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Destiny 2

Destiny 2 - Impressionen zum Abschied

Stefan hat in den letzten Wochen unglaublich viel Zeit in Destiny 2 versinken lassen und zieht zum Start des neuen Add Ons ein Resümee.

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Unser Kollege Kim ist ein großer Destiny-Narr und er schätzt Bungie sehr für ihr ambitioniertes Projekt (wie ihr in seiner Kritik nachlesen könnt). Ich selbst hingegen kenne den Entwickler vor allem aus den guten alten Halo-Zeiten, aus der einige meiner schönsten Jugenderinnerungen stammen. Destiny habe ich wiederum erst spät begonnen, mit Das Erwachen der Eisernen Lords am Ende des dritten Jahres. Damals hatten sich viele Spieler schon längst wieder vom Spiel verabschiedet, doch ich hatte eine gute Zeit mit dem Spiel.

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Destiny 2 bietet uns viele Möglichkeiten, wie wir unsere Zeit verbringen können. Leider ist vieles davon Zeitverschwendung und Beschäftigungstherapie.

Im Oktober bin ich zusammen mit meinen Freunden erstmals auf dem PC in der Rolle der angehenden Hüter geschlüpft, habe die rote Legion und ihren Anführer Dominus Ghaul besiegt und mir die Welt von Destiny 2 in der Zwischenzeit ganz genau angesehen. Mittlerweile bin ich ein echter Experte im Leviathan-Raid, habe ein Powerlevel von über 300 auf zwei Charakteren und jeden aktuell verfügbaren Spaß mitgemacht. Der PVP-Modus ist für mich am unterhaltsamsten ausgefallen und das obwohl ich „nur" und ausschließlich mit dem Controller spiele. Nachdem ich nun mehr als genug Zeit mit den unterschiedlichen Standsäulen des Spiels verbracht habe, wollte ich ein Resümee ziehen und euch erklären wieso ich glaube, dass beim Destiny-Nachfolger etwas mit der Chemie nicht stimmt.

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Um die Langzeitmotivation steht es nämlich nicht sonderlich gut. Im Grunde geht es im Actionspektakel von Activision ja darum sich die beste Ausrüstung zu schnappen, sein persönliches Kriegsarsenal zusammenzustellen und damit mächtig Eindruck bei realen Feinden im Schmelztiegel oder gegen die KI-Horden der vier verschiedenen Fraktionen zu erwecken. Wer lange genug spielt muss leider realisieren, dass unser Arsenal am Ende des Tages nur einige wenige Waffen aus dem großen Pool umfasst und die Rüstungen fast ausschließlich von optischen Präferenzen bestimmt werden (die fünf Rüstungsstücke unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Statistiken nur marginal voneinander). Der entscheidende Faktor ist letztlich das Powerlevel, das aktuell bis 305 reicht (und bald etwas angehoben wird). Was bestimmt dieses Powerlevel konkret? Heruntergebrochen tatsächlich nur, ob wir spezielle Herausforderungen absolvieren dürfen oder nicht. Im Mehrspielermodus spielt das Licht absolut keine Rolle, in sämtlichen PvE-Inhalten definiert dieser Index nur, ob wir ungefilterten Schaden von Gegnern mit einer höheren Stufe erhalten oder eben nicht.

Als unerfahrener Hüter lernen wir schnell, dass manche Gegner eine harte Nuss darstellen und wir sie vorerst meiden sollten. Zwanzig Charakterlevel später hauen uns die roten Kabale zwar nicht mehr mit zwei Schüssen weg, aber stellen noch immer eine Gefahr dar. Bungie ist ein Experte im Skalieren von Werten, denn nur so gelang es dem Studio überhaupt, ein derart kohärentes Universum zu erschaffen. Auch nach 40, 80 oder 500 Stunden wird uns Destiny 2 noch vor die gleichen Herausforderungen stellen, denn eine Gruppe von Gegnern bleibt stets fordernd. Man sollte deshalb aber schon die Frage stellen dürfen, ob diese Entscheidung der eigentlichen Aufrüstungs-Mentalität nicht gleichzeitig auch im Wege steht. Darf sich investierte Zeit und Mühe wirklich nicht darin widerspiegeln, dass wir besonders stark werden?

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Ob wir uns im PvP reinhängen oder uns mitziehen lassen, spielt für die Belohnungen am Ende einer Runde keine Rolle - schade.
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Bungies womöglich größte Leistung ist das wertige Waffengefühl der anfänglichen Ausrüstung, denn es macht echt Spaß mit einigen frühen Argumentationsverstärkern zu spielen. Trotzdem dürfte vielen Spielern aufgefallen sein, dass uns einige Feinde vor größere Herausforderungen stellen, nachdem wir neues Equipment ausgerüstet haben (und obwohl die Schadenszahlen steigen). Das Powerlevel ist natürlich kein einfacher Schadens- und Verteidigungsmultiplikator, das weiß ich schon; trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass es ein bisschen mehr in diese Richtung geht und sich das Aufleveln insgesamt lohnt.

Nachdem das sogenannte Soft-Cap von 265 erreicht wurde, beginnt sich das Spiel „zu öffnen" - der Grind beginnt. Überall warten neue Aufgaben, die wiederum mit frischer Ausrüstung und Herausforderungen locken, doch nur die wenigsten Objekte steigern unser Powerlevel. Das ist ein sehr reales Problem für viele Spieler, denn wie soll man die hoher Anforderungen auch erreichen, um Zugang zu den Late-Game-Inhalten bekommen? Es gibt acht Ausrüstungsslots deren einzelne Bestandteile den Durchschnitt unseres Levels errechnen. Mit Glück eine bessere Waffe zu finden (die vielleicht fünf Stufen über dem aktuell ausgerüstetem Exemplar liegt) bringt uns bei solch hohen Werten natürlich nichts mehr. Stattdessen müssen alle Slots regelmäßig gleichmäßig verbessern, während wir fleißig weiterspielen.

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Mit der neuen Erweiterung Fluch des Osiris wird die Levelgrenze auf 335 angehoben, alle Spieler fangen dann erneut mit dem Grind an.

Sicher hört sich das alles wie Nörgelei an, denn es gibt ja durchaus Möglichkeiten zum Steigern des Lichtlevels. Das Abschließen der wöchentlichen Herausforderungen (die jeden Dienstag zurückgesetzt werden und uns mit wirklich starken Gegenständen belohnen), das Finden exotischer Engramme und Xur, der diese verkauft, das Infundieren von starker Ausrüstung (man zerstückelt höherstufige, unbenötigte Waffen und Rüstungen, um das Powerlevel ähnlicher Gegenstände auf dieselbe Stufe anzuheben) und letztlich die Mods, die wir ab Level 280 freischalten, wären da etwa zu nennen. Viele Spieler ziehen sich Zweit- und Drittcharaktere hoch, damit sie die einmaligen Missionsbelohnungen aus der Kampagne auf einem höheren Level erhalten und die Waffen in ihre Hauptcharaktere verschieben, um so zumindest einen kleinen Boost zu erhalten und auch in den Intervallen zwischen den Resets etwas zu tun haben. Das System ist ansonsten nämlich sehr gleichförmig und wer eine ganze Woche exzessiv spielt, wird am Ende trotzdem nur einen überschaubaren Fortschritt erzielt haben.

Late-Game-Inhalte wie der Raid oder die heroischen Strikes (Kampagnen-Missionen mit bestimmten Zielvorgaben) locken Spieler mit besserer Ausrüstung, die außerhalb dieser virtuellen Levelbegrenzung liegen. Die setzen häufig jedoch Powerlevel-Beschränkungen voraus, die Spieler längst nicht erreichen können, ohne schon einige Wochen lang zu spielen. Außerdem sind diese Inhalte selbst bei entsprechendem Powerlevel viel zu schwer und nutzen Shooter-untypische Regeln und spezielle Vorgaben, um eine möglichst große Herausforderung zu bieten. Im Raid wird von Spielern beispielsweise verlangt einen Parcours zu beschreiten, sich an Feinden mit unsichtbaren Sichtkegeln vorbeizuschleichen und immer wieder Wellenabwehr-artig darauf zu warten, dass Mitspieler bestimmte Herausforderungen absolvieren. Im Vergleich zu richtigen MMOs mögen die Inhalte überschaubar sein, doch eine unerfahrene Gruppe scheitert häufig bereits an der zielgerichteten Kommunikation.

Destiny 2 bietet noch viele weitere Aufgaben und Beschäftigungen, wie die öffentlichen Events, die verlorenen Sektoren, tägliche Herausforderungen und die verschiedenen Fraktionen, die wir mit jeder Tätigkeit auf einem der vier Planeten unterstützen. Doch schon mein Gameswelt-Kollege Sascha Göddenhoff hat festgestellt, dass sich all das seelenlos anfühlt und dem realen Fortschritt eines Charakters in keinster Weise weiterhilft. Im Schmelztiegel zu spielen, bei Failsafe oder einem anderen Questgeber Reputations-Token abgeben oder öffentliche Events farmen bringt uns ab einem bestimmten Punkt einfach nichts mehr. Bungie will dass wir regelmäßig wiederkommen und Destiny 2 einen Besuch abstatten - wer nur ein- oder zweimal in der Woche spielen möchte, für den mag das System ja auch durchaus spannend sein. Doch von allen anderen Spielertypen muss sich Bungie die Frage gefallen lassen, warum es nicht auch anders geht.

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Lasst euch von meiner Kritik nicht verunsichern und probiert das Actionspiel selbst aus. Habt nur keine zu hohen Erwartungen, dass der Titel irgendwann noch wesentlich besser wird.

Das Herz von Destiny 2 ist das Loot, doch genau hier hält uns Bungie aktuell zum Narren. Die symbolische Karotte am Stock zieht nicht, denn die Mehrheit der Aktivitäten bietet nicht einmal die Chance auf besseres Equipment. Mit der anstehenden Fluch des Osiris-Erweiterung könnte Bungie viele dieser Probleme angehen, doch bislang scheinen sie vor allem „Mehr vom Alten" machen zu wollen. Spieler die jetzt bereits beim Powerlevel 300 angekommen sind, befinden sich trotz des langen Grinds der letzten Wochen ab dem 5. Dezember wieder genau dort, wo sie die vergangenen Tage steckten: inmitten eines kaputten Fortschrittssystems, das Spielzeit nicht wertschätzt und Leistungen nicht belohnt.

Ist Destiny 2 deshalb schlecht und verdient die tolle Note nicht, die wir dem Titel gegeben haben? Sicher nicht, allerdings kann ich meine Enttäuschung darüber, dass das Spiel nach dem Finale so abfällt zugegeben nur schwer verbergen. Ich empfehle euch deshalb: Probiert das Spiel einfach selbst aus. Bungie hat ganz frisch bekanntgegeben, dass man den Anfang des Actionspiels ab sofort kostenlos aus Xbox One, Playstation 4 und auf dem PC spielen darf. Bekommt einen Eindruck der ersten zwei Gebiete des Spiels und kämpft einige Runden im Schmelztiegel - in den ersten Stunden wird eure Spielzeit nämlich noch ganz wunderbar wertgeschätzt.

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