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Guild Wars 2

"Guild Wars 2 bietet viel Tiefe"

Mit Guild Wars 2 halst sich Arenanet die gefährliche Aufgabe auf, die bisherigen MMORPG-Konventionen auf den Kopf zu stellen. Mike O'Brien erklärt im Gamereactor-Interview, was seiner Meinung falsch läuft im Genre, und wie sein Studio die Fehler nun beheben will.

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Der Entwickler Arenanet hat vor kurzem in seinem Manifest dazu aufgerufen, neue Wege im MMORPG-Genre zu beschreiten. Das Manifest in Video-Form findet sich am unteren Ende dieses Interviews. Wir haben mit dem Arenanet-Mitgründer Mike O'Brien und dem Guild Wars 2-Chefdesigner Eric Flannum über die Gründe ihres Aufschreis gesprochen - und vor allem darüber, wie Arenanet die Dinge zum Besseren wenden will.

Guild Wars 2
Arenanet-Mitgründer Mike O'Brien und Guild Wars 2-Chefdesigner Eric Flannum.

Ihr habt vor kurzem Euer Manifest veröffentlicht. Denkt Ihr, dass etwas Grundsätzliches schief läuft bei den MMORPG's, wie wir sie heute kennen?
Mike O'Brien: Naja, ich denke, dass Online-Welten eigentlich viel mehr Potenzial hätten. Wenn wir an die Zeit zurückdenken, als Ultima Online schon angekündigt, aber noch nicht veröffentlicht war - damals glaubten wir alle an wirklich freie Online-Welten, die sich durch den Eingriff des Spielers wirklich verändern können. Ein ständiger Einfluss auf die Welt, sozusagen. Soziale Interaktion mit anderen Spielern, die das Spiel zu einem echten Multiplayer-Game machen. Die MMO-Industrie hat sich mit vielen Spielen, die alle identisch funktionieren, gewissermaßen festgefahren. Wir versuchen jetzt, zu der Spielfreude und dem damaligen Glauben zurückzukehren. Wir erinnern uns an all das, was die Online-Welten damals zu sein versprachen und denken uns: Wir können das doch umsetzen. Das ist der Inhalt unseres Manifests, das ist unsere Art zu verkünden: Wir als die Industrie können das besser als heute...

Würdet Ihr sagen, dass ein großer Teil des Problems daher rührt, dass Entwickler krampfhaft versuchen, den World of Warcraft-Erfolg nachzuahmen?
Eric Flannum: Ich denke schon, dass das - nicht für alle - aber wahrscheinlich für viele Spiele da draußen ein Problem ist. Wenn man sich bestimmte erfolgreiche MMO's wie Eve Online oder das Guild Wars-Original anschaut, sieht man, dass diese Spiele die Sachen anders angegangen sind. Wir haben sechs Millionen Kopien von Guild Wars verkauft, und wir waren ganz sicher ein Spiel, das seine Chancen genutzt hat. Eines der Argumente, gegen die wir uns stellen, war, dass Guild Wars gar nicht wirklich ein MMO ist. Das wollten wir ändern - die Wahrnehmung, dass wir gar kein MMO sind und das der Grund ist, warum wir ohne eine Monatsgebühr auskamen. Unser Ziel bei Guild Wars 2 ist zu zeigen: Hey, hier habt ihr ein MMO. Seht zu, wie wir ein MMO machen und trotzdem keine Monatsgebühr brauchen.

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Guild Wars 2
Ein MMO und trotzdem keine Monatsgebühr... das kann Guild Wars 2.

Okay... und wie geht das?
Eric Flannum: Man kann leicht in diese Falle tappen, einfach keine Herausforderungen zu wollen. MMO's bedeuten immer eine riesige Investition von Geld und Zeit. Sie sind mit die teuersten Spiele - wenn nicht sogar die teuersten und kompliziertesten überhaupt. Wenn man das bedenkt, versteht man, warum die Industrie sehr risikoscheu wurde. Wir haben früh beschlossen: Lasst uns das anders angehen, lasst uns die ganzen Probleme des derzeitigen MMO-Markts untersuchen und lasst uns ein Spiel machen, das die ganzen Probleme beseitigt.
Mike O'Brien: Nicht nur die MMO-Industrie ist risikoscheu - sondern die gesamte Games-Industrie. Aus diesem Grund haben wir Arenanet gegründet. Wir wollten Gamern neue Erfahrungen ermöglichen. Denn letztlich glauben wir daran, dass es beim Gaming doch um neue Erfahrungen geht.

Ihr erwähnt in Eurem Manifest, dass Guild Wars 2 nicht dazu gemacht wurde, das "ganze Leben aufzufressen". Sind bestimmte MMO's wie World of Warcraft so ausgelegt, dass sie einen so abhängig wie nur möglich machen?
Mike O'Brien: Ich werde nicht speziell über irgendein MMO sprechen. Aber ich bin absolut der Meinung, dass eine ganze Reihe von MMO's da draußen auf ganz konkrete Belohnungs-Pläne ausgerichtet sind, bei denen ein großer Teil des Spielziels das Erreichen der nächsten Belohnung ist. Das ist der Punkt, an dem es anfängt, mühsam zu werden: Wenn man monoton vor sich hin spielen muss, um immer die nächste Belohnung zu kassieren. In der gesamten Arenanet-Geschichte lag unser Fokus immer auf einem Gameplay von Augenblick zu Augenblick. Der Spieler muss zum unterhaltsamen Teil des Spiels kommen können, sobald er sich hinsetzt und spielt. Geben wir dem Spieler doch etwas Bedeutungsvolles innerhalb einer halben Stunde.
Eric Flannum: Wir haben diese Grafik veröffentlicht, die den typischen MMO-Level-Verlauf als eine unendlich steigende Kurve zeigt. Je höher das Level umso länger brauchst du, um ins nächste Level zu kommen. Bis du am Ende, zumindest in einem Old School-MMO, eine Woche bis zum nächsten Level brauchst. Unsere eigene Grafik hat eine ähnliche Kurve ganz am Anfang und flacht dann ab. Theoretisch ist irgendwo ein Zeitpunkt, nach dem das Upleveln einfach zu lange dauert - und diesen Punkt wollen wir niemals überschreiten. Wir arbeiten noch an der Feinjustierung, aber es dürfte nicht länger als anderthalb Stunden von einem Level zum nächsten dauern, zumindest ist das die Größenordnung. Wir wollen, dass unsere Level so regelmäßig aufeinander folgen, dass man das Gefühl eines deutlichen Fortschritts und von erreichter Leistung hat. Aber wir wollen auch auf keinen Fall, dass dieses Gefühl zu leicht erreicht wird.

Guild Wars 2
Ein traditionelles PvE-Dungeon-Endgame mit einer speziellen Wendung, über die noch nicht gesprochen wird.
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Aber wenn die Spielerfahrung so von den Levels unabhängig gemacht wird - wie wirkt sich das auf die Entwicklung von Erweiterungen aus, die ja eigentlich eher die High-Level-Spieler belohnen?
Eric Flannum: Tja, das ist eine schwierige Frage, denn im Moment konzentrieren wir uns ganz auf den Erst-Release. Wir haben natürlich einige Pläne für Zusatzinhalte, aber wir richten gerade wirklich unser Augenmerk darauf, den Erst-Release so gut wie irgend möglich hinzukriegen.

Wenn Guild Wars 2 sich nicht so sehr um die Highest-Level-Karriere dreht - wie kriegt Ihr dann ein fesselndes Endgame hin?
Eric Flannum: Das macht man auf verschiedene Art und Weise. Wir haben das eher traditionelle PvE-Dungeon-Endgame mit einer speziellen Wendung, über die wir später sprechen werden. Und wir haben unser Sidekick-System, das Spielern aus allen Levels ermöglicht, zusammen zu spielen. Damit kann auch ein Level 80-Charakter die ganze Online-Welt nochmal erleben. Er kann zurück gehen in Spieleumgebungen, in denen er bereits gewesen ist, an die er aber vielleicht nostalgische Erinnerungen hat. Oder er geht in ihm unbekannte Umgebungen, die vielleicht einfach nicht seine Spielstart-Umgebung waren. Zudem ermutigen wir die Spieler, neue Charaktere zu bauen und zu spielen. Die individuell verzweigte Handlung sorgt dafür, dass sich der Lauf der Handlung modifiziert, selbst wenn man einen ähnlichen Charakter wie zuvor kreiert. Die Wiederholbarkeit des Spiels ist immer sehr groß, außerdem treiben wir großen Aufwand, unsere Professionen sehr unterschiedlich zu gestalten. Einen Krieger zu spielen ist etwas völlig anderes als einen Elementalisten - das ist eine ganz andere Denkart. Wir haben diese echt große Tiefe der Spielerfahrung, die man nicht nur einmal erleben will.

Guild Wars 2
Über eine Million Handlungsstränge möglich, theoretisch jedenfalls.

Diese individuell verzweigte Handlung ist an Rasse oder Profession gebunden? Oder an beides? Wie viele einmalige Handlungsstränge gibt es?
Eric Flannum: Wenn man das mit Mathematik angehen will, dann gibt es, denke ich, so etwa eine Million (oder eine absurde Zahl in der Größe) an Kombinationen, das ist fast exponentiell! Alles was man dafür tun muss, ist fünf Fragen zur Biografie seines Charakters zu beantworten - wir hatten mal ein paar mehr, aber während der Testphase haben wir gemerkt, dass das die Leute ein bisschen überfordert hat. Also haben wir diese Fragen zu Auswahlmöglichkeiten gemacht, die einem im Verlauf der Handlung begegnen. Man beantwortet diese Biografie-Fragen und die beeinflussen den Lauf der Dinge sofort, von Anfang an. Aber zusätzlich triffst man Entscheidungen, die Einfluss auf die Missionen haben. Ein Beispiel: Du triffst auf der Straße einen alten Freund in Schwierigkeiten, entscheidest über sein Schicksal und das wirkt sich später massiv auf den eigenen Spielverlauf aus. Diese Entscheidungen sind sehr verschieden, je nachdem, welcher Rasse jemand angehörst - in diesem Beispiel waren es eben menschlich orientierte Fragen. Asura haben ihre eigenen Fragen, genau wie Charr.
Mike O'Brien: Genau das wollten wir in den Online-Welten von Anfang an sehen. Ich meine, wer kann sich denn nicht vorstellen, dass eines Tage in einer Online-Welt ein riesiger Drache vom Himmel fällt und Feuer auf eine Stadt speit, während das Stadtvolk umherrennt und "Hilfe! Hilfe!" schreit, und ihre Häuser in Flammen aufgehen. Und dann könnten sich die Leute zusammentun und den Drachen vernichten - oder vielleicht scheitern, weswegen die Stadt niederbrennt - und sie werden den direkten Einfluss auf ihre Welt spüren. Storytelling ist ein anderes Beispiel. Online-Welten sind Rollenspiele, und sie sollten von den besten Rollenspielen lernen. Wir sollten eine fesselnde Story erzählen - und uns nicht durch das Argument, dass es eben eine Online-Welt ist, davon abbringen lassen, eine so persönliche Geschichte zu erzählen, wie wir sie auch in einem Rollenspiel sehen.

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