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Bus Simulator 18

Bus Simulator 18

Stefan fährt schon sein ganzes Leben lang Bus, doch es dauerte seine Zeit, bevor er sich selbst hinter das Steuer begab.

Oh boy, mein nächstes Spiel ist also ein Simulator. Die sind ja bekanntlich im Kommen, sagt man doch so... Zugegeben, ich habe nicht gejubelt, als ich Bus Simulator 18 auf dem PC startete. Überrascht hat mich aber die Häme, mit der sich meine Freunde über mich lustig machten, nur weil sie den Namen des Spiels neben meinem Icon erblicken. Fans des Genres müssen es wirklich nicht leicht haben in ihrem Bestreben, zumindest für ein paar Augenblicke lang in die Rolle eines anderen Menschen zu schlüpfen. Ist das wirklich etwas, über das man sich lustig machen muss? Ich werde es in diesem Text herausfinden.

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Bus Simulator 18Bus Simulator 18
Gespielt werden darf in der Ego- sowie in der Third-Person-Perspektive.

Mein erster Auftrag als frisch geschlüpfte Busfahrerin ist es, den breiten Mercedes aufzuschließen - nur knappe dreißig Minuten dauerte das. Noch immer ist mir nicht möglich zu rekapitulieren, warum sich diese Scheißtür nicht öffnete, doch dank der "Schnellstart"-Option musste ich diese Blamage später jedenfalls nicht wiederholen. Im Inneren angelangt kam die unausweichliche Depression: Ich saß in der Fahrerkabine meines kleinen Busses und probierte sämtliche Knöpfe und Hebel aus, nichts geschah. Erst nachdem ich den Motor startete, begannen die meisten Regler ihre Arbeit zu vollziehen und plötzlich klingelte und blinkte es in meiner Lounge, wie in einem Space-Shuttle. Das mag rückblickend nicht der beste Start in ein gemeinsames Abenteuer sein, aber meine Schuld war das sicher nicht.

Noch völlig schockiert beginnt die Jungfernfahrt mit der Firmengründerin, die mir in knapper Form erklärt, was ich zu tun habe. Hier soll also meine große Karriere als nachhaltiges Busunternehmen starten. In Bus Simulator 18 sind wir dafür verantwortlich, dass der öffentliche Nahverkehr wieder in ein erdachtes, idyllisches Städtchen einkehrt. Mir war jedoch viel mehr nach Chaos zumute, also hielt mein Bus mitsamt seinen Fahrgästen auf einer Kreuzung an. Ich stieg aus und inspizierte die Umgebung, aber nichts geschah. Teilnahmslos beobachteten die leblosen Dummys hinter ihren abgedunkelten Windschutzscheiben, die in dieser Stadt offenbar im Trend sind, mein Treiben. Niemand hupt oder flucht, nur die Mutigsten scheren aus, um an mir vorbeizufahren. Ich spüre wie sich Enttäuschung in mir breitmacht.

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Auf dem Rückweg zum Bus fasse ich den Entschluss, eines Tages der beste virtuelle Busfahrer in der Geschichte dieses noch jungen Speicherstandes zu werden und benehme mich anschließend. Autos werden nicht länger gerammt, ich halte mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung sowie an den Straßenverlauf und niemanden wird mehr überfahren (das geht nämlich ohnehin nicht). Aufgrund meiner kleinen Pause bin ich spät dran, aber die Beschwerden meiner Passagiere halten sich in Grenzen. Sie kaufen weiterhin mehrere Wochenkarten auf einmal, immerhin bekommen sie ja auch zu viel Wechselgeld. Plötzlich wird vom Spiel das Thema Barrierefreiheit eingeführt, denn auch Rollstuhlfahrer wollen von unserer Initiative profitieren.

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Ernsthaft, das hier ist der leibhaftige Angriff der Klonenkrieger...

Nach meiner ersten Tour ging es zurück in die Garage, wo mich das zweite Standbein dieses Spiels begrüßt: der Aspekt des Managers. In Bus Simulator 18 wird nämlich nicht nur gefahren, wir müssen uns als Quasi-Geschäftsführer zudem um den Ausbau des Streckennetzes kümmern. In Gesprächen mit der Stadtverwaltung und verschiedenen lokalen Institutionen wird klar, dass die örtliche Mobilität leidet und man uns braucht, um den öffentlichen Nahverkehr wieder aufzubauen. Also stellen wir neue Leute ein, kaufen weitere Busse und finanzieren den Spaß mit staatlichen Zuschüssen und den treuen, zahlenden Kunden, die für die gute Sache sogar bereitwillig ihre Autos verkaufen.

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Die Bereiche Verwaltung und Planung nehmen nur einen Nebenbestandteil unserer Spielzeit ein, denn die seichten Rollenspielanleihen sind in der Regel vernachlässigbar und haben auch kaum Substanz. Wartung und Instandsetzung unserer Fahrzeuge wird zudem automatisch geregelt, wir bemerken diese Dinge nur auf den Rechnungen am Ende einer Fahrt. Das eigene Fahrerlevel ist die wichtigste Komponente in diesem Mikrokosmos, denn dadurch schalten wir neue Busse frei, die wiederum die Rahmenhandlung vorantreiben. Also geht es zurück in die Fahrerkabine, die Leute transportieren sich ja nicht (mehr) von alleine.

Diese hohen Ziele müssen wir übrigens nicht alleine stemmen, schließlich enthält Bus Simulator 18 eine Mehrspielerauskopplung. Wer sein Unternehmen anderen Spielern gegenüber öffnet, erhält im besten Falle tatkräftige Vertragspartner, die gemeinsam am Wiederaufbau der örtlichen Nahverkehrs arbeiten (oder Trolle, die mit den Finanzen Schabernack treiben - das lässt sich nämlich leider nicht verhindern). Wer mag schnappt sich einen Bus und fährt ganz normal seine eigenen Touren, spannender sind aber natürlich die Koopfahrten. Entweder setzen wir uns hierbei zu unserem Mitspieler mit ins Shuttle und lassen uns von ihm chauffieren (und sind dann quasi der Fahrkartenkontrolleur) oder wir bilden einen Buskonvoi. Das Online-Spiel erschien mir ziemlich laggy, konkret bemerkbar war das vor allem im ruckelnden Verkehr. Puristen werden deshalb vielleicht lieber alleine im Cockpit unterwegs sein wollen.

Teilweise belohnt Bus Simulator 18 sauberes Fahrverhalten mit Erfahrungspunkten und bestraft Verkehrswidrigkeiten wiederum mit Geldstrafen. Warum nur zum Teil? Nun, weil diese Simulation in sämtlichen Belangen schnell an ihre Grenzen stößt. Blinker beim Ein- und Ausfahren in die Haltestellenbucht gesetzt? Das gibt nach der Mission Bonuspunkte. Zu schnell über ein Schlagloch gehuscht - es folgt ein hämischer Kommentar von einem empörten Fahrgast. Ignorieren wir dahingegen grundlegende Vorfahrtsregeln und bremsen den Gegenverkehr mit gefährlichen Überholmanövern aus, stört das allerdings niemanden, zumindest nicht solange der Bus keinen anderen Verkehrsteilnehmer rammt oder wir verkehrtherum auf die Autobahn abbiegen (was unseren Fahrgästen ebenfalls egal ist, das habe ich nämlich ausprobiert).

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Lichteffekte machen alles besser, auch und vor allem die Bus-Simulation.

Während der Schicht aus der Fahrerkabine aufstehen ist übrigens eine Mechanik, auf die das Spiel selbst ab und zu setzt. Manchmal sollen wir als Busfahrer aktiv werden, etwa wenn ein Fahrgast den Türbereich versperrt, im Fahrzeug Müll zurückgelassen wurde, jemand seine Tasche liegen gelassen hat oder ein Fahrgast zu laut Musik hört. Außerdem ist es nur auf diesem Wege möglich Schwarzfahrer im Bus zu entlarven. Fahrscheine zeigen ist in Bus Simulator 18 nämlich gar nicht cool.

In keinem anderen Bereich des Spiels wird derart ersichtlich, wie leblos die Spielwelt und ihre Bewohner sind. Wir können all das komplett ignorieren und erleiden keine wirklichen Nachteile. Die Fahrgäste geben keinen Mucks von sich, wenn wir sie stundenlang in der Pampa sitzen lassen und die Welt zu Fuß erkunden. Da kommt dann höchstens mal ein "Ich frage mich, ob ich mit dem Fahrrad nicht doch schneller dran wäre.", aber das ist bereits das Höchste der Gefühle. Immerhin quatschen die Leute manchmal dummes Zeug und philosophieren über ihr NPC-Dasein, allerdings wiederholt sich das hohle Gelaber nach wenigen Stunden. Noch mehr als das stört mich eigentlich nur die grottige Verkehrs-KI, die mit ihrer super-vorbildlichen Art unglaublich viele Nerven (und Zeit) kostet. Mein Geduldsfaden ist für diese schleichenden Sonntagsfahrer nicht ausgelegt...

Bus Simulator 18 ist eine unaufgeregte Simulation. Das Team von Stillalive Games mag mit der detailverliebten Darstellung der Busse und mit dem Arbeitsablauf eines Busfahrers punkten, doch es dauert stets nie lange, bis die virtuellen Beschränkungen auftauchen und sich unser Spielspaß daran anpassen soll. Was mir gut gefiel war die Schnelligkeit, mit der ich mir eine Routine erschloss, und als ich (legale) Möglichkeiten entdeckte, die im Rennen gegen die Uhr wichtige Sekunden einsparen. Das ist alles aber nur solange interessant, so lange wir Konsequenzen fürchten und in diesem Bereich lässt uns der Bus Simulator 18 eben vieles durchgehen.

Als Neuling überforderte mich das Spiel anfangs sehr, allerdings hielt das nicht lange an. Am Ende des Tages ist Bus Simulator 18 eine durchweg inkonsistente Spielerfahrung, dessen flache Mechaniken jegliches Eintauchen verhindern und Spielspaß schnell abebben lassen. Für mich waren die Testfahrten neuer Busse meine persönlichen Höhepunkte, denn das Erlernen des veränderten Wenderadius sorgt in Kombination mit dem eigenen Bemühen des ordentlichen Fahrens für eine gewisse Herausforderung. Doch das Ausbleiben von Aufgaben raubt mir Motivation und in einer solch leblosen Welt große Straßenschiffe zu manövrieren, verliert ebenfalls schnell an Reiz.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Zielgerichteter Einstieg mit nützlichen Spielhilfen; Aktivierung des Busfahrers durch das Spiel bringt Leben in die Simulation; Mod-Support im Steam-Workshop; kleiner Preis (nur knapp 30 Euro).
-
Verkehrssünder brauchen keine Konsequenzen zu fürchten; detailarme Spielwelt reagiert nur teilweise auf uns; Charakter-Editor ist ein schlechter Scherz; Controller-Setup nicht für Konsolen-Gamepads ausgelegt; geringer Umfang und Anpassungsmöglichkeiten.
overall score
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