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Disintegration

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Eine Mischung aus Titanfall, Starcraft und Suicide Squad ist das Debütspiel von V1 Interactive.

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In Disintegration bewegen wir uns primär auf unserem Grav-Cycle fort, das ist eine Kreuzung aus futuristischem Tron-Motorrad und Heli/Jet.

Das Mischen von Genres kann gefährlich sein. Wenn man das nimmt, was eine bestimmte Art von Spiel auszeichnet, um es mit etwas anderem zu verbinden, dann kann daraus mit Leichtigkeit eine einzige Katastrophe entstehen. Das gilt vor allem für Genres, denn wie bitte soll die Mischung aus einem Ego-Shooter und Echtzeitstrategie aussehen? V1 Interactive, das Studio vom ehemaligen Halo-Mitschöpfer Marcus Lehto, hat sich dieser Herausforderung mit der nötigen Vorsicht gestellt. Sein neuer Titel Disintegration verbindet Ballern aus der Ego-Perspektive mit strategischer Kontrolle über eigene Truppen.

Die Handlung von Disintegration dreht sich um einen legendären Piloten namens Romer Shoal. Wir spielen in einer zukünftigen Vision der Erde, in der einige Menschen durch einen als „Integration" bekannten Prozess in Roboterkörper übergegangen sind. In dieser Zukunft hat sich eine gefährliche Gruppe gebildet, die unbedingt alle Überreste der Menschheit mit einer schrecklichen Festung am Himmel - der Eisernen Wolke - zerstören wollen. Disintegration folgt Romers Geschichte, der sich nach einer Nahtoderfahrung in der gefährlichen fliegenden Festung zu einem angesehenen Piloten des Widerstands entwickelt und schließlich sogar zum Anführer eines fähigen und vielfältigen Teams von Gesetzlosen wird.

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Obwohl der ehemalige Halo-Entwickler hier federführend verantwortlich ist, bietet das Gameplay mehr als Run'n-Gun-Action. In Disintegration bewegen wir uns primär auf unserem Grav-Cycle fort, das ist eine Kreuzung aus futuristischem Tron-Motorrad und Heli/Jet. Wir betreten selbst nie wirklich den Boden, sondern beobachten die Action aus sicherer Entfernung vom Himmel aus. Das Ironische daran ist, dass wir hier im Grunde also doch von einem normalen Shooter sprechen, der ein paar taktische Elemente mitbringt. Zugegeben, wir fliegen über das Schlachtfeld, aber vieles ist eigentlich nicht wirklich neu. Dafür gibt es wie gesagt jedoch ein paar strategische Kniffe, die das Ganze erweitern.

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Im Gegensatz zu Halo kombiniert Disintegration FPS- mit RTS-Mechaniken, was unorthodox klingen mag, aber auf seltsame Weise Sinn ergibt.

Im Gegensatz zu Halo kombiniert Disintegration FPS- mit RTS-Mechaniken, was unorthodox klingen mag, aber auf seltsame Weise Sinn ergibt. Die Bewegung des Grav-Cycles und dessen Waffenhandhabung erinnern an den Shooter, doch unser erfahrenes Team an Gesetzlosen, denen wir vom Himmel aus Befehle erteilen, das ist der RTS-Part. Während wir durch die Luft fliegen und Dinge abschießen, können wir unserem Team befehlen, uns zu decken oder die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Soldaten am Boden ziehen auch alleine in den Kampf, ihr müsst ihnen also nur grob erklären, wohin sie sich bewegen und auf welche Ziele sie schießen sollen. Selbst wer mit Strategiespielen nicht vertraut ist, dürfte davon nicht überwältigt sein.

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Um das Gameplay frisch zu halten spielt Disintegration an verschiedenen Orten, von Bergregionen über sengende Wüsten bis hin zum Ödland isländischer Gletscher. Darüber hinaus wird Romers Grav-Cycle bei jeder neuen Story-Mission mit einem anderen Paar Waffen ausgestattet und unsere Crew verändert sich ebenfalls. Die Bewaffnung ist sehr unterschiedlich, was unseren Spielstil empfindlich beeinflusst. Maschinengewehre sind aus der Ferne beispielsweise viel effektiver als Schrotflinten, weshalb wir mit denen in den Nahkampf müssen, um Feinde auseinanderzureißen. Manchmal werden wir nicht mit einem Heilgerät ausgestattet und können folglich weder uns noch unserem Team wieder auf die Beine helfen, wenn wir eine kurze Verschnaufpause bekommen. Das bedeutet, dass wir uns auf Heilstationen verlassen müssen, die während einer Missionen gefunden wurden.

Unsere Einsatztruppen am Boden agieren auch ohne unser Zutun ganz solide. Sie heilen uns ab und zu, weisen uns darauf hin, falls sich die Lage auf dem Schlachtfeld verändert, und haben noch weitere Möglichkeiten, um uns zu unterstützen. Da wären zum Beispiel Fähigkeiten, wie Erschütterungsgranaten oder Mörserangriffe - was man zum Abschluss der jeweiligen Mission eben braucht. Diese Talente haben eine lange Abklingzeit, sind aber unglaublich nützlich, um Gruppen von Feinden in Schach zu halten und die feindlichen Zahlen zu reduzieren. Ähnlich wie beim Loadout des Grav-Cycles können wir die Ausrüstung unserer Bodentruppen nicht zu Beginn einer Mission auswählen. Stattdessen wird alles vorab zugewiesen, was bedeutet, dass wir uns anpassen müssen.
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Während wir durch die Luft fliegen und Dinge abschießen, können wir unserem Team befehlen, uns zu decken oder die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Die Story von Disintegration wirft uns gegen eine Vielzahl an Feindtypen, begonnen beim schwachen Nahkampfroboter bis hin zu gigantischen, krabbenartigen Maschinen. All diese Typen sind individuell bewaffnet, doch was sie wirklich voneinander unterscheidet ist, wie der Kampf um sie herum aufgebaut ist. Es wird zum Beispiel Zeiten geben, in denen wir unseren Bodeneinheiten den Rücken freihalten müssen, da Feinde auftauchen, die für unser Team eine zu große Gefahr darstellen. Es wird aber auch Gelegenheiten geben, in denen feindliche Grav-Cycles die Lufthoheit für sich beanspruchen und deshalb unsere gesamte Aufmerksamkeit einfordern. Wenn man hinter die Fassade blickt, dann sind diese Kampfszenarien in einem gewissen Grad als RTS-Szenarios zu verstehen und dementsprechend lassen sie sich auch analysieren, was uns bei einer methodischen Lösung hilft. Also müssen wir entweder effektiv unsere Ziele wählen oder für Schadensbegrenzung sorgen und hoffen, dass wir von den Feindschwärmen nicht besiegt werden.

Sehr spannend ist in diesem Zusammenhang auch, dass Bosse und Begegnungen mit solchen Feindvarianten sehr deutlich fehlen. Zu Beginn werden einige der stärkeren Einheiten zwar als Art Zwischengegner inszeniert, doch mit steigender Spielzeit bekommen wir zermürbende Feinde, wie zum Beispiel die oben erwähnten Krabbenbots, häufiger zu Gesicht. Mehr einzigartige Grav-Cycles mit unterschiedlichen Fähigkeiten hätten der Kampagne deshalb gut gestanden.

Insgesamt sorgen die verschiedenen Aspekte dafür, dass die Kampagne von Disintegration eine runde Sache ist. Wer Dinge jedoch infrage stellt und mit platten Antworten nicht unbedingt zufrieden ist, der wird durchaus auf einige Probleme in der Glaubwürdigkeit dieser Welt stoßen. Warum soll das Schicksal der Menschheit so stark von einem angeschwemmten Piloten abhängen und warum setzen wir diese wichtige Person bitte in ein fliegendes Motorrad mit seitlich angeschnallten Düsentriebwerken - ist das nicht brandgefährlich? Und auch wenn wir nicht Hand in Hand mit der Crew zusammenkämpfen, entsteht überraschenderweise eine enge Bindung unter den Charakteren, was umso verwunderlicher wirkt, da eigentlich niemand wirklich eingeführt wird. Das alles erinnert mich ein wenig an Suicide Squad, denn da werden die Leute ja auch einfach zusammengeworfen und müssen dann an einem Strang ziehen. Alles in allem bereitet die Handlung die Plattform für zukünftige Spiele vor und das klingt doch ziemlich gut.

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Die Talente unserer Crew haben eine lange Abklingzeit, sind aber unglaublich nützlich, um Gruppen von Feinden in Schach zu halten und die feindlichen Zahlen zu reduzieren.

Neben der Geschichte bietet Disintegration noch einen Mehrspielermodus, in dem zwei Teams mit jeweils fünf Spielern in verschiedenen Spielmodi gegeneinander antreten. Das Online-Spielgefühl ähnelt sehr dem der Kampagne, da wir ebenfalls ein Grav-Cycle steuern und eine Bodenmannschaft kontrollieren. Da der Mehrspielermodus jedoch viel chaotischer ist, werden die RTS-Funktionen im Online-Bereich weniger stark betont und die Shooter-Aspekte stärker berücksichtigt. Das bedeutet nicht, dass die Befehle unserer Crew irrelevant sind, denn sie werden immer noch für viele Aufgaben benötigt, z. B. zum Tragen von Bomben oder für den Einsatz ihrer Fähigkeiten.

Derzeit gibt es drei Online-Spielmodi: Zone Control, Collector und Retriever. Zone Control ist im Wesentlichen Dominanz oder Capture the Flag, ihr bekommt Punkte also durch das Halten von Bereichen. Collector ist im Kern Kill Confirmed und man klaubt Punkte auf, die Feinde beim Tod zurücklassen. Retriever hingegen ist so eine Art Hybrid zwischen Flaggenkampf und Demolition: Man muss eine Bombe aus einem Gebiet sichern und die bombentragende Crew sicher zum dafür vorgesehenen Punkt eskortieren, um einen Punkt zu erzielen. Der Haken ist, dass Angreifer in Retriever nur eine begrenzte Zeit haben, um Punkte zu sammeln, bevor die Seiten tauschen und alles von vorne beginnt.

All diese verschiedenen Spielmodi sorgen dafür, dass sich der Multiplayer frisch anfühlt, aber die Crews sind der große Unterschied zwischen den Online-Modi von Disintegration. Im Moment können wir eine von neun Banditenbanden spielen und sie alle haben ihr eigenes Aussehen (die „Lost Ronin" erinnern zum Beispiel an Samurais). Bei der Wahl der Klasse werden uns alle Dinge vorgegeben, vom Loadout der Grav-Cycle über die Crew-Fähigkeiten bis hin zum empfohlenen Spielstil. Mein persönlicher Favorit sind „The Business", eine Gruppe von Gangstern, die mit Gewehren, einer Schrotflinte und einer Reihe von Fähigkeiten ausgestattet sind, um feindliche Grav-Cycles schnell vom Himmel zu holen. Die Crews haben zwar ihren eigenen Stil, können jedoch auch angepasst werden, damit das alles etwas persönlicher wirkt. Farbschemata und das Erscheinungsbild des Piloten lassen sich beispielsweise optimieren und unser Grav-Cycle tunen wir mit ungewöhnlichen Anhängern auf. Die Teile werden mit abgeschlossenen Herausforderungen oder mit der In-Game-Währung freigeschaltet.

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Insgesamt sorgen die verschiedenen Aspekte dafür, dass die Kampagne von Disintegration eine runde Sache ist.

Es mag ein wenig viel erscheinen, FPS und RTS zusammenschweißen zu wollen, insbesondere in einem Online-Spiel, aber es funktioniert gut. Das taktische Element fühlt sich nicht übertrieben an und die Einzelspielerkampagne ist mit ihrem insgesamt stärkeren Strategiefokus eine sehr schöne Vorbereitung für den Online-Spaß. Wenn man es als Gesamtpaket betrachtet, dann ist der Online-Modus im Wesentlichen ein Helden-Shooter in der Luft mit einer Prise Echtzeitstrategie. Die Wahl der Crew ist wie mit der Wahl eines Helden vergleichbar und die bestimmen ja auch über den Spielstil. Das Strategieelement ist einfach da, damit Leute noch besser und effektiver werden und wir um etwas kämpfen können. Im Wesentlichen ist das die Formel von Disintegration und die Entwickler machen deutlich, dass ihr Experiment eine Multiplayer-Zukunft haben wird, solange sich die Fans finden. Einige Knicke müssen jedoch noch ausgebügelt werden, beispielsweise gibt es insgesamt zu schwache Waffentypen.

In der Gesamtheit ist Disintegration jedoch ein guter Ausgangspunkt für ein interessantes Franchise. Der Einzelspieler macht Laune, obwohl die Geschichte und gerade das Thema der Charakterentwicklung noch etwas zu locker ausfallen. Zumindest haben wir viele Möglichkeiten dazu, Missionen nachträglich noch einmal zu wiederholen. Die Online-Modi hingegen bieten großes Potenzial mit einem interessanten Klassensystem, einer Vielzahl an Spielmodi und der richtigen Balance zweier, normalerweise widersprüchlicher Genres. Man kann den Einfluss von Halo deutlich spüren und mit ein wenig Feintuning könnte Disintegration ebenfalls aus der Masse herausstechen. Diese frische Idee sehen wir jedenfalls als gutes Zeichen für die Zukunft an - ich freue mich auf mehr.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
interessante Verwendung zweier Genres, ausgewogen umgesetzt, solides Gameplay, der Mehrspielermodus bietet großes Potenzial und macht viel Spaß.
-
Story könnte etwas mehr Handlungs- und Charakterentwicklung vertragen, einige der Online-Funktionen könnten schon jetzt optimiert werden.
overall score
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