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Destiny 2

Destiny 2: Forsaken

Wird Forsaken Destiny 2 wieder erfolgreich machen?

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Es war ein turbulentes erstes Jahr für Destiny 2. Das Grundspiel war gut, poliert und gefüllt mit dem typischen Bungie-Stil. Ein paar Monate nach dem Start stellte sich jedoch heraus, dass der Titel nicht genügend Tiefe besaß und dass viele Dinge, die uns früher in der Grindspirale hielten, gegen flache Ersatzsysteme und ein zugänglicheres Gesamterlebnis ausgetauscht wurden. Die erste Erweiterung (Fluch des Osiris) war eine Mischung aus Mittelmäßigkeit und Langeweile, kurz darauf wurde Bungie von etlichen Shitstorm-Wellen erfasst. Bungie bemühte sich und erklärte, es sei an der Zeit, wieder den Fans zuzuhören. Dann kam zweite Erweiterung (Warmind) und es gab Hoffnung, dass das Studio erneut auf dem richtigen Weg gelangen könnte. Und vor ein paar Monaten erschien endlich Forsaken.

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Die neun neuen Subklassen wirbeln PvE- und PvP-Inhalte mächtig durch.

Jeder liebt ein gutes Comeback; wenn sich der Underdog nach schwierigen Zeiten zur vollen Größe entwickelt und etablierte Regeln umwirft. Rainbow Six: Siege ist ein Beispiel dafür, das erste Destiny ein anderes. Die eigentliche Frage ist sowieso, ob Bungie das wirklich noch einmal schaffen kann. Uns ist vollkommen klar, dass ihr vielleicht nicht bereit seid, dem Entwickler eine weitere Chance zu geben. Destiny 2 hat die Zeit seiner Spieler in keinster Weise wertgeschätzt und das darf man einem Unterhaltungsprodukt durchaus übelnehmen. Falls ihr aber doch noch Interesse in euch tragt, dann solltet ihr Forsaken eine Chance geben - der Inhalt ist nämlich wieder verdammt gut.

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Inzwischen weiß wohl jeder, worum es sich bei Forsaken handelt. Der Lieblingsrevolverheld Cayde-6 wird in der ersten Mission von Uldren Sov ermordet und was sich danach abspielt, ist ein alter Western mit Clint Eastwood. Es gibt nicht viel mehr als das, aber der Erzählbogen ist eng getaktet und wird einfach aufgebaut. Die Synopsis mag dünn klingen, ist aber überhaupt nicht schlecht. Normalerweise steht die Zukunft des gesamten Sonnensystems bedroht, in Forsaken ist unsere Motivation viel persönlicher und damit näher am Herzen gebaut. Die Investition lohnt sich definitiv. Bungie schafft es eine Story mit klar definierten Parametern, Motiven und Charakteren zu erstellen. Die Rahmenhandlung dürfte sogar für Spieler funktionieren, die nicht schon seit 2014 Destiny spielen, sondern gerade erst angefangen haben.

Das ultimative Ziel ist natürlich, sich an Uldren zu rächen. Der Bösewicht initiiert eine Massenflucht aus dem Gefängnis der Ältesten, wo der Abschaum des Universums hinter Gittern gehalten wird. Um Uldren zu stellen, müssen wir uns zuerst seinen Begleitern annehmen, die Barone. Insgesamt gibt es acht Storymissionen, die wir unmittelbar nach dem Intro in beliebiger Reihenfolge verfolgen können. Strukturell funktioniert Forsaken dadurch deutlich besser, als die linearere Kampagne des Basisspiels. Obwohl die Quests einer Spannungskurve folgen, die das Erreichen bestimmter Leistungsstufen voraussetzt, fühlt sich unser Abenteuer viel offener an.

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In der Space-Western-Kampagne müssen wir acht miese Halunken ausschalten, um kalte Rache auszuüben.
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Das Beste an diesem Setup ist, wie großartig unterschiedlich diese acht Missionen inszeniert werden (insbesondere im direkten Vergleich mit den typischen Destiny-Missionen). Die Barone haben ihre eigenen Persönlichkeiten, die jede Konfrontation zu etwas Einzigartigem macht. Der Trickster hält es zum Beispiel für urkomisch, kleine Fallen in Form von Engrammen aufzustellen. Normalerweise versteckt sich in den Objekten Beute - nur eben nicht im Kampf mit ihm. Neben den Baronen gibt es auch einen neuen Feindtyp namens Scorn. Der erinnert zwar an die Fallen, unterscheidet sich vom ursprünglichen Modell aber immer noch weit genug, um sich tatsächlich neuwertig anzufühlen.

Um die Stimmung ordentlich anzuheizen, spendiert uns Activision wunderschöne Zwischensequenzen. Diese schicken Render-Videos wirken unfassbar hochwertig und helfen beim Aufbau der Charaktere, sowie der Spielwelt. Bungie hat es mit großem Detailgrad sogar geschafft, die Trennung zwischen Gameplay und gerenderten Sequenzen, die man von so vielen Projekten kennt, bei Forsaken nicht so deutlich wirken zu lassen. Wenn wir den Doppelsprung von Cayde-6 beobachten und Zeuge seiner Supermächte werden, dann zaubert das jedem Destiny-Jäger ein Lächeln ins Gesicht. Es fühlt sich an, als würde Bungie endlich einen Weg finden, um die Strukturierung ihrer Erzählungen mit dem konstanten Gefühl einer offenen, aktiven Spielwelt zu verbinden. Wir hoffen deshalb, dass das Studio zukünftige Inhalte ebenfalls in dieser speziellen Richtung entwickelt.

Die Kampagne konzentriert sich hauptsächlich auf zwei neue Schauplätze: The Tangled Shore (ältere Spieler werden sich sicherlich an The Reef erinnern) und die Residenz des Erwachten, auch bekannt als die Träumende Stadt. Der Hauptteil der Geschichte spielt in The Tangled Shore, ein großartiger Ort aus Weltraummüll und Asteroiden, die mit massigen Ketten zusammengehalten werden. Mit seinem üppigen violetten Horizont, geheimen Höhlen und leeren Plateaus ist es zwar kein hervorragendes Reiseziel, aber eine Neuinterpretation des modernen Space-Westerns. Wenn sich die Kampagne ihrem Ende nähert und wir schließlich die Tore der Träumenden Stadt betreten, wartet zudem noch die hübscheste Landschaft auf euch, die Bungie jemals geschaffen hat. Ernsthaft.

Die Stadt ist ein verträumter Ort, inspiriert von Fantasy-Geschichten, wie Der Herr der Ringe - nur eben mit Weltraummagie und Außerirdischen, statt Hobbits und verfluchten Goldringen. Schon allein dort herumzulaufen und die mysteriösen Ausmaße zu entdecken, ist eine Erfahrung für sich, die ihr unbedingt selbst erlebt haben müsst. Merkt euch nur, dass es dort versteckte Geheimnisse gibt, herausfordernde Aktivitäten und viele merkwürdige Katzen. Natürlich könnte die Kampagne länger sein, aber einige der Story-Elemente wurden auf den Raid ausgelagert und werden dort weitererzählt. Trotzdem hätten ein paar zusätzliche Missionen bei einer Erweiterung dieser Größe nicht geschadet. Neben der Kampagne gibt es neue Strikes (Missionen für drei Personen), die ebenfalls sehr gut geworden sind. Besonders gut gefallen hat uns The Warden of Nothing: Diese Mission ist absolut brillant und respektiert vor allem ältere Spieler, weil wir von Anfang bis Ende von Nostalgie beflügelt werden.

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Jeder liebt ein gutes Comeback und mit Forsaken ist Bungie das tatsächlich gelungen - wir glauben es selbst kaum.

Natürlich bietet Forsaken mehr als nur seine Geschichte und ein bisschen Ablenkung. Genau wie König der Besessenen zu Beginn des zweiten Jahres vom ersten Destiny, erhält das Add On viele große Änderungen. Einige Dinge sind in Update 2.0.0 enthalten, die für alle Besitzer des Grundspiels verfügbar sind (wie Änderungen an Waffenslots und bei der Spielbalance), wohingegen andere Dinge direkt mit der Erweiterung zusammenhängen. Die neuen Unterklassen sind ein solches Beispiel: Jede Klasse hat nun drei neue Fertigkeitenbäume bekommen, insgesamt also neun brandneue Supermächte. Die fühlen sich alle erstaunlich gut an und machen mächtig Spaß. Der Zauberer kann zum Beispiel endlich die traditionelle Unterstützungsrolle übernehmen, während sich Titanen mit einem super coolen neuen Angriff in eine menschliche Rakete verwandeln. In eine ohnehin schon überwältigende Sandbox-Erfahrung wirkt solch eine Energiespritze wahre Wunder.

Wie bereits erwähnt, hat Bungie Änderungen am bestehenden Waffensystem vorgenommen. Zum einen ist die Klassifizierung der verschiedenen Waffentypen geändert worden, wodurch die Bewaffnung individueller an euren eigenen Spielstil angepasst wurde. Wer unbedingt will, könnte mit drei unterschiedlichen Schrotflinten rumlaufen, allerdings teilen sich die Knarren den gleichen Munitionsvorrat... Der brandneue Bogen fühlt sich ebenfalls großartig an und schließt eine Lücke, von der wir nicht einmal wussten, dass sie überhaupt existiert.

Mit jeder größeren Erweiterung dürfen wir neue exotische Waffen und Ausrüstung erwarten, und was wir bisher gesehen haben, sieht wirklich interessant aus. Es dauert sicher noch ein paar Monate, bis alle Geheimnisse gelüftet wurden und man die Vorzüge und Nachteile spezieller Ausrüstungsteile bekommen hat, aber Forsaken lädt bereits jetzt wieder zum Experimentieren und Erforschen ein. Alle neuen Waffen werden mit zufällig generierten Perks ausgewürfelt, was in Destiny 2 bisher völlig fehlte. Dadurch entsteht beim Sammeln von Waffen eine neue Motivation, die vor allem Hardcore-Fans bei der anstrengenden Suche nach ihrer perfekten Kombinationen unterhält.

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Was für eine Reise Hüter mit Destiny 2 durchmachen mussten. Aber ehrlich gesagt ist es mir so lieber...

Mein persönliches Highlight von Destiny 2: Forsaken ist aber der Gambit-Modus. Dieser Mix aus PvE- und PvP-Elementen hat uns einige der schönsten Momente geboten, die wir bisher in Destiny gefunden haben. In einem Team von vier Personen müssen KI-Feinde besiegt werden, um Orbs zu sammeln, die an einer Station hochgeladen werden. Ein zweites Team aus realen Spielern versucht in einer gespiegelten Arena das Gleiche. Wurden 75 Orbs gesammelt, wird ein mächtiger Bossgegner heraufbeschworen und sobald dieser ins Gras beißt, ist die Runde beendet. Der Kniff ist, dass wir zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Match durch ein Portal springen können, um in der gegnerischen Arena für Ärger zu sorgen. Töten wir dort fremde Spieler, verlieren die einen Teil ihres Fortschritts - was im Umkehrschluss spannende Strategien im Wettstreit ermöglicht. Gambit ist wirklich lustig, schweißtreibend, frustrierend und belohnend - wirklich unschlagbare Unterhaltung.

Forsaken mag immer noch einige kleinere Fehler haben, aber die gröbsten Schnitzer hat Bungie mittlerweile alle rausgepatcht. Wir sind mit Forsaken deshalb sehr zufrieden. Wenn wir auf das vergangene Jahr zurückblicken, ist das selbst für mich nur schwer vorstellbar, aber es ist Bungie tatsächlich gelungen, die Dinge wieder richtig zu stellen. Was wir und so viele andere Hüter an Destiny lieben, das ist jetzt wieder zurück. Der Beginn des zweiten Jahres startet phänomenal und wir hoffen sehr, dass Bungie aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Eines ist jedoch klar: Destiny 2 war noch nie so gut, wie heute.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Frische Ausgangslage für die Geschichte, wunderschöne Cutszenen, Schauplätze sehen fantastisch aus, tolle Neuerungen beim Gameplay, Gambit-Modus ist genial.
-
Einige technische Probleme, die Hauptkampagne könnte umfangreicher sein.
overall score
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