Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Catherine: Full Body

Catherine: Full Body

Acht Jahre lang hat Atlus ihr Puzzle-Adventure Catherine reifen lassen. Die süße Note aus unserer Erinnerung ist jedoch einem bitteren Nachgeschmack gewichen.

HQ

Catherine aus dem Jahr 2011 ist ein bis heute einzigartiges Spiel. Es verbindet eine übernatürliche Geschichte von unentschlossenen Männern mit Puzzle-Spielmechaniken, die sich um das Überwinden von Hindernissen drehen. Das Ergebnis war sehr eigen, aber damals trotz einiger Schwächen durchaus charmant. Atlus hat dieses Game, wie sie es nennen, viele Jahre lang reifen lassen und es Anfang September mit zusätzlichen Inhalten neu veröffentlicht. Vier Wochen lang liegt dieser Text nun also schon auf meinem digitalen Schreibtisch, weil ich lange nicht die richtigen Worte für einen Abschluss aufbringen konnte.

In Catherine spielen wir Vincent Brooks, einen Mittdreißiger, der gerade vor einigen wichtigen Entscheidungen in seinem Leben steht. Für ihn ist im Moment eigentlich alles soweit okay, doch seine feste Freundin Katherine stellt andere Erwartungen an die eigene Zukunft. Sie will den entspannten Kerl zum nächsten Schritt drängen und spricht plötzlich von der Ehe und bald darauf von eigenen Kindern, was Vincent im hier und jetzt so gar nicht interessiert.

Der Typ geht viel lieber trinken, jeden Abend in einer Bar namens Stray Sheep. Dort lernt er schließlich auch die junge Frau Catherine kennen, die Vincent mit ihrem aufreizenden Auftreten ganz fies den Kopf verdreht. Nach einem schrecklichen Albtraum wacht er morgens überraschend neben ihr auf und muss erkennen, dass er einen Fehler begangen hat. Doch weil sich Vincent eben nicht festlegen mag, lässt er all das ein stückweit geschehen. Im Laufe einer Woche versucht er herauszufinden, wohin ihn seine verfügbaren Optionen führen könnten. Ganz egal, wie wir uns dabei entscheiden, das hier wird zweifelsohne die schlimmste Woche in Vincents Leben werden.

HQ
Werbung:
Catherine: Full BodyCatherine: Full Body
Vincent ist ein untypischer Videospielheld, doch er unternimmt alle Anstrengungen, um seinen Weg zu finden.

Das ist die soweit bekannte Rahmenhandlung aus dem Original, die in Catherine: Full Body mit zusätzlichen Charaktersequenzen und Gesprächen veredelt wurde. Wir bekommen regelmäßig Einblicke in die Vergangenheit von Vincent und seiner langjährigen Lebensgefährtin, was gerade ihrer Figur im Vergleich zum Original sehr gut tut. Außerdem haben die beiden Damen nun zwei weitere Enden bekommen (also jeweils vier), um auf Vincents Eskapaden entsprechend und frisch reagieren zu können. Es gibt also auch für alte Fans noch ein paar neue Sachen zu entdecken und somit Grund genug, zurückzukehren.

Die größte Änderung von Catherine: Full Body ist eine weitere Dame, die in Vincents Leben tritt. Die junge Frau heißt verquererweise Qatherine, kurz Rin, und sie wird exzellent in die Story eingebunden. Vincent rettet sie zu Beginn des Spiels vor einem "Stalker" und kümmert sich anschließend darum, dass sie wieder auf die Beine kommt. Die Gute leidet nämlich an Amnesie, was Vincents Beschützerinstinkt weckt... Atlus findet jedenfalls viele Möglichkeiten, um diese Figur auf interessante Art und Weise in die Dreiecksbeziehung einzubinden, außerdem kommt sie narrativ und Gameplay-technisch im Puzzle-Aspekt zum Tragen - die zweite große Säule des Spiels.

Vincents persönliches Drama ist nämlich noch nicht kompliziert genug, deshalb wird er, zusammen mit vielen weiteren Männern, nachts von Alpträumen geplagt. Darin müssen riesige Türme erklommen werden, bevor unter unseren Füßen der Boden wegbricht und wir wortwörtlich zu Tode stürzen. Da die direkten Wege meist verbaut sind, müssen wir kreativ werden und Blöcke aus dem Turm zu Stufen formen oder um das abstrakte Gebilde herumklettern. Unterschiedliche Terrain- und Umwelteffekte erschweren unseren Fortschritt, bald kommen zudem verschiedene Blockarten und sogar Fallen ins Spiel, die wiederum eigene Herausforderungen an uns stellen. Wir können uns jederzeit den Weg verbauen, denn es gibt normalerweise wenig Platz zum Manövrieren, obwohl Atlus in Catherine: Full Body neue Mechaniken und Hilfsmittel eingefügt hat, um das alles verzeihender zu gestalten.

Werbung:
HQ
Catherine: Full BodyCatherine: Full Body
Rin ist die neue Figur von Catherine: Full Body, doch sie kommt trotz eigenem Spielpfad aufgrund mehrerer Aspekte zu kurz.

Zwischen diesen Rätseleinlagen interagiert Vincent auf einer sicheren Plattform mit anderen Figuren und wir treffen dort neuerdings auch auf Rin, die uns quasi anfeuert. Bevor wir die nächste Ebene erreichen, ermittelt das Spiel in einem Beichtstuhl unseren spielerischen Wert, was sich auf einer eindimensionalen Karma-Skala niederschlägt. Die und unsere Antworten geben insgeheim vor, auf welchen Spielpfad wir Vincent schicken - eine direkte Entscheidung ist vom Spiel nicht gewollt. Das ist letztlich aber auch gar nicht so wichtig, weil die grundlegende Rahmenhandlung in allen Spieldurchgängen gleich abläuft - diese Illusion hat schon dem ersten Catherine geschadet.

Im Puzzle-Aspekt hat sich Atlus einiges einfallen lassen, falls Fans der alten Spiele die Rätsel bereits auswendig kennen. Im neuen Remix-Modus werden Tetris-Blöcke in den Turm eingebaut, die das Erklimmen des Levels tatsächlich etwas auffrischen. Sich in die komplexen 3D-Umgebungen reinzudenken ist aber nach wie vor nicht leicht, deshalb erlaubt Atlus mittlerweile, dass dieser Bestandteil auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad komplett übersprungen werden kann oder automatisch abläuft. Ist ganz lustig, wenn Vincent auf die ideale Weise durch das Level sprintet und es ermuntert dazu, das Puzzle doch noch einmal selbst zu probieren.

In den Alpträumen müssen sich die Männer ihren größten Ängsten stellen, was uns immer wieder gekonnt in die übergeordnete Rahmenhandlung zurückholt. Zwischen den Puzzle-Blöcken erleben wir im fragmentierten Zusammenschnitt Vincents immer abstruser eskalierenden Alltag, der nur von seiner eigenen Entscheidungslosigkeit getoppt wird. Die absurde Geschichte wird von einer Reihe erinnerungswürdiger Charaktere begleitet, in die sich auch Rin gelungen einordnet. Catherine hat jedoch ein Problem und das ist gar nicht so unbedeutend: Es ist schlecht gealtert. Nicht im Sinne von Grafik - die Anime-Präsentation weiß mit ihren Details zu gefallen, vor allem Fans des Studios. Nein, das Spiel ist aufgrund der Präsentation seiner Themen unzeitgemäß.

HQ
Catherine: Full BodyCatherine: Full Body
Atlus macht es uns leicht, in Catherine ein richtiges Macho-Arschloch zu sein.

Nach wie vor leidet das Spiel an der Übervereinfachung und das tut gerade vor dem Hintergrund der neuen Figur sehr weh. Vor acht Jahren war man halt ein Idiot, wenn man über bestimmte Sachen lachte, heute laufen viele von uns mit offeneren Augen durch das Leben. Katherine zum Beispiel ist keine Schreckschraube, nur weil sie Ambitionen hat und Vincent dazu drängt, aktiv zu werden. Sich gegen traditionelle Familienplanung auszusprechen und ein "freies Leben" zu verfolgen muss auch nicht zwangsläufig in wilden Sexfantasien münden; die Welt ist nicht schwarzweiß und das Leben ist für uns alle schwer...

Qatherine leidet extrem unter dieser einseitigen Darstellung, denn sie ist kein eindimensionaler Charakter. Das kann man Atlus nur leider nicht richtig anlasten, ohne den großen Spoiler des Spiels preiszugeben - und das werden wir an dieser Stelle nicht tun. Das Studio kann einige Sachen sehr gut, einiges packen sie aber leider gar nicht. Rin ist ironischerweise das perfekte Beispiel dafür und es verwundert, dass sie gerade ihr das Spiel gewidmet haben.

Ein Spiel wie Catherine gibt es kein zweites Mal und allein deshalb mag ich es empfehlen. Heute fühle ich mich allerdings ein bisschen dreckig, es früher mal gemocht zu haben. Alle Figuren sind krasse Machos und fade Portraitierungen, was viele Spieler berechtigterweise auf die Palme bringen darf - aber das auch nicht zwingend muss oder gar sollte. Die Übersexualisierung der Frauen gab Catherine schon damals einen merkwürdigen Beigeschmack, Vincents unangenehme Interaktionen mit Rin verändern allerdings meine Wahrnehmung auf das Spiel. Die peinlich berührte Komödie wird für mich dadurch zu einer ignoranten und unsensiblen Angelegenheit, in der ich früher vielleicht einfach nur mehr gesehen habe, als ich sollte. Und ich fand es nicht so leicht, mir das einzugestehen.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
Geschichte eskaliert ins Absurde, neue Spielszenen und Änderungen am Puzzle-Teil für Kenner des Originals, Rätsel können komplett übersprungen werden, Fan-Service für Atlus-Fans.
-
die Darstellung sensibler Themen ist übervereinfacht und unzeitgemäß, Rin-Spielpfade sind sehr versteckt.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte

0
Catherine: Full BodyScore

Catherine: Full Body

KRITIK. Von Stefan Briesenick

Acht Jahre lang hat Atlus ihr Puzzle-Adventure Catherine reifen lassen. Die süße Note aus unserer Erinnerung ist jedoch einem bitteren Nachgeschmack gewichen.



Lädt nächsten Inhalt