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Civilization V

"Civilization V schmeckt nicht allen"

Jon Shafer war erst ein großer Fan der Civilization-Reihe, bevor er selbst daran mitwirken durfte. Auf der Gamescom haben wir mit dem erst 25-jährigen Lead Designer von Civilization V über den Konflikt zwischen Tradition und Innovation gesprochen - und warum das jüngste Spiel trotz aller Liebe zu den alten Spielen ein großer Schritt nach vorn ist.

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Es ist eine gute Voraussetzung, wenn man als Entwickler nicht nur etwas auf dem Kasten hat, sondern dazu auch noch das Spiel sehr gut kennt, weil man schon immer ein Fan davon war. Denn Civilization V ist - mal ganz ehrlich - eine Art Dinosaurier. Ein Spiel mit Traditionen, die beachtet werden müssen. Jon Shafer studierte Geschichte und kam 2005 frisch von der Universität zu Firaxis. Jetzt sitzt er quasi auf dem Stuhl von Sid Meier. Und dieser Verantwortung ist er sich sehr wohl bewusst.

Civilization V
Jon Shafer ist erst 25 Jahre alt und Lead Designer bei Firaxis für Civilization V.

Jon Shafer, gleich zugegeben: Ich habe nur wenig Civilization IV gespielt, aber Civilization V schaut auf den ersten Blick doch irgendwie anders aus. Es erinnert mehr an die ersten Spiele, als an das letzte.
Civilization IV war das erste Spiel der Serie in 3D und man konnte die Ansichten wechseln - das war neu. Nun hat jedes Civilization-Spiel einen anderen Designer und daher eine eigene Philosophie und einen eigenen Anspruch an das Spiel. Ich hab' viel Civilization III gespielt, daher liegt mir das einfach am nächsten.

Was waren die Hauptgründe dafür, von den quadratischen Feldern zu Hexagon-Feldern zu wechseln?
Es gab zwei sehr wichtige Gründe. Einerseits ging es um die Spielbarkeit. Wer viel Civ gespielt hat, der weiß: Bei einem quadratischen Raster gibt es Ecken, an denen sich die Felder treffen. Einheiten können sich über solche Ecken bewegen und das kann manchmal verwirrend sein. Denn da, wo Land auf Wasser trifft oder Berge im Weg sind, kann man sich so nicht mehr bewegen. Darum war es manchmal schwer zu sagen, wo die Einheit entlang konnte und wo nicht.

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Das ist bei Hexagonen natürlich anders.
Ja, eben. Bewegt man sich über Hexagone, bedeutet es, dass jedes Feld mit jedem angrenzenden Feld eine Kante teilt. Es gibt also keine Ecken mehr. Dadurch ist es deutlich, wann eine Einheit irgendwo hinbewegt werden kann und wann nicht. Zudem gibt es keine Verzerrung in Sachen Entfernung mehr. Wenn man sich diagonal entlang von Ecken bewegte, hatte man eigentlich eine größere Distanz zurückgelegt, als wenn man sich gerade fortbewegte. Für Leute, die richtig im Spiel drinsteckten, gab es darin einen Nutzen. Mit Hexagonen gibt es diese Probleme nicht mehr. Es ist nur eine kleine Änderung, aber es ist eine, die sich im Laufe des Spiels summieren wird. Und es ist eine definitiv gute Entscheidung.

Civilization V
Die Hexagone lassen die Welt organischer erscheinen. Küstenlinien sind glatter, Berge wirken realistischer.

Und was war der andere Grund?
Zusätzlich hilft uns das auch auf Seiten der Grafik. Weil wir die Ecken nicht mehr haben, von denen ich gesprochen habe, sieht das Spiel weniger kantig aus, es ist organischer. Ein Hexagon ist natürlich runder als ein Quadrat, damit gibt es Küstenlinien, die glatter aussehen, es gibt Berge, die realistischer aussehen. Der Zickzack-Look fällt weg. Auf diese Weise helfen uns die Hexagone richtig weiter. Es gibt auch andere Gründe, aber diese beiden sind wirklich wichtige.

Wie entscheidend ist die Grafik für ein Spiel wie Civilization V Gibt es Fans, die das Spiel nur in der Strategie-Ansicht spielen? Die bietet ja ein richtiges Retro-Gefühl.
Wir meinen auf jeden Fall, dass dies ein Spiel ist, das sich an ein relativ breites Publikum richtet. Daher gibt es eine Menge unterschiedlicher Interessen. Einige Leute finden, dass Grafik das Wichtigste ist, während sie anderen wiederum egal ist. Aber weil sich das Spiel an ein solch breites Publikum richtet, müssen wir über die Grafik nachdenken. Das Gameplay wird immer das Wichtigste bleiben, aber insbesondere heute, wo die Technik bei allen Arten von Spielen so weit entwickelt ist, wollen wir am Ende trotzdem mehr Leute erreichen als nur unsere Hardcore-Fans.

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Also geht es doch mehr um die Grafik als ums Gameplay?
Die Grafik ist ein Teil der Spielerfahrung. Wir haben zum Beispiel am Anfang der Entwicklung das Gameplay auf Civilization IV aufgebaut. Deswegen haben wir zunächst auch den Code von Civilization IV genutzt und sind erst später zur neuen Engine gewechselt, an der bis dahin die Programmierer von Grafik und Engine gearbeitet haben. Interessant war aber, dass wir zwar von Anfang bis Ende exakt das gleiche Spiel in Sachen Gameplay hatten, aber es sich nach dem Umzug zur neuen Grafik ganz anders angefühlt hat. Das war komisch, weil wir damit wirklich nicht gerechnet hatten. Die gleichen Regeln und doch fühlte es sich wie ein neues Spiel an. Das hat uns beeindruckt. Man sieht: Jeder Aspekt ist wichtig. Und ich will dafür sorgen, dass es gut aussieht und sich auch gut spielt.

Civilization V
Die strategische Ansicht vermittelt ein richtiges Retro-Gefühl. Civ-Fans können sogar das ganze Spiel in dieser Ansicht bestreiten.

Civilization Revolution hat viele Gelegenheitsspieler erreicht. Ist das eine Zielgruppe, die Civilization V auch erreichen möchte?
Wir wollen auf jeden Fall ein paar davon mit rüberziehen. Das Spiel wird nicht allen schmecken, einige wird es sicher nicht interessieren. Aber wir glauben, dass es reichlich Leute gibt, denen wir etwas bieten können. Mit Civilization V wollen wir die gleiche Tiefe und die gleiche Komplexität wie von Civilization V erreichen. Gleichzeitig konzentrieren wir uns auf das Interface und die Berater, die helfen, das Spiel schneller zu begreifen und das Spielen insgesamt zu erleichtern. Wir wissen, dass es viele Leute gibt, die entweder nicht besonders an Civ interessiert sind oder es ausprobiert haben und nicht dahinter gestiegen sind, weil die Lernkurve am Anfang sehr hoch ist. Also haben wir den Fokus darauf gelegt, den Einstieg leichter zu gestalten. Das muss nicht notwendigerweise heißen, dass Dinge aus dem Spiel entfernt werden sollen, damit es einfacher wird.

Die Civilization-Reihe hat eine starke Fangemeinde. Man muss immer aufpassen, dass nicht zu viel geändert wird, oder?
Wir versuchen, alles in Balance zu halten. Wir ich bereits erwähnte, habe ich eine Menge Civilization III gespielt und auch ein wenig Civilization IV. Schon an Civilization IV habe ich selbst mitgearbeitet. Mir ist definitiv aufgefallen, dass Civilization V für die Fans ein großer Bruch sein könnte. Und ganz ehrlich, es ist unser wichtigstes Ziel, ein Spiel zu machen das ihnen zusagt. Das ist das oberste Ziel. Wenn wir eine Zielgruppe benennen müssten, wären das die Leute, die Civ IV liebten, die Civ III liebten und die Civ II liebten. Wir müssen mit Bedacht vorgehen, mit unseren Änderungen und dem was wir tun sehr vorsichtig sein. Ein gutes Beispiel dafür sind die Änderungen beim Kampfsystem. Wenn etwas mehr Tiefe bekommt, gibt es mehr Strategie und mehr Faktoren, die man berücksichtigen muss.

Das ist ja nicht unbedingt ein Problem, oder?
In vielen Fällen ändert man seine Spiele und macht sie einfacher, damit sie leichter zu verstehen sind. Aber an dieser Stelle sagen wir: Es ist ein Strategiespiel für den PC, wir wollen sicher gehen, dass es weiterhin den Inhalt und diese Tiefe hat. Es geht eben nicht darum zu sagen: Weißt du was, wir entfernen den ganzen Krempel einfach, weil wir mehr Menschen gefallen wollen. Klar, wir wollen mehr Menschen ansprechen, aber wir glauben, dass wir es besser über das Interface, die Berater und äußere Erscheinung des Spiels leisten können als über Änderungen am Gameplay.

Civilization V
Pro Feld ist nur noch eine Einheit beziehungsweise ein Verbund von Einheiten zugelassen. Damit wird das Spiel noch strategischer.

Bei Civilization geht es um die Balance von Militär, Wirtschaft und Kultur? Wie schafft man das?
Das ist nicht besonders schwer. Wir haben anfangs Ideen gesammelt, was wir ändern wollen und was in jedem der Bereiche hinzukommen soll. Und während der Planung für die Entwicklung ist es recht unkompliziert, sich die Sache anzuschauen, wenn man einfach mal einen Schritt zurückgeht und überlegt, wie das eigentlich alles zusammenpasst. Wenn wir Sachen einbauen, kann es sein, dass sie keinen Spaß bringen und wir sie ändern müssen. Das mit dem Kampfsystem zum Beispiel war eine große Sache, aber wir wollten natürlich kein Kriegsspiel entwerfen. Wir hielten das aber für den besten Weg und es war die wichtigste Änderung, aber nicht die einzige. Stadtstaaten, Gesellschaftspolitik - als das soll für die richtige Balance sorgen, so dass kein Bereich bevorteilt wird.

Im Kampf darf jetzt auf einem Feld nur noch eine Einheit stehen. Beeinflusst das die Dauer eines Spiels?
Das ist in etwa vergleichbar mit der Länge eines Spiels bei Civilization IV, das sich schon mit den früheren Civilization-Spielen vergleichen ließ. Aber wir sind auf jeden Fall sehr aufmerksam bezüglich der Änderungen am Kampfsystem, die alles eventuell etwas verlangsamen könnten. Aber es geht auch nicht mehr darum, einfach einen Haufen Einheiten loszujagen. Wir haben die Zahl der Einheiten insgesamt limitiert. Man sieht so nicht mehr ein paar Hundertschaften beim Militär, sondern nur vierzig davon. Am Ende hängt es aber von der Karte und dem Spielstil ab. Der Einsatz von Einheiten und ihre Platzierung auf der Karte soll zu einem wichtigen Teil des Spiels werden. Daher haben wir ihre Zahl reduziert und zum Beispiel auch die Kosten erhöht. Auch die Art und Weise wie Ressourcen funktionieren, ist jetzt anders. Anstatt mit einer Quelle für Eisen gleich eine Billion Schwerkämpfer bauen zu können, darf man jetzt vielleicht nur zwei bauen und braucht ansonsten eine weitere Quelle. Das begrenzt am Ende auch die Zahl der überlegenen Einheiten.

Civilization V
Und auch die Diplomatie soll nicht zu kurz kommen. Mit den unabhängigen Stadtstaaten gibt's eine ganz neue Ebene.

Die Eroberung einer Stadt wird also zur Lebensaufgabe?
Was die Eroberung jeder Stadt angeht, das wird natürlich deutlich länger dauern. Aber für den militärischen Sieg reicht es schon aus, wenn alle Hauptstädte der Gegner eingenommen sind. Um zu siegen, muss also nicht jede einzelne Stadt erobert werden. Einfach die Hauptstädte einnehmen und es dabei belassen. Natürlich kann man weiterhin jede Stadt einnehmen, aber es ist nicht länger nötig. Das haben wir uns bei Civilization Revolution abgeschaut. Wir denken, dass es gut funktioniert hat, um das Spiel schneller und konzentrierter zu machen. Und auch interessanter, weil es herausfordernder wird, weil man das Ziel hat, nur die Hauptstadt einzunehmen. Eine Runde endet so früher, aber es bleibt spannender.

Dem PC als Spieleplattform wird ja schon seit Jahren der Tod vorhergesagt.
Es ist eine gute Plattform und es war ein wirklich gutes Jahr für PC-Spieler. Das gilt insbesondere für den Strategie-Bereich. Starcraft II sieht großartig aus. Ich habe das Spiel noch nicht gekauft, aber ich habe mir vorgenommen, es zu spielen, so bald ich etwas Zeit finde. Elemental: War of Magic von Stardock kommt dieses Jahr raus, Victoria II von Paradox, R.U.S.E. von Ubisoft. Wir finden es gut, dass es so viele verschiedene Spiele gibt und Civilization V ist eines davon. Und wir müssen versuchen, die Größten und Besten zu sein. Es ist gut zu wissen, dass der PC sich blendend schlägt und ich freue mich darauf, zu sehen, wo es hingeht. Ich persönlich spiele sehr gern am PC, aber kann natürlich nicht in die Zukunft sehen. Ich hoffe jedoch, dass all diese Spiele wie Starcraft II und Civilization V zeigen, dass es eine gute Plattform ist.

Wenn du nicht gerade Starcraft II spielen möchtest, was spielst du sonst so?
Ich mag Rollenspiele. Gerade spiele ich Dragon Quest IX. Es ist ein gutes Spiel auf dem DS, das Spaß macht. Ich bin zur Hälfte durch. Und ich freue mich riesig auf Diablo III - wann auch immer das rauskommt. Selbst, wenn es erst 2015 ist.

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