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Def Jam Rapstar

Def Jam Rapstar

Ein kleiner Blick in die deutschen Single-Top-20 verrät: Rap-Musik verkauft sich hervorragend. Da ist es doch eigentlich selbstverständlich, dass bei dem anhaltenden Hype um alle denkbaren Formen von Musikspielen auch der Sprechgesang nachzieht. Doch in einem entscheidenden Aspekt unterscheidet sich Konamis neues Game von den bekannten Titeln: Ein Party-Spiel ist Def Jam Rapstar nicht.

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Es war irgendwann im Winter 98/99. Ich war zarte 13 Jahre alt und mein bester Freund bereitete einer seiner berüchtigten Keller-Partys vor. Um zur Fete musikalisch etwas beisteuern zu können, beschloss ich eine CD zu kaufen und entschied mich letztendlich für die Absoluten Beginner, die damals mit "Liebes Lied" in den Charts waren. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Hip-Hop und Rap eine völlig fremde Welt für mich.

Erst mit diesem, wie ich noch heute finde, großartigen Album wurde mein Interesse am Sprechgesang geweckt. Und auch wenn ich in den letzen Jahren zum leidenschaftlichen Alles-Hörer geworden bin: Mein Interesse an Rap ist immer noch groß - und damit auch mein Interesse an Def Jam Rapstar. Und das soll schon was heißen, denn mit Sing-Spielen kann ich sonst überhaupt nichts anfangen.

Viele werden sich fragen, wie denn ein Rap-Karaoke-Game überhaupt funktionieren soll. Im Prinzip besteht zu Singstar und Co. nur ein Unterschied: Statt der Linien, die die Tonhöhe des Gesangs markieren, gibt es hier nur Punkte über dem Text, die zeigen, wann welche Silbe vorgetragen wird. Ein golden glühender Ball hüpft dabei von Punkt zu Punkt und erleichtert so das Timing. Ein Prinzip, das bereits andere Singspiele bei nicht gesungenen Abschnitten verwendeten.

Da in einigen Tracks auch gesungen wird, tauchen ab und an doch die Tonlinien wieder auf. Punkte gibt es - wie sollte es anders sein - für Timing und Tonlage. Fehlerfreie Passagen treiben den Multiplikator nach oben. Nichts Neues also. Gute Leistungen werden mit virtuellen Stickern oder Audio- und Videofilter für die Clips belohnt. Ein wirklich cooles Feature ist die detaillierte Analyse nach jedem Lied. Hier können wir mittels roter Markierungen am Songtext nachvollziehen, wo Timing und Tonhöhe nicht ganz gepasst haben. Das erleichtert das Üben erheblich. Und Übung braucht man eine ganze Menge.

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Def Jam Rapstar
Besonders hübsch ist der Karaoke-Bildschirm nicht geworden, aber das lässt sich ertragen. Schade ist, dass die Textvorschau nur eine Zeile umfasst. Wenn Kool Savas einen Zahn zulegt, wird es schwer mitzukommen.

Hier ist es nämlich nicht so wie bei den üblichen Singspielen, dass praktisch jeder jedes Lied mitsingen kann. Sei es, weil er es zig Mal im Supermarkt gehört hat, es auf Arbeit stündlich im Radio lief oder es jedes Wochenende auf dem Schlager-Floor der Großraumdisco gegrölt wird. Während bei Popsongs meistens genug Zeit ist, den Text der nächsten Zeile zu lesen, können Rap-Laien hier froh sein, wenn sie überhaupt die aktuelle Zeile noch schaffen, bevor sie verschwindet. Wer den Text eines Tracks nicht kennt, braucht es im Grunde erst gar nicht versuchen. Das klingt vielleicht hart, aber bei einigen schnelleren Stücken ist das schlichtweg so. Wer will, kann die Tracks vorher einüben und sich den Text in Ruhe zu Gemüte führen.

Es ist zwar schön, dass hier ein gewisser technischer Anspruch erhoben wird, allerdings macht das Def Jam Rapstar zu einem ziemlichen Nischenprodukt. Was jedoch noch viel schlimmer ist: Das Spiel wird dadurch für die breite Masse völlig Party-untauglich. Sich schief singend seinen Freunden gegenüber völlig zum Nappel zu machen, ist witzig. Vor dem Fernseher zu stehen und im Falle des Versagens kein zusammenhängendes Wort mehr heraus zu bekommen, ist es nicht. Dessen waren sich die Entwickler offenbar auch bewusst, weshalb der Schwerpunkt des Spiels etwas verlagert wurde.

Herzstück von Def Jam Rapstar sind die Community-Features, die zu einem weltweiten Mit- bzw. Gegeneinander einladen. Wer eine Kamera an die Konsole anschließt, kann sich beim Rappen filmen und das Ergebnis hochladen. Die übrigen angemeldeten Rap-Freunde können diese Performance dann bewerten. Doch damit nicht genug. In der Community, die auch über die Internetseite https://www.defjamrapstar.com/de erreichbar ist, können sich die Hobby-Hip-Hopper zu Crews zusammenschließen oder gegen Gleichgesinnte antreten.

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Def Jam Rapstar
Herzstück von Def Jam Rapstar ist das Community-Feature. Hobby-Rapper können ihre Wohnzimmerauftritte als Video hochladen, sich zu Crews zusammenschließen und mit anderen battlen.

Wer online überzeugt, zieht nicht nur Beliebtheit, sondern auch Feindschaften auf sich. Das alles ist nicht nur eine tolle Idee, es ist auch schön umgesetzt und bringt die konkurrenzgetriebene Atmosphäre der Rap-Szene prima rüber. Selbst für passive Teilnehmer der Community lohnt sich das. Denn sich anzuschauen, was andere so vor der Kamera treiben, ist bisweilen äußerst unterhaltsam.

Wer unsere Vorschau zu Def Jam Rapstar gelesen hat, wird wissen, dass Martin von der Optik des Spiels weniger begeistert war. Ich gebe ihm hier auf für das fertige Game teilweise recht. Wenn gerappt wird und der Videoclip in dem kleinen Fenster läuft, sieht das wirklich hässlich aus. Abgesehen davon ist das schwarz-goldene Design des Spiels gelungen. Nach den Tracks und zwischen den Menüs kommen hübsche Effekte zum Einsatz, jedoch ohne übertrieben zu wirken. Einige Menüs hätte ein bisschen mehr Übersicht gut gestanden.

In Trailern zum Game wurde bereits ein musikalischer Querschnitt durch alle Rap-Zeitalter angekündigt und der ist gelungen. Von politisch motivierten Old-School-Stücken von Public Enemy oder Ice-Cube bis zum stumpfsinnigen Kram, der heute so produziert wird, ist alles dabei. Dass es zehn nationale Stücke in die deutsche Version geschafft haben, ist lobenswert. Schön auch, dass es mit Peter Fox ein Musiker in die Tracklist geschafft hat, der eigentlich gar nicht als richtiger Rapper wahrgenommen wird. Dass die Beginner mit "Hammerhart" dabei sind, fühlt sich für mich natürlich wie ein musikalischer Heimvorteil an. Die ganze Tracklist gibt's hier zum Nachlesen.

Def Jam Rapstar
Def Jam Rapstar bietet einen Querschnitt durch alle Rap-Dekaden. Neben den Beginnern haben es neun weitere deutsche Tracks ins Spiel geschafft.

Der größte Kritikpunkt an Def Jam Rapstar ist zugleich auch der zweifelhafteste: Die Texte sind zensiert. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die teilweise derben Texte dem Jugendschutz (speziell dem US-amerikanischen) zum Opfer fallen, wenn hierbei kein Ab-18-Spiel herauskommen soll, allerdings leidet darunter einfach das Gameplay.

Anstelle des anstößigen Wortes erscheint nur eine Linie, die Bewegung des leuchtenden Balls ist nicht mehr nachvollziehbar und schon ist der ganze Flow dahin. Teilweise sind hierzulande die ungeschnittenen Versionen auch einfach bekannter als die geschnittenen, wie beispielsweise bei Kanye Wests "Gold Digger". Wer den Vers "But she ain't messin' with no broke niggers" einfach aus Gewohnheit so singt, bekommt hier Punktabzug. Das nervt tierisch.

Als letzten Kritikpunkt kriegt die Textvorschau noch einen ab, die leider nur eine einzige Zeile umfasst. Wie gesagt, das hier ist kein Pop, das ist Rap. Und der ist manchmal ziemlich schnell. Dementsprechend ist diese eine Vorschauzeile einfach zu wenig. Viel mehr gibt es am grundsoliden Def Jam Rapstar nicht zu meckern. Diejenigen, die befürchteten, dass Singspiel-Prinzip würde beim Rap versagen, können beruhigt sein. Es funktioniert. Dass es sich hier um kein Party-Spiel handelt, sollte ihm allerdings nicht direkt vorgeworfen werden, denn dafür kann das Spiel ja eigentlich nichts. Daran ist vielmehr der Rap an sich schuld.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
Großartige Community Features, gelungene musikalische Auswahl quer durch alle Rap-Dekaden, zehn deutsche Tracks, detaillierte Analyse
-
Zensierte Texte, hässlicher Karaoke-Bildschirm, Menüs teils unübersichtlich, nur eine Textzeile Vorschau
overall score
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