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Eyepet

Eyepet

Sony bewegt sich erneut auf Eyetoy-Pfaden und bringt mit Eyepet ein virtuelles Haustier auf den Markt. Doch wie viel Liebe kann einem nicht existenten Lebewesen geschenkt werden?

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Kinder machen eine Menge Arbeit. Sie wollen Aufmerksamkeit, rauben uns den letzten Nerv und kosten Geld. Im Gegenzug schenken sie uns nicht mehr, aber auch nicht weniger als ihre Liebe. Sie geben das Gefühl gebraucht zu werden, wird von ein paar Lebensabschnitten mal abgesehen. Spannend ist, dass die kleinen Racker selbst schon in frühem Kindesalter gerne Eltern wären. Da wird Puppen gespielt, Mutter-Vater-Kind ausprobiert und auch ein dreijähriges Gör wird beteuern, dass es kein Baby mehr ist, sondern schon groß sei.

Haustiere machen das nicht, erfüllen aber ansonsten einige der eben genannten Funktionen. Ja, manchmal scheinen auch Katzen und Hunde zu menscheln, wenn sie clever ihren eigenen Kopf durchsetzen wollen. Wie für ein Kind muss aber auch für ein Haustier Verantwortung übernommen werden. Und auch wenn sich so manches Mädchen vielleicht nichts sehnsüchtiger wünscht als ein Pony, überfordern die damit verbundenen Pflichten die meisten. Da wäre es doch unglaublich praktisch, wenn die Konsequenzen überschaubar bleiben würden. Verantwortung auf Probe, mit Eyepet scheint das möglich.

Bevor die Interaktion mit dem affenartige Tierchen losgehen kann, muss jedoch der Raum auf die Ankunft des neuen Familienmitglieds vorbereitet werden. Nach Videoanleitung werden Möbel gerückt, für ausreichend Licht gesorgt und die Kamera, das Playstation Eye, richtig platziert. Ich hatte Glück, dass ich an diesem Wochenende ganz alleine zu Hause war. So entging ich leidigen Diskussionen inklusive mittelschwerer Beziehungskrise wegen des produzierten Chaos im Wohnzimmer.

Dann erschien ein Ei auf dem Bildschirm, der den Boden vorm Fernseher zeigt. Ein Tisch, wie auf vielen Bilder zu sehen, ist nämlich gar nicht nötig. Eine kleine Karte, die Magic Card, projiziert auf wundersame Weise ein Wärmestrahler. Ein wenig beruhigt mich diese Technik. Ich hatte schon Angst, das Ding allein ausbrüten zu müssen. Nach einigem nervösen Hin- und Hergeschiebe der Bruthilfe scheint sich im Ei endlich etwas zu regen. Kippen, Stupsen, Klopfen. Erste Kommunikation ganz ohne Sichtkontakt. Irgendwann bricht es aus, das Ding. Es wird Mopsi getauft.

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Hilflos liegt es da und erwartet seine erste Mahlzeit mittels Zauberkarten-Fläschen. Niemand würde ihm die verweigern, viel zu sehr appelliert das gezeigte Motiv an niederste Beschützerinstinkte. Brav erfülle ich weiter die mir via Video gestellten Aufgaben: füttern, streicheln, waschen, spielen. Die trübe Wintersuppe draußen erschwert meinen Einsatz unnötig. Zu allem Überfluss scheint die Farbe des Parketts der meiner Hände gar nicht so unähnlich zu sein. Ein Königreich für eine Flutlicht-Anlage. Verdammte Energiesparlampen.

Mopsi ist inzwischen schon ganz süß. Es trägt kurzes, rosafarbenes Fell mit weißen Kuhflecken, das Kopfhaar etwas krause und deutlich länger. So wirklich hübsche Kostüme gibt es noch nicht, dazu muss ich wohl erst noch ein paar Aufgaben erfüllen. Über einen Zeitraum von fünfzehn Tagen gibt's davon täglich vier. Und der erste Tag ist schnell mit Bravour absolviert. Sogar das aktuelle Befinden habe ich schon an das Eyepet-Labor weitergeleitet. Jetzt könnte ich mein Haustier noch ein wenig pflegen, die Konsole ausschalten und auf den nächsten Tag warten.

Warten. Das ist ja eher nicht so mein Fall. War es noch nie und wird es auch nie sein. Und deswegen ist es völlig logisch, dass ich die nächsten verfügbaren Tage gleich mitmache. Es gibt dann unter anderem auch ein neues Spielzeug, dass ich mit der Zauberkarte nutzen kann. Bowling mit Mopsi als lebendige Kugel ist super. Nein, kein Fall für den Tierschutzbund. Das kleine Fellknäuel hat sichtlich Freude am Spiel. Auch das von mir gemalte und in die Kamera gehaltene Auto zeichnet er nach ein bisschen Übung gerne ab. Und Schwuppdiwupp verwandelt es sich in ein Spielzeug-Auto im Spiel, dass ich steuern kann. Auf die gleiche Weise zeichnet Mopsi auch Roboter, Ballons und Flugzeuge. Wie das klappt, ist schon ein bisschen beeindruckend.

Jeder Tag fordert uns außerdem zu einer Fotoaufgabe heraus. Hierfür muss Mopsi oft ein bestimmtes Outfit verpasst bzw. Anpassungen am Äußeren vorgenommen werden. Danach gilt es, ein Foto in einer bestimmten Situation zu schießen. Alle im Foto-Modus gemachten Bilder dürfen exportiert und somit außerhalb des Spiels verwendet werden. Ich weiß nur noch nicht, wem ich die peinlich entlarvenden Bilder zur Verfügung stellen sollte?

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Für die Schmetterlingsaufgabe sind Mopsi und ich in den Garten gegangen. Ich habe die Stelle im Beet markiert, an der Mopsi graben soll. Tulpen-Samen mittels der magischen Karte einsetzen und gießen. Und siehe da, ein Schmetterling schaut vorbei. Da der rosa Fellball aber einen Blumenhut aufhat, setzt sich der Falter dort auf der Nase nieder. Klick! Das ist mein Motiv. Unfassbar niedlich dieser Gesichtsausdruck.

Irgendwann darf ich jedoch nicht mehr. Das Programm verweigert mir seinen Dienst, frische Aufgaben bereitzustellen. Irgendwas faselt der alte Mann im Video von "begrenzter Aufnahmebereitschaft". Der kann aber kaum mein kleines Mopsi meinen, denn das ist plumpsfidel. Außerdem wurde es bereits in den Schlaf gestreichelt und hat Nickerchen gehalten. Sogar von mir geträumt hat es. Nein, Mopsi geht es bestens. Mopsi will spielen. Ok, Eyepet, du willst es nicht anders. Ich muss ich betrügen. Spiel verlassen. Datum einen Tag vorstellen. Zurück ins Spiel. Yeah, weiter geht's!

So plätschert Eyepet dahin. Medaillen sammeln, dazu neue Kleidungsstücke und Spielzeuge. Das Waschen habe ich nur noch einmal gemacht, weil eine Trophäe in Aussicht stand für besonders schnelle Erledigung. Klar, die Fliegen sind ein sicheres Zeichen von Verwahrlosung, aber weil Mopsi so beschäftigt ist, kann er sich gar nicht beschweren. Sowieso gibt es erstaunlich wenige Konsequenzen im Spiel. Bei Hunger kratzt Mopsi mit der Pfote in die Luft und verzieht Oscar-verdächtig schlimm leidend sein Gesicht. Sterben würde Mopsi allerdings nicht, und ein Tierheim für vernachlässigte Eyepets existiert auch nicht.

Ich gebe zu, dass es eine viel zu verstörendere Vorstellung wäre, wenn ein Kind freudig Eyepet spielt und plötzlich erfährt, dass der kleine Kerl einfach so hops gegangen ist. Aber irgendein Bewertungssystem, das meine bösen Phantasien durch den Leistungsanspruch ersetzt, hätte mit Sicherheit manche Schandtat verhindert. Zum Beispiel, dass es mir eine Freude war, beim Trampolinsprung im letzten Moment die Hand auf die magische Karte zu legen, damit es verschwindet und Mopsi auf dem Boden landet. Ja, ich weiß, das ist wirklich böse.

Ich fühle mich jedoch auch getrieben, das Spiel herauszufordern. Es soll mir Grenzen aufzeigen. Wäre ja auch für Eltern unpraktisch, wenn sie immer ein Auge auf ihre Kinder haben müssten, damit sie nicht eine falsche Vorstellung von so einem Haustier bekommen.

Aber vielleicht übertreibe ich auch und erwarte viel zu viel von einem Spiel, dass rund 30 Euro kostet. Technisch gesehen ist Eyepet sehr fein, obwohl noch immer sehr viel Licht für eine wirklich korrekte Funktion erforderlich ist. In den sieben verschiedenen Minispielen ist nicht immer kinderleicht eine Goldmedaille gewonnen. Und obwohl es unglaublich dämlich aussehen muss, wie jemand vor dem Fernseher sitzt und seine Fingerspitzen in der Luft fächelt, weil er ein ein im Grunde nicht existentes Lebewesen streichelt, saß auch ich da und habe es gemacht.

Ich war Mopsi böse, weil sich das possierliche Monster nicht immer kooperationsbereit zeigte und hab mich auch tatsächlich mit ihm gestritten. Es wäre also gelogen, zu behaupten, es würde nicht funktionieren oder mache überhaupt keinen Spaß. Aber Eyepet ist einfach eine ganz andere Kategorie von Spiel. Es ist wohl in erster Linie für Kinder gemacht. Erwachsene kommen erst an zweiter Stelle. Das zumindest legen Komplexität und Umfang nahe.

Eyepet glänzt durch seine simple Interaktion, die allerdings Platz, Licht und eben eine PS3 erfordert. Ein Tamagotchi bot da einen einfacheren Zugang, wenngleich die beiden Konzepte aufgrund von Umfang und Technik kaum vergleichbar sind. Aber am Ende zählt auch das: Warum sollte ich die Konsole einschalten? Welche Langzeitmotivation bietet das Spiel, nachdem es einmal ausprobiert wurde? Für Kinder ist es sicherlich Spitzenunterhaltung und uneingeschränkt empfehlenswert, alle anderen sollten sich das gut überlegen.

Vielleicht hilft auch einfach abwarten. Schließlich wird das Spiel wohl auch erweitert werden. Kleidungstücke und ähnliches sind bereits fest für den Playstation Store eingeplant, aber auch neue Spielelemente wird es wohl mit kommenden Versionen geben. Vielleicht mausert sich dann das Produkt und bleibt nicht auf einer Entwicklungsstufe stehen wie mein Mopsi.

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07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
unglaublich niedlich, Spiele sind kurzweilig
-
benötigt viel Licht, fühlt sich für Erwachsene eher wie eine Technik-Demo an
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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