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Enemy Front

Enemy Front

Dumme Nazis sind dumm. Einfache Erkenntnis, die einem die Künstliche Intelligenz dieses Weltkriegsshooters wieder einmal glasklar beweist.

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Im Zweiten Weltkrieg angesiedelten Shootern konnte man vor wenigen Jahren noch so wenig aus dem Weg gehen, wie heute den allgegenwärtigen Zombie-Games. Viele Serien wurden aber mittlerweile eingestellt oder haben sich neuen, moderneren Szenarien zugewandt. Trotzdem: Es gibt sicher viele Shooter-Freunde, die das Zielen über Kimme und Korn dem Gadget-Wahnsinn mit Drohnen, Nachtsichtgeräten und um die Ecke schießenden High-Tech-Knarren vorziehen.

Die Genre-typischen flachen Plots versucht der polnische Entwickler CI Games mit einer Geschichte um den US-Kriegberichterstatter Hawkins zu vermeiden. Der Soldat berichtet aus Warschau vom Aufstand der polnischen Heimatarmee gegen die deutschen Besatzer. In Rückblenden wird Hawkins' Wandlung vom Beobachter zum Widerstandskämpfer erzählt und bietet gleichzeitig den Rahmen für verschiedenste Schauplätze in ganz Europa.

Neben Warschau verschlägt es den Kriegsberichterstatter in die ländlichen Gebiete Frankreichs, nah der schweizerischen Grenze oder an die norwegische Küste. Die Metamorphose zum Widerstandskämpfer lässt natürlich nicht lange auf sich warten - Enemy Front ist schließlich ein Shooter - und der hat viel gemeinsame DNA mit der Sniper: Ghost Warrior Reihe die vom gleichen Entwickler stammt. Der Fokus auf Scharfschützen-Action ist weggefallen, aber die Ähnlichkeiten sind nicht zu übersehen.

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Ob mit brachialer Gewalt, mit leisem und taktischem Infiltrieren oder einer Mischung aus beidem - die Möglichkeiten sind da, obwohl die Level unterschiedlich offen gestaltet sind.

Man hat in den Level tatsächlich die freie Wahl bei der Vorgehensweise. Ob mit brachialer Gewalt, mit leisem und taktischem Infiltrieren oder einer Mischung aus beidem - die Möglichkeiten sind da, obwohl die Level unterschiedlich offen gestaltet sind. Die Häuserkämpfe in Warschau, in denen häufig Positionen gehalten oder gestürmt werden müssen, bieten diese Freiheit selten. Aber die Außenlevel im verschneiten Gebirge oder auf den Feldern Frankreichs sind ein kleiner Spielplatz.

Auf dem gelten allerdings Regeln. Die Knarren sind immer vorgegeben, man darf meist eine von zwei Waffen wählen, die sind aber kaum auf unterschiedliche Vorgehensweisen ausgelegt. Übel streuende Uzi oder Schrotflinte - da bleibt der Nahkampf die einzige Option. Gerade schallgedämpfte Waffen stehen selten zur Verfügung. Die Schleichmechanik macht allerdings viel Spaß. Eine schlichte Sichtbarkeitsanzeige in Verbindung mit farblich kodierten Einheiten auf der Minimap sind die einzige Hilfe. Keine Infrarot-Sicht, keine rot markierten Gegnerumrisse und auch keine viel zu offensichtlichen Lüftungsschächte.

Unser Fernglas markiert die Gegner mit einem kleinen Pfeil - dann bleiben nur noch Steinwürfe zur Ablenkung - und das Messer. So kann Enemy Front richtig viel Spaß machen, aber die effektivste Methode ist leider stumpfes Geballer. Klar, die Nazis sind Idioten, aber die Wehrmacht in Enemy Front ist wirklich zu einfach gestrickt. Man sucht sich etwas Deckung, fängt an auf die Nazis zu ballern und schon eilt das Kanonenfutter herbei und macht Kniebeugen hinter irgendwelchen Holzkisten. Da sind die riesigen Außenareale schnell leergefegt und man kann gemütlich durch die idyllische Landschaft zum nächsten Checkpoint stiefeln. Die wiederum nerven gewaltig, wenn man doch mal das Zeitliche segnen sollte und lassen einen geskriptete Szenen immer wieder neu erleben.

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Enemy Front
Die dümmliche K.I. der Wehrmachtssoldaten untergräbt das eigentlich nette Leveldesign.

Es ist leider viel zu einfach, Enemy Front zu verreißen. Die Idee um den Kriegsberichterstatter wird nicht mal im Ansatz vertieft, die Dialoge bestehen aus grauenhaft flachen Durchhalteparolen und die Zwischensequenzen können trotz Lensflare-Geballer und diversen Effekten nicht die miese Auflösung und die gigantischen Artefakte verstecken. Die dümmliche K.I. der Wehrmachtssoldaten untergräbt das eigentlich nette Leveldesign. Dazu kommen noch kleinere Bugs, insbesondere bei der deutschen Übersetzung. Im verschneiten Hochgebirge sollen wir eine Straßenbahn erreichen - von der wird im Verlauf des Level immer wieder geredet - doch letztlich steigen wir dann irgendwann in eine Seilbahn. Oder wir verschließen nach einem Abschnitt eine Tür hinter uns und liefern uns Feuergefechte mit dem Gegner, um plötzlich in einer erzwungenen Zwischensequenz genau diese Tür erneut aufwändig zu verriegeln.

Es ist so unglaublich schade, denn das Leveldesign und die Szenarien sind abwechslungsreich und das freie Vorgehen kann richtig viel Spaß machen. Wer Enemy Front wirklich spielt und nicht nur die Schwächen der K.I. ausnutzt, wird mit spannendem Gameplay und vielen Freiheiten belohnt.

Der Multiplayer von Enemy Front ist natürlich mit den wenigen Karten, den zwei unvermeidlichen Deathmatch-Varianten und einem Eroberungsmodus um Radio-Relais-Stationen nicht mehr als ein kleiner Bonus. Die Kampagne kann man auf mittlerem Schwierigkeitsgrad locker in acht Stunden durchhetzen, aber wer sich die Zeit nimmt und wirklich mit den Möglichkeiten spielt - gerne auch auf einer höheren Schwierigkeitsstufe - kann trotz der vielen Kritikpunkte ein intensives Shootererlebnis haben.

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06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
abwechslungsreiche Szenarien, teilweise große und detailreiche Karten mit vielen Möglichkeiten, schöne und schlichte Spielmechanik
-
verschenktes Potential bei der Handlung, schwache K.I. der Gegner, miese Auflösung und riesige Artefakte in den Zwischensequenzen
overall score
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