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Die ganze Sonic-Story

Der blaue Igel ist bestimmt schon tausende Mal um die ganze Erde gerannt. Wir haben seine gesamte Geschichte aufgeschrieben, mit allen Höhen und Tiefen.

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Einen wie Sonic gibt es kein zweites Mal. Als Charakter eines Spiels ist er ziemlich einzigartig, beinahe unvergleichlich. Und auch die Sonic-Anhänger sind ein ziemlich eigentümliches Völkchen. Der Igel ist ihr Idol und den himmeln sie an, auch wenn die Liebe nicht immer zurückgegeben wird. Sie folgen Sonic einfach blind - so wie hoffnungslos Verliebte. Während normale Fans schon merkwürdig genug sind, einen Haufen Kohle in Merchandising-Artikel investieren und sich Kostüme kaufen, um so auszusehen wie ihr Vorbild, gehen Sonic-Freunde noch einen Schritt weiter. Auf fast religiös angehauchten Seiten im Internet beten sie ihn an und diskutieren Tag und Nacht über jedes kleine Detail - wie sich etwa die Farbe der Augen verändert hat, wie der Körperbau von Version zu Version leicht angepasst wurde. Sie kennen den blauen Igel vielleicht sogar machnmal besser als sich selbst.

Sonic-Anhänger schreiben endlose Artikel wie diesen hier über seine Geschichte, manche wollen ihn heiraten und es gibt sogar Fans, die erotische Kurzgeschichten verfassen (leider kein Witz). Die meisten aber bringen es fertig, sich immerzu darüber aufzuregen, wie grässlich das aktuelle Sonic-Game doch ist und was Sega nicht alles falsch gemacht hätte. Die größten Sonic-Enthusiasten sind jene Menschen, die ihn in Grund und Boden hassen, nur um sich mit jeder Ankündigung für ein neues Spiel wieder auf die Reise zu machen, ihr Schloss in den Wolken aufzubauen. Die Geschichte eines Sonic-Fans ist eine Geschichte mit vielen Höhen und vielen Tiefen. Sie steigern sich hinein, werden enttäuscht, aber stehen immer wieder voller guter Hoffnung auf. Eigentlich ist es keine besonders schöne Geschichte. Aber so ist das eben mit Sonic.

In vielerlei Hinsicht ist die Geschichte von Sonic eng verbunden mit Segas eigener Firmengeschichte. Kaum ein Charakter steht so symbolhaft für ein Unternehmen. Obwohl zum Beispiel Super Mario und Nintendo auch sehr fest miteinander verbunden sind, so gelang es ihnen doch, sich immer auf eine breite Palette von Spielen und Charakteren zu berufen. Der gute Ruf von Sega hingegen hing über Jahre im Grunde allein an dieser Serie. Vielleicht ist das sogar noch heute so...

Die ganze Sonic-Story
Das Debüt von Sonic the Hedgehog war im Jahr 1991. Viel ist passiert in den zwanzig Jahren, die seither vergangen sind. Von den Spiele der Sonic the Hedgehog-Serie wurden mittlerweile rund 80 Millionen Exemplare weltweit verkauft. Sonic the Hedgehog wurde übrigens gemeinsam mit Super Mario und Link als erster Held auf den Walk of Game in San Francisco einbetoniert.
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Alles begann vor über zwanzig Jahren in Osaka, Japan. Damals, im Jahr 1988, dominierte Nintendo die gesamte Spielebranche und nichts schien sich daran jemals ändern zu können. Man spielte ja auch keine Videospiele, sondern Nintendo. In Osaka aber treffen sich zwei Japaner mit abgedrehten Interessen. Einer davon ist Yuji Naka. Der Programmierer ist völlig besessen von hoher Geschwindigkeit jeglicher Art. Der andere heißt Naoto Ohshima und verehrt vor allem westliche Superhelden. Zum diesem Zeitpunkt wissen sie noch nicht wirklich etwas voneinander, aber es wird der Tag kommen, an dem sie die Welt mit Hilfe eines blauen Igels verändern.

Segas neue 16-bit-Konsole Megadrive steht in den Startlöchern und tut sich schon anfangs ziemlich schwer. Den Widerstand liefert einer kleine, graue Box, die lediglich mit 8-bit läuft. Aber das Nintendo Entertainment System hat einfach einen entscheidenden Vorteil: das Angebot an Spielen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hatten sie bei Nintendo bereits eine neue Konsole auf dem Weg: das Super Nintendo. Sega hatte bereits eine Menge Geld in das Marketing für seine neue Konsole gesteckt, aber der Werbespruch "Blast Processing" schien schnell überholt.

Im Jahr darauf, also 1989, beschließt Sega, einen internen Wettbewerb auszurufen, in dem ein neues Maskottchen gefunden werden soll - inklusive einem eigenem Spiel. Über zweihundert Vorschläge gehen von Mitarbeitern ein, die sich davon einen Karrieresprung erhoffen - unter den Finalisten sind unter anderem ein Hase, ein Gürteltier, ein Bär und eine Art dicker Theodore Roosevelt - ein alter Mann im Schlafanzug.

Die ganze Sonic-Story
Sonic 3D Flicky's Island - auch mit schöner Musik. Für seine Soundtracks wird Sonic immer abgefeiert. Was die wenigsten wissen: Die Soundtracks der ersten beiden Spiele wurden von einer echten Popband produziert, nämlich von Dreams Come True.
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Am überzeugendsten jedoch ist der der blaue Igel von Naoto Ohshima - und damit wird das Projekt mit dem Codenamen Mr. Needlemouse gestartet. Das Maskottchen verfolgt eine klare Linie: Es wird dafür entworfen, um mit ordentlich Tempo durch Loopings zu rasen. Für den Charakter gibt Ohshima diverse Quellen an. Die roten Schuhe etwa sind eine Kombination aus jenen Tretern, die Michael Jackson auf dem Cover seines Hitalbums Bad trägt, und den Stiefeln vom Weihnachtsmann. Bei der Persönlichkeit bedient er sich beim vorwärtsgewandten US-Präsidenschaftskandidaten Bill Clinton und die blaue Farbe stammt aus Segas Firmenlogo. Klar ist auch schnell, wer der richtige Mann für den Programmierjob ist, denn Yuji Naka ist der größte Geschwindigkeitsfanatiker im Unternehmen und er hat sich mit den Phantasy Star-Spielen bereits einen Namen gemacht.

Zusammen mit Naoto Ohshima als Charakter Designer und Hirokazu Yasuhara als Level Designer und Director stellt Sega 1990 ein Entwicklungsteam zusammen, dessen ausgemachtes Ziel es ist, den bisherigen König der Videospiele zu schlagen. Der blaue Igel soll die Hauptfigur in einem Plattformer sein, der sich maßgeblich um Geschwindigkeit dreht. Damit will Sega sich von den vielen Super Mario-Kopien auf dem Markt unterscheiden. Man ändert nach einer Weile den Namen von Mr. Needlemouse in Sonic the Hedgehog und macht ihn zum Kämpfer für Freiheit im Kampf gegen Dr. Ivo "Eggman" Robotnik. Das Entwicklerteam heißt von da an Team Sonic.

"Ich habe natürlich viel Super Mario Bros. gespielt", wird Yuji Naka zitiert, "aber ich wollte endlich Spiele machen, die den Fokus mehr auf die Geschwindigkeit legen. Super Mario hat dann Spaß gemacht, wenn man dort sein Tempo verbesserte." Um das zu erreichen, verpasst man Sonic die Spin-Attacke, welche sich für ihn als Igel geradezu aufdrängt und ihn zur nahezu unverwundbaren Kugel werden lässt. In dieser Form kann Sonic seine Gegner besiegen und Hindernisse überwinden, ohne dafür an Tempo einbüßen zu müssen. Geschwindigkeit war und ist der Kern des Spiels - und der Prototyp war sogar so schnell, dass sie das Spiel am Ende noch ein wenig drosseln mussten. Hirokazu Yasuhara spricht davon, ein Spiel durchspielen zu wollen, ohne das ihm wegen des Tempos schlecht wird. Ein anderer Grund ist, dass der Schwierigkeitsgrad nicht zu hoch sein darf. "Zu der damaligen Zeit war das amerikanische Publikum mehr an Spielen interessiert, die herausfordern, während die Japaner insgesamt leichtere Spiele bevorzugten. Die Herausforderung für Sonic war es, beide Arten von Spielern anzusprechen."

Die ganze Sonic-Story
Sonic unterwegs auf dem Master System. Igel-Fans lieben ihre Serie, was im Laufe der Jahre zu einer ganzen Reihe ausgesprochen netter Fanprojekte und Remix-Sachen geführt hat . Besonders toll sind Sonic 2 HD, Sonic Fan Remix und die Web-Serie Sonic For Hire.

Zur gleichen Zeit bastelt Designer Ohshima an Sonics Hintergrund. Er soll Sänger in einer Rockband sein, in der noch andere vermenschlichte Tiere mitspielen. Er hat sogar Zähne und eine gut gebaute Freundin namens Madonna. Zu diesem Zeitpunkt macht sich das US-Büro von Sega große Sorgen, dass der japanische Stil den US-Konsumenten gar nicht schmecken wird. Tom Kalinske, seinerzeit der Präsident bei Sega of America und zuvor Boss bei Mattel, entwickelt stattdessen eine Adaption für den US-Markt. Der japanische Stil vieler Figuren wird etwas abgemildert und Sonic ist danach rundlicher, kompakter und comichafter. Rockband, Zähne und die Freundin werden einfach ersatzlos gestrichen.

Daraufhin jedoch wird man in Japan ziemlich wütend. Viele hassen das neue Sonic-Design mit all seinen Änderungen, von denen man glaubt, dass sie Tom Kalinske nur durch Verbraucherbefragungen einbrachte. Yuji Naka meint dazu: "Ich habe das neue Design von Sonic wirklich gehasst und war besorgt, wie wohl die Käufer auf den Charakter reagieren würden. Im Nachhinein allerdings war es wohl einer der Gründe, warum Sonic erfolgreich wurde." Denn Sega in Japan trägt trotz vieler heftiger Diskussionen das neue US-Design mit. Und am 23. Juni 1991 ist es dann soweit: Team Sonic hält dank so einiger Nachtschichten den ziemlich knappen Zeitplan und veröffentlicht Sonic the Hedgehog.

Begleitet wird der Start von einer aggressiven Marketing-Strategie, die teure Fernsehwerbung und eine riesige Tour durch die Einkaufscenter der USA beinhaltet. Der Krieg zwischen Sega und Nintendo ist in vollem Gange, wobei Sega klar die Rolle des Underdogs inne hat. Für jeden Dollar, den sie ins Marketing stecken, investiert Nintendo 15 Dollar. Der Marktanteil von Nintendo am Spielemarkt beginnt trotzdem allmählich zu schrumpfen. Zumindest ein bisschen und das zum ersten Mal in all den Jahren.

Die ganze Sonic-Story
Sonic Drift 2 - auch im Rennwagen war der Igel bereits sehr früh unterwegs.

Für Sega läuft es also gut. Sogar ziemlich gut. Sonic the Hedgehog hätte sich bis zum Jahresende eine Million Mal verkaufen können. Segas US-Boss Tom Kalinske jedoch präsentiert seinem Chef Shinobu Toyoda einen ungewöhnliche Plan. Um im Weihnachtsgeschäft so richtig aufzutrumpfen, soll Sonic the Hedgehog, das wichtigste Spiel für Sega, zusammen im Paket mit dem Sega Megadrive verkauft werden. Toyoda hält das für ziemlichen Wahnsinn. Er meckert Kalinske an: "Bist du verrückt? Wir verdienen unser Geld mit Spielen und du willst unseren stärksten Titel verschenken!?" Der Japaner ist dann, so ist es überliefert, wütend aufgestanden, hat seinen Stuhl noch umgestoßen und ist aus dem Konferenzraum gestürmt - in der Tür jedoch bleibt er stehen und zischt: "Wenn du glaubst, dass wir damit Nintendo schlagen, dann mach' es!"

Und so wird es gemacht: Man opfert Sonic the Hedgehog, auf dem Höhepunkt des Weihnachtsgeschäfts. Aber der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Das Megadrive verkauft sich fast doppelt so gut wie das Super Nintendo und am Ende setzt Sega von diesem Bundle fünfzehn Millionen Stück ab. Die Strategie ist so erfolgreich, dass Nintendo zum ersten Mal seit dem Ende des Zusammenbruchs des Videospiel-Marktes die Mehrheit an Sega abgeben muss. Das Unmögliche ist wirklich eingetreten. Der Gigant ist gefallen.

Nach dem massiven Erfolg beginnt Sega direkt mit der Arbeit an Sonic the Hedgehog 2. Die Arbeiten werden aber von Japan nach Kalifornien verlegt, weil die Nachfrage in den USA so unglaublich stark ist. Das neue Spiel hat einen Zwei-Spieler-Modus und führt den neuen Charakter Tails ein, einen Fuchs, dessen großes Vorbild Sonic ist. Das Spiel erscheint und beschert Sega fantastische Verkaufszahlen und großartige Kritiken - in Deutschland etwa verkauft Sega zum Start beeindruckende 160.000 Einheiten. Bis heute gilt das Spiel als jenes, bei dem Team Sonic alles richtig gemacht hat. Der Umfang ist größer und das Leveldesign geht Hand in Hand mit der hohen Spielgeschwindigkeit. Im ersten Teil tauchten noch zu oft unausweichliche Hindernisse aus dem Nichts auf und raubten Sonic unnötig Tempo. Im zweiten Teil gelingt eine viel natürlichere Balance zwischen Geschwindigkeit und Herausforderungen. Das Marketing bei Sega nimmt mit diesem Spiel schon fast absurde Züge an, denn der blaue Blitz ist nahezu überall vertreten.

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Sonic 3D Blast - da steht er vor dem Ring und fragt sich, ob es so schlau war, dass er in den USA auf dem Höhepunkt des Weihnachtsgeschäfts geopfert wurde.

Es gibt Spielzeug, eine Fernsehserie, T-Shirts, Bettwäsche, Happy Meals bei McDonald's, Comics, CDs und eine eigene Produktlinie mit Nudeln, Deo und Cornflakes. Sonic spielt bei dem Simpsons mit und nimmt als riesige Ballon-Figur an der jährlichen Thanksgiving-Parade in New York teil - als erster Videospiel-Charakter überhaupt. Der schnellste Igel der Welt ist wirklich überall und Umfragen zeigen, dass Sonic the Hedgehog bei Kindern damals bekannter ist als Micky Maus - und die hatte ein paar Generationen nachhaltig geprägt.

Sonics Hochzeit nimmt kein Ende und geht mit einem Spiel weiter, das so großartig und so meisterhaft ist, so unglaublich fantastisch, dass es sich über zwei Sega Megadrive-Module erstreckt. Im Jahr 1994 erscheinen Sonic the Hedgehog 3 und Sonic & Knuckles. Letzteres kann mit allen drei Sonic-Spielen kombiniert werden und es lassen sich damit neue Inhalte freischalten. Ein paar Beispiele: In Verbindung mit Sonic the Hedgehog offenbart Sonic & Knuckles den Zugang zu einem völlig neuen Spiel, das auf den Bonusleveln in Sonic the Hedgehog 3 und Sonic & Knuckles basiert. Steckt man das Spiel mit dem zweiten Teil zusammen, darf es mit dem neuen Charakter Knuckles durchgespielt werden, dessen rotes Outfit an Rastazöpfe und die Schuhe an die jamaikanische Flagge erinnern. Zu guter Letzt lässt sich das Spiel auch mit Sonic the Hedgehog 3 verbinden und gewährt damit Zugriff auf das riesige Abenteuer Sonic the Hedgehog 3 & Knuckles, das sich über 14 Level erstreckt mit verschiedenen Charakteren gespielt werden kann und sogar die Geschichte des Spiels aus verschiedenen Perspektiven zeigt. Schaut man sich die bisherigen Spiele an, dann bleibt dieser Titel bis heute einzigartig.

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Sonic Adventure für Dreamcast ist einer der wichtigsten Auftritte des Igels und bei seiner Veröffentlichung das bei weitem hübscheste Jump'n'Run auf dem Markt.

Zu jener Zeit ist die Debatte darüber, ob Super Mario oder Sonic the Hedgehog der größte Spieleheld der Welt ist, eine ziemlich logische. Beide sind sich in Bezug auf den Auftritt, die Qualität der Spiele, der Verkaufszahlen und Anhänger ziemlich ähnlich. Sonic hat all das in der kurzen Zeit von fünf Jahren erreicht und sein Erfolg zeigt keinerlei Zeichen von Abnutzung. Was soll da also schon schief gehen?

Die Gründe für das, was in den folgenden Zeilen erläutert wird, sind umstritten. Hinzu gesellt sich das typische Problem, dem auch Sega erlegen ist: Versuche nicht, Geld aus Produkten zu ziehen, die es einfach nicht wert sind. In Segas Fall beginnt die Geschichte mit der Entwicklung der Erweiterung für den Megadrive, die unter dem Namen Sega CD läuft. Man will mit der CD-Erweiterung die Lebensspanne der Konsole verlängern und bringt passend zum Start Sonic CD heraus. Trotz schlechter Verkaufszahlen für die Zusatzhardware setzt man noch nicht auf die neue Konsole Sega Saturn, sondern bringt mit dem Sega 32X eine neue Erweiterung heraus und vermarktet diese mit dem Sonic-Ableger Knuckles Chaotix.

Als Sega Saturn dann endlich erscheint, wird die Konsole von Nintendos neuer 64-bit-Konsole und dem neuen Herausforderer namens Sony Playstation schlicht zermalmt. Schuld sind der schlechte Veröffentlichungszeitpunkt, das Fehlen von Spielen, der hohe Preis und dass der ursprünglich geplante Titel Sonic X-treme aus der Entwicklungsphase nie herauskommt und am Ende komplett eingestellt wird. Stattdessen liefert Sega den Fans zwei mittelmäßige Sonic-Spiele, die als Auftrags-arbeit vom englischen Studio Traveller's Tales entwickelt wurden: Sonic 3D und Sonic R. Die Verkaufszahlen sind furchtbar und derweil verkauft sich Super Mario 64 spielend leicht elf Millionen Mal und die Playstation schaufelt eine Hitserie nach der anderen ins Leben. Der blaue Blitz hat sich überholt.

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Bei den Olympischen Spielen ist der Igel sehr erfolgreich unterwegs, vor allen Dingen kommerziell betrachtet - was auch an der Hilfe von Nintendo liegt.

Die fünfte Konsolen-Generation wird komplett von Nintendo und Sony dominiert, während Sonic und Sega sich zurückziehen und auf bessere Zeiten warten. Und als die nächste Runde eingeläutet wird, ist das Ziel klar: Sega soll die erste Geige spielen. Yuji Naka, der seit der Trilogie auf dem Megadrive nicht mehr an den Sonic-Spielen gearbeitet hat, kehrt zu Team Sonic zurück, um ein Spiel für Segas neues und fantastisches Baby zu entwickeln. Das fast schneeweiße Gerät ist tatsächlich ein technisches Monstrum, dessen Name alle Träume, Ambitionen und Hoffnungen von Sega symbolisieren soll: Dreamcast. Am 9.9.1999 ist es endlich soweit und die Konsole erscheint - gemeinsam mit dem lange erwarteten Sonic Adventure.

Heute spricht man offen über die vielen Macken de Spiels, die Fehler und die Lücken im Design. Aber als Sonic Adventures erscheint, ist es Gott. Zumindest für die Sonic-Anhänger. Team Sonic scheint das Unmögliche gelungen zu sein. Sie haben das wahnsinnige Tempo der Originale in eine 3D-Welt transferiert, in der der Igel an Stränden, Gebäuden und Vulkanen vorbeirast, die im Hintergrund sogar noch ausbrechen. Sonic ist zurück und die Freude unter den Fans riesig. Und obwohl die Dreamcast-Konsole weitaus besser als der halbherzige Sega Saturn ist, eine exzellente Auswahl an Spielen bietet und zudem die erste Plattform ist, die ernsthaft etwas so Cooles wie Internetspiele unterstützt, hat sie gegen die Playstation 2 keine Chance. Der Dreamcast läuft bis März 2001, dann ist Schluss und Sega zieht sich aus dem Konsolenhardware-Geschäft zurück. Sonic ist das erste Mal heimatlos.

Die ganze Sonic-Story
In der zweiten Hälfte der Nuller experimentiert Sega mit merkwürdigen Ideen, die zu den Spielen für Nintendo Wii und mislungenen Auftritten auf HD-Konsolen führen - wie dieses 360er-Sonic.

Nach dem Dreamcast-Aus setzt Sonic seine Suche nach einer eigenen Identität in der Welt der 3D-Spiele fort. Im Grunde ist das ein Prozess, der bis heute andauert - zehn Jahre später. Die Nuller sind eine verdammt harte Zeit für Sonic. Los geht es damit, dass der einstige Erzfeind Nintendo ein neues Zuhause für Sonic anbietet. So debütiert der blaue Igel mit Sonic Adventure 2 auf dem Gamecube. Der Titel war acht Monate zuvor für Dreamcast erschienen - da galt es noch als wunderbarer Abschied. Jetzt auf dem Gamecube wird es in den Kritiken nur noch als absoluter Schrott bezeichnet. Innerhalb von acht Monaten wendet sich das Blatt, wobei genau genommen die Gamecube-Fassung eigentlich noch die bessere der beiden ist. Von einem Moment auf den anderen braucht die Welt Sonic nicht mehr. Und die kommenden Jahre liefern beständig Gründe, warum sie sich auch ohne ihn einfach weiterdrehen darf.

Team Sonic wird nun von Takashi Iizuka geleitet, dem Designer von Sonic Adventure, und hat schon bald ein neues Leitmotiv. Sonic the Hedgehog sollte dank der Multiplattform-Strategie bald größer als Pokémon werden. Sonic-Spiele erscheinen über die Jahre häufiger und auf diversen Formaten. Im Ergebnis schenkt uns Sega ein Trauerspiel nach dem nächsten: Sonic Heroes, Sonic Riders, Sonic Rivals und Shadow the Hedgehog. Auch wenn die Verkaufszahlen gut sind - immerhin ist ja noch Sonic vorn auf dem Cover - geht's mit der Qualität der Spiele steil bergab. Das Konzept von Sonic wird weiter verwaschen und das einzige, was man hinzufügt, sind noch mehr Gimmicks und noch mehr grässliche, kunterbunte Freunde.

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Sonic the Hedgehog 4: Episode I - durchaus hübsche Interpretation als Downloadgame für Xbox 360 und PS3.

Auf der Tokyo Game Show 2005 zeigt Sega dann, was das nächste große Sonic-Spiel werden soll - abseits der vielen Spinoffs. Das erste Sonic für die nächste Generation von Konsolen ist es. Kurz und knapp Sonic the Hedgehog betitelt. Heute kaum vorstellbar, aber es war wirklich eines der heißesten Spiele für das Jahr 2005. Also zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem es veröffentlicht wurde. Inzwischen gilt es vielen als das schlimmste Spiel der ganzen Serie. Was für eine Enttäuschung. Team Sonic veröffentlicht einen Titel voller Fehler, der eine Handlung offenbart, in der sich der Igel in eine menschliche Prinzessin verliebt. Es ist der absolute Tiefpunkt, an dem sich Kritiker und Sonic-Anhänger gleichermaßen fragen, ob das alles nur ein schlechter Scherz ist.

In der zweiten Hälfte der Nuller experimentiert Sega mit merkwürdigen Ideen, die zu den Spielen für Nintendo Wii führen. Sonic blamiert sich in Geschichten aus Tausend und einer Nacht sowie in einer absurden Interpretation der Legende um King Arthur. Im berüchtigten Sonic Unleashed meint Team Sonic den Igel mit einer Werwolf-Story aufpeppen zu müssen. Merkwürdig ist auch die Zusammenarbeit mit Bioware, die zum Rollenspiel Sonic Chronicles: The Dark Brotherhood führt. Alle Spiele fallen bei Fans wie auch Kritikern durch.

Die letzte Dekade ist eine verlorene für Sonic. Ein Desaster folgt dem nächsten. Die ersten Bilder eines neuen Sonic tauchen auf, alle hegen heimlich große Hoffnung. Dann folgen weitere Bilder, mit neuen Gimmicks und gleichen Konzepten. Doch man hofft weiter, drückt beide Daumen fest, dass diesmal alles gut geht. Der Titel erscheint, das Spiel ist schlecht und man sagt laut, nie wieder darauf reinzufallen. Aber mit den ersten Bildern fängt der Teufelskreis, der Sonickreis, erneut an. Die zehn Jahre sind für Fans die reinste Hölle.

So ambivalent ist kaum ein Held. Manch böse Zungen behaupten, dass Sonic noch immer vom Ruhm der ersten drei Spiele zehrt. Andere meinen, dass Sonic immer noch ganz fantastisch ist und es immer außerhalb des Massenmarkts zeigt. So sind die Sonic Advance- und Sonic Rush-Spiele auf Gameboy Advance und Nintendo DS etwa wunderbar. Und auch Sonic Colours für die Wii wird als gelungen bezeichnet. Fakt bleibt aber, dass der Sonickreis existiert. Vielleicht ist es pure Selbstgeißelung. Aber vielleicht ist es auch die reinste Form von unbändiger Liebe.



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