FIFA Fußball Weltmeisterschaft Südafrika 2010

Fußball-mäßig war das irgendwie nicht meine Woche. Zuerst fliegt am Mittwoch der FC Barcelona aus der Champions League, dann steigt am Wochenende meine Hertha endgültig ab. Vielleicht ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, um sich FIFA Fußball Weltmeisterschaft Südafrika 2010 anzuschauen. Ein bisschen Ablenkung. Etwas Vorfreude auf die kommende WM holen. Das Spiel kommt mit einigen neuen Features und möchte damit einige Neulinge ins Genre holen. Ich bin gespannt.

Herzstück von FIFA Fußball Weltmeisterschaft Südafrika 2010 ist natürlich der WM-Modus, dessen Menü wie eine Website der FIFA aufgemacht ist. Hier lässt sich die kommende WM nach dem offiziellen Spielplan im Voraus spielen. Also die echten Vorrundenpaarungen in den dazugehörigen Stadien. Wer darauf keine Lust hat, oder nach dem Durchspielen etwas Abwechslung braucht, der kann mit den Mannschaften seiner Wahl sein eigenes Turnier zusammenstellen.

Dazu stehen nicht nur die für die WM qualifizierten Teams, sondern alle 199 Mannschaften zur Wahl, die an der Qualifikation teilgenommen haben. Das gilt natürlich nicht nur für den WM-Modus, sondern auch für Freundschaftsspiele. Hier sind zusätzlich zu den zehn WM-Stadien noch knapp 40 Arenen aus der ganzen Welt am Start. Darunter auch das Santiago Bernabeu, in dem der FC Barcelona leider nicht seinen Champions League-Titel verteidigen wird und das bald Erstliga-freie Berliner Olympiastadion.

Die Mannschaftswahl bei Freundschaftsspielen ist denkbar hübsch gestaltet. Mittels Analog-Sticks steuern wir einen Cursor auf einer Weltkugel und hüpfen auf Wunsch von Kontinent zu Kontinent. Befindet sich der Cursor über einem Land, sind über ein kleines Fenster zusätzliche Informationen über das Land abrufbar. Neben einigen Fakten und der Nationalhymne bietet das Fenster sogar aktuelle Nachrichten über das dortige Fußballgeschehen.

Ein weiterer wichtiger Modus ist der "Mannschaftskapitän". Hier versucht EA das Prinzip des Be-a-Pro-Modus aus den üblichen FIFA-Titeln (PES-Jünger kennen es als "Werde zur Legende") auf den Nationalmannschaftsbereich zu übertragen. Mit mäßigem Erfolg. Ein Karrieremodus macht außerhalb der Vereine schlichtweg wenig Sinn. Trotzdem ist es gut, dass es diesen Modus gibt. Ein Spiel, dessen Aktualität nach einem Monat WM praktisch verpufft, sollte sich um einen möglichst großen Umfang bemühen. Damit wären wir beim nächsten Thema.

Hinter dem Menüpunkt Geschichte der Qualifikation verbergen sich Fußballszenarien aus der Qualifikation dieser WM, die einige Schlüsselpartien neu aufleben lassen. Das passiert nach folgendem Schema: Es ist Minute soundso, das eigene Team liegt gegen Land Hastenichgesehen X zu Y hinten und es liegt an uns dieses Spiel zu gewinnen, um der Elf den Weg zur WM zu bahnen. Trotz meiner anfänglichen Gräuel gegen dieses Feature, die Umsetzung ist ein sehr interessanter Ansatz.

Während der WM werden noch einige Szenarien aus dieser Endrunde hinzukommen. In dieser Hinsicht bleibe ich bei meinem Standpunkt: Drei Stunden nach einem verlorenen Finale setze ich mich nicht vor die Konsole, um mich zu trösten. Fußball ist kein Sport der Konjunktive, lautet eine große Weisheit. Die Idee, historische Matches nachzuspielen, die ist weitaus interessanter. Umso besser, dass auch Szenarien aus der WM 2006 freischaltbar sind. Wem diese Modi als Zeitvertreib nicht genügen, der kann sich letzten Endes noch online austoben.

Optisch macht FIFA Fußball Weltmeisterschaft Südafrika 2010 einiges her, oder besser gesagt, das versucht es zumindest. Der Stadioneinlauf der Mannschaften wird selbst bei Vorrundenspielen von reichlich Konfetti-Regen und Feuerwerk begleitet und Zwischensequenzen zeigen neben den Mannschaften auch Trainer und Fans in Nahaufnahme. Allerdings kommt trotz des Farbspektakels nur wenig WM-Atmosphäre rüber. Irgendwie fehlt den Bildern das epische, das solche Partien in vollen Stadien ausstrahlen.

Dazu ist die Umsetzung an vielen Stellen mangelhaft. Die Jubelszenen der Spieler wirken hölzern und Animationen in Zwischensequenzen sind ungelenk. Dazu sind viele Cutscenes einfach unscharf, als wolle man damit etwas kaschieren. Die gelegentlich gezeigten Fans wirken eher so, als wären hier einige bunt bemalte Jugendliche auf einem LSD-Trip versehentlich in ein WM-Spiel geraten. Der diabolische Gesichtsausdruck der Anhänger bei strittigen Schiedsrichterentscheidungen bereitet mir immer wieder Angst.

Beim Design der Spieler gibt es Licht und Schatten, was sich an der deutschen Elf sehr gut ablesen lässt. Manche Spieler, wie beispielsweise Marko Marin, sehen ihrem realem Vorbild verblüffend ähnlich, andere dagegen sind schlicht verunstaltet. Beim Anblick von Stefan Kiesling werde ich unweigerlich an den Film Der Exorzist erinnert und dem Herthaner Arne Friedrich ist der Unmut über den Abstieg an den extrem deformierten Gesichtszügen abzulesen.

Die Spielsteuerung ist gelungen, orientiert sie sich doch an der ebenso gelungenen Steuerung von FIFA 10. Kurz gefasst: PES-Jünger müssen sich etwas umgewöhnen, FIFA-Fans fühlen sich sofort zuhause. Die neue Elfmeter-Steuerung ist aus Torhüter-Perspektive eine schöne Neuerung, die einiges an Lebensnähe transportiert. Für den Schützen allerdings, der für das richtige Timing auf einen rot-grünen Balken achten muss, haben Strafstöße nun eher Mini-Game-Charakter.

Die angepriesene Zwei-Tasten-Steuerungen, mit der Neulinge angelockt werden sollen, ist eine gute Idee und in diesem Spiel auch gut umgesetzt - auch wenn die optional nutzbaren R- und L-Tasten sie eher zu einer Sechs-Tasten-Steuerung machen. Sinnvoll ist der Einsatz dieser Steuerung allerdings nur bei einem Spiel gegen die CPU oder wenn mehrere Neulinge gegeneinander spielen. Erfahrene Spieler würden sich wie im Gefängnis fühlen und zwei Tasten haben gegen ein komplettes Gamepad ohnehin einfach keine Chance.

Der Soundtrack verdient eigentlich nur ein Prädikat: geil. Die 30 Tracks sind ein kleiner Rundumschlag schwarzer Kultur, nicht nur aus Afrika. Neben jamaikanischen Reggae-Klängen und Weltmusik finden sich viele Sounds afrikanischer oder afrikanisch-stämmiger Musiker, die hierzulande eher unbekannt sind. Diese Mischung macht jedenfalls Lust auf Party, Fußball und WM.

Nett ist, dass die Kommentatoren uns mit zusätzlichen Informationen über die WM, die Teams und die Stadien versorgen. Zwar agieren Tom Bayer und Sebastian Hellmann gelegentlich etwas lustlos, der Kommentar aber wirkt, wie auch bei FIFA 10, trotzdem einfach rund. Was optisch nicht gelingt, klappt immerhin akustisch: Die Stadionatmosphäre ist toll, Jubelschreie der Fans sind sehr überzeugend. Ein paar Fangesänge mehr hätten es vielleicht noch sein können. Sonst gibt es nichts zu mäkeln.

FIFA Fußball Weltmeisterschaft Südafrika 2010 ist ein gutes Fußballspiel, dass nur an der schwachen Präsentation krankt. Das ist wirklich schade, denn hier wurden Möglichkeiten vergeudet. Die vielen Modi werden das Spiel sicherlich auch über die WM hinaus interessant halten. Wer bereits ein aktuelles FIFA oder PES besitzt, wird dieses Spiel nicht brauchen. Der Kauf ist für Nichtbesitzer sinnvoll, die der WM entgegenfiebern. Meine persönliche Vorfreude auf das Turnier hat das Spiel trotzdem gesteigert. Abstieg hin oder her.