten.
-
Technik ist extrem Hardware-hungrig, deutlich mehr Bugs als in früheren Titel der Serie, der Humor ist Geschmackssache.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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