Man könnte es als interaktives Buch beschreiben, das dem roten Faden der Geschichte folgt. Gleichzeitig gibt uns das Spiel zu Ken Follets Die Säulen der Erde die Möglichkeit sanft die Ereignisse zu beeinflussen, ohne zu stark in die Geschehnisse einzugreifen. Die Säulen der Erde basiert auf Folletts erfolgreichem historischen Romanen, das dank der Hamburger Adventure-Spezialisten von Daedalic Entertainment als Videospiel umgesetzt wurde. Das Spiel nutzt die Telltale-Formel mit ihren Dialog-Entscheidungen, lässt jedoch die weitreichenden Konsequenzen aus, die wir aus diesen Telltale-Titeln kennen. Stattdessen sorgt das Spiel für ein traditionelleres Point&Click-Gefühl bei den Rätseln.
Die Säulen der Erde ist ein großes Werk, ein echter Schinken und wurde bereits mit neun einstündigen Episoden auf das traditionelle Fernsehformat umgesetzt (unter anderem mit Ian McShane). Es ist also kein Wunder, dass sich Daedalic für das Episodenformat entschieden hat und das Ganze in drei Bücher unterteilt. Der erste Teil - Aus der Asche - ist erst kürzlich erschienen und wir haben es in gut sechs Stunden von Anfang bis Ende durchgespielt. Es gibt einen Prolog und sieben Kapitel.
Die Geschichte handelt von einer kleinen Stadt mit dem Namen Kingsbridge und den Bau einer Kathedrale, die jedoch nur als Hintergrund für ein politisches Drama dient, in dem unterschiedliche Fraktionen um die Kontrolle von Großbritannien ringen. Die dreht sich nicht ausschließlich um die großen Figuren, wir spielen zum Beispiel Prior Philip oder den jungen Jack, die sich im Zentrum dieses Machtkampfs wiederfinden. Ein wichtiger Charakter ist Tom der Baumeister, der mit Jack und seiner Mutter zu einer Patchwork-Familie wird, nachdem seine Frau bei der Geburt seines Sohnes gestorben ist.
Als Videospiel ist Die Säulen der Erde durch die Geschichte relativ stark eingeschränkt. Es fühlt sich seltsam an, Entscheidungen zu treffen, die eigentlich bereits für uns getroffen wurden. Etwa wenn Philip zum Prior von Kingsbridge ernannt wird: Es ist nicht möglich abzulehnen, weil es einfach nicht zum Quellmaterial passt. Man hat aber echten Einfluss darauf, wie die Dinge geschehen und unsere Worte und Aktionen beeinflussen unsere Beziehungen und folgenden Ereignisse.
Die Präsentation von Die Säulen der Erde Earth hinterlässt bei mir einen gemischten Eindruck. Daedalic hat sich für einen „gemalten" Look entschieden, der nett anzusehen ist. Manche Szenen sehen großartig aus, während andere weniger beeindruckend wirken. Die sehr gelungene Sprachausgabe lenkt meistens von den eher bescheidenen Animationen ab, aber manche Dinge sehen echt schlimm aus. Auf der Übersichtskarte von Kingsbridge zum Beispiel können wir unsere Spielfigur wahnsinnig schnell bewegen, ohne dass es groß Animationen dafür gäbe, die das darstellen. Eine bestenfalls fragwürdige Designentscheidung, aber das ist verschmerzbar. Auch das Hub ergibt wenig Sinn und stört die Immersion, dafür sorgt der orchestrale Soundtrack für die nötige Stimmung einer Geschichte aus dem 12. Jahrhundert.
Im Gegensatz zu den letzten Telltale-Spielen, können wir in Die Säulen der Erde Geheimnisse entdecken und es warten neben der Hauptgeschichte kleine Abenteuer auf uns. Wir sammeln Dinge und lernen durch Lesen mehr über die Hintergründe. Auch wenn die Rätsel im Vergleich zu den klassischen Point&Click-Titel von früher sehr einfach sind, muss man gelegentlich doch überlegen und zwischen den Räumen hin und herlaufen, bis einem die Lösung klar wird. Mit dem linken Trigger können ungeduldige Spieler alle Gegenstände mit denen interagiert werden kann hervorheben.
Abgesehen von den Konversationen und den leichten Rätseln gibt es Quicktime-Events, bei denen wir Timing und Reaktionsgeschwindigkeit beweisen müssen. Nicht besonders innovativ, aber es funktioniert. Ein Problem bei der Steuerung mit dem Controller (gilt nicht für Maus und Tastatur) ist, dass man nicht automatisch in den nächsten Raum gelangt, wenn man durch eine Tür geht. Stattdessen muss man erst einen Pfeil hervorheben und dann A/X drücken. Es sind nur kleine Dinge, aber in einem Durchgang sammelt sich dann doch einiges an, auch wenn es nur winzige Kritikpunkte sind.
Der Anfang ist trotz all dieser Schwächen vielversprechend und die Geschichte ist von derart hoher Qualität, dass wir schon darüber hinwegsehen können, dass unsere Entscheidungen keine echten Konsequenzen nach sich ziehen. Hoffentlich haben unsere Entscheidungen im Verlauf des Abenteuers mehr Einfluss, wenn Jack erwachsen wird und wir die entehrte Adlige Aliena spielen dürfen. Ich bin besonders gespannt, wie sich unsere getroffenen Entscheidungen, wie die Täuschung und die Präsentation von Bischof Waleron Bigod, in zukünftigen Ereignissen widerspiegeln wird.