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Grand Ages: Medieval

Grand Ages: Medieval

Handelssimulationen wie Patrizier und Port Royale sind die Spezialität von Gaming Minds. Dem Rezept wurde nun eine strategische Komponente hinzugefügt.

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Als Kalypso im Sommer vor zwei Jahren Rise of Venice ankündigte, war ich etwas enttäuscht. Entwickler Gaming Minds hatte ein paar interessante neue Spielmechaniken im Gepäck. Im Kern aber handelte es sich lediglich um ein Update der bekannten Handelssimulation mit einem frischen Anstrich. Bei einer Präsentation damals fragte ich Creative Director Daniel Dumont, wann es endlich einen echten Schritt nach vorn geht. Der verteidigte natürlich die neuen Elemente, kündigte aber auch an, dass es mit dem nächsten oder übernächsten Spiel endlich auf zu neuen Ufern gehen würde. Nun bin ich wirklich froh, dass die Wartezeit relativ kurz ausgefallen ist. Grand Ages: Medieval fügt eine strategische Komponente hinzu, die das bekannte Konzept endlich erneuert.

Tatsächlich steckt auch in dem neuen Spiel noch immer ein Waren- und Wirtschaftskreislauf, wie er bereits in den bisherigen Spielen zum Einsatz kam. Diesmal gibt es zwanzig Waren, die wir produzieren und damit handeln können. Die Hälfte ist überall verfügbar, die anderen sind bunt über die gesamte Karte verteilt. Und keine einzige ist regional spezifisch. Gehalten hat man sich nur grob an natürliche Vorkommen. Kohle und Metalle gibt es im Gebirge. Fisch lediglich am Meeres- oder Flussufer. Wein beispielsweise kommt nur in Hanglage vor. Schade ist allerdings, dass dieser beispielsweise auch weit im Norden zu finden ist. Ein bisschen mehr Realismus wäre wünschenswert gewesen. Und damit kein Startpunkt auf der Karte echte Nachteile hat, hätten die Vorkommen je nach Lage zumindest mehr oder weniger effektiv ausfallen können.

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In Sachen Wirtschaft und Handel bleibt Grand Ages: Medieval also übersichtlich und leicht.
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In jeder Stadt zwischen Skandinavien und Nordafrika können wir bis zu fünf Güter auswählen, die dort in Betrieben produziert werden können. Theoretisch reichen also vier gut ausgewählte Städte, um alle Waren aus dem Wirtschaftssystem abzudecken. Berücksichtigen müssen wir nur, dass manche gleichzeitig auch Rohstoffe sind und entsprechend mehr produzieren. Damit lassen sich die Bedürfnisse der Bevölkerung zufriedenstellen und wir können für eine hohe Zufriedenheit auch hohe Steuern kassieren. Essenziell ist grundsätzlich allerdings nur die Versorgung mit Nahrung, da unsere Stadt sonst eine Hungersnot erleidet. Für den Transport zwischen Städten richten wir Handelsrouten ein, die entsprechend Angebot und Nachfrage auch automatisiert Waren kaufen und verkaufen können oder manuelle Einstellungen vornehmen.

In Sachen Wirtschaft und Handel bleibt Grand Ages: Medieval also übersichtlich und leicht. Die Zahl der Waren ist kleiner als noch im Vorgänger und es gibt wenig komplexe Herstellungsketten. Lediglich Kleider und Prunk brauchen fünf Betriebe und auch das lässt sich mit etwas Glück in einer Stadt herstellen. Dazu kommt das Fehlen einer regionalen Spezialisierung. Zwar steigt mit der Zahl der Städte auch der Anspruch und diese wird sehr deutlich zweistellig, aber Profis werden sich wahrscheinlich trotzdem kaum gefordert fühlen. Insbesondere für das mehrmalige Spielen fehlt es an Varianz bei der Strategie. Womöglich bringen kommende Erweiterungen oder auch Updates etwas mehr Tiefe ins Spiel.

Der Handel mit Nachbarländern und Stadtstaaten bringt zusätzliches Geld und verbessert die Zustimmung in der jeweiligen Stadt, mit der wir handeln. Lassen wir dem Herrscher zusätzlich noch genug Gold oder Waren zukommen, um unsere Sympathie zu erhöhen, können wir eine Stadt auch übernehmen. Das wäre eine friedliche Lösung für einen Sieg. Doch auch mit Schwertkämpfern, Kavallerie und Bogenschützen können wir Städte belagern und dann erobern. Die Besonderheit hierbei ist, dass unser Heer immer von der nächstgelegenen eigenen Stadt versorgt werden muss. Mit einem riesigem Aufgebot an Truppen können wir also nicht einfach munter von Stadt zu Stadt ziehen und sie einnehmen, sondern müssen strategisch vorgehen.

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Grand Ages: MedievalGrand Ages: Medieval
Grand Ages: Medieval besteht aus einer Kampagne, einem freien Spiel und einem Mehrspielermodus für bis zu acht Spieler.

Die fehlenden regionalen Unterschiede bei den Waren gibt es dafür aber bei den Truppen, auch wenn diese historisch nicht wirklich korrekt sind. Besondere Einheiten mit speziellen Boni lassen sich nur in bestimmten Regionen rekrutieren. Wer ein möglichst effektives Heer haben möchte, muss also breit aufgestellt sein. Was übrigens leider fehlt, ist die Möglichkeit, ein Bataillon zusammenstellen. Nervig sind außerdem ständig wiederkehrende Banditen und wilde Tiere, die unsere Händler überfallen. Zwar lassen sich an solchen Stellen kleine Festungen bauen, die wir mit Fernkampfeinheiten besetzen können, doch auch diese Einheiten werden mit der Zeit dezimiert. Soldaten erholen sich nur in Städten. Irgendwann bekommen wir also wieder eine lästige Nachricht, dass es zu einem Überfall kam.

Als dritte Komponente gibt es rudimentär etwas Städtebau und Forschung. Wir können in der Stadt neben dem Betrieb unter anderem auch ein Lager und eine Kaserne errichten. Mit kirchlichen Gebäuden erhöhen die mögliche Bevölkerungszahl, die aber auf 15.000 Einwohner gedeckelt bleibt. Diese Zahl ist wichtig, wenn es um die Zahl der möglichen Arbeiter geht und um die maximale Truppenstärke, die darüber hinaus noch versorgt werden kann. Je größer unsere Städte und die Zahl der Einwohner ist, desto höher steigt unser Rang. Und mit jedem Rang gibt es Forschungspunkte für Verbesserungen bei Infrastruktur, Produktion und Militär.

Grand Ages: Medieval besteht aus einer Kampagne, einem freien Spiel und einem Mehrspielermodus für bis zu acht Spieler. Für den Einstieg empfiehlt es sich, einmal die Kampagne durchzuspielen. Sie erzählt die Geschichte über den jungen Herrscher Leon Vasselios, der sich in die Tochter des Kaisers von Byzanz verliebt hat. In mehreren Missionen werden uns nach und nach alle Funktionen und Mechaniken erklärt. Dazwischen gibt es kurze Sequenzen, um die Geschichte voranzubringen. Am Ende geht das gelenkte Spiel in den freien Modus über. Es eignet sich also tatsächlich perfekt für den Start in Grand Ages: Medieval, um zunächst die wichtigsten Tricks und Kniffe zu lernen und erst dann ins reguläre Getümmel zu stürzen.

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Grand Ages: MedievalGrand Ages: Medieval
Die passive und verhaltene Künstliche Intelligenz lockt uns kriegerisch nur selten aus der Reserve.

Im freien Spiel können wir außerdem auswählen, welchen Teil der Karte wir spielen wollen. Die Ausschnitt lässt sich etwa auch auf Osteuropa oder die klassische Hanse beschränken. Wirklich spannend wird die Mischung aus Handelssimulation und Strategiespiel aber erst im Multiplayer. Die passive und verhaltene Künstliche Intelligenz lockt uns kriegerisch nur selten aus der Reserve, selbst wenn sie ansonsten sehr expansiv vorgeht. Und auch bei der Diplomatie lässt sich so ziemlich alles mit Geld regeln. Noch dazu scheint vieles mit zu wenigen Parametern geregelt zu sein. Gegner achten zwar darauf, wie viel Geld wir haben und fordern entsprechend viel, wenn wir vermögend sind. Die politische Lage und das Machtgefälle spielen aber scheinbar weniger eine Rolle.

Grand Ages: Medieval ist überraschend gut darin, Handel und Strategie miteinander zu verbinden. Es macht Spaß, die Bedürfnisse der Städte zu erfüllen und gleichzeitig das Militär und seine Versorgung im Blick zu haben. Es ist ein neuer und vor allem interessanter Aspekt für das eigene Spielprinzip. Leider gibt es trotzdem noch einige Baustellen. Der Handel und die Produktion wurden vereinfacht, damit wir uns zusätzlich auf den übergeordneten Strategieteil konzentrieren können. Der allerdings ist ebenfalls recht simpel ausgefallen und vor allem die Künstliche Intelligenz ist im Vergleich zu Spielen wie Civilization: Beyond Earth ziemlich lächerlich.

Trotzdem bin ich froh, dass Gaming Minds die Herausforderung angenommen und die Komfortzone verlassen hat. Grand Ages: Medieval macht spielerisch viel richtig und auch die Präsentation ist hübsch. Obwohl viele Elemente mehr Tiefe und Detail vertragen könnten, ist keines überflüssig oder nervt. Ein paar Schnitzer werden sicherlich noch mit Updates behoben, wie das bei Spielen von Kalypso üblich ist. Für andere ist mehr Arbeit nötig. Doch der Weg stimmt. Und so ist es in der bisherigen Form vor allem ein guter Ersatz für all jene, denen die Spiele von Paradox und Creative Assembly zu komplex geworden sind. Gleichzeitig dürften sich aber eben Profis womöglich noch unterfordert fühlen.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Mischung aus Handelssimulation und Strategie, nette Kampagne, hübsche Grafik
-
einzelne Elemente zu seicht, relativ wenig Waren, Künstliche Intelligenz deutlich zu schwach
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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