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Guilty Gear: Strive

Guilty Gear: Strive

Arc System Works führt das Kampfspiel-Genre zu neuen Höhen, eckt an einigen Stellen allerdings an.

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Neue Spieler können sich Hilfe und verständliche Erklärungen zum Grundwissen des Genres einholen.

Mit Guilty Gear: Strive hat es sich Arc System Works zum Ziel gesetzt, einer Spielereihe, die früher für ihre unglaubliche Spieltiefe und ihre hohe Starthürde bekannt war, einen inklusiveren Einstiegspunkt zu verschaffen. Gleichzeitig soll die Art und Weise, wie wir Kampfspiele von zu Hause aus mit anderen spielen, durch einen exzellenten Netzcode revolutioniert werden. Der Hype hat sich im letzten Jahr stetig zusammengebraut und einige erwarten sogar, dass dieses Spiel Dragon Ball FighterZ als das führende Kampfspiel in puncto Spielerbasis und Zuschauerzahlen entthronen wird. Nach einigen Wochen mit dem Spiel ist klar, dass das Potential für diese Mammutaufgaben durchaus vorhanden ist. Das Game erreicht unglaubliche Höhen, allerdings auch merkliche Tiefen.

Arc System Works hat in den letzten Jahrzehnten mit Titeln einige der besten Kampfspiele im Anime-Stil entwickelt. Blazblue, Persona 4 Arena und natürlich Dragon Ball FighterZ liefern ein intensives Gameplay, das sich auf Combos fokussiert und eine unglaubliche Spieltiefe hinter zuerst einfach erscheinenden Mechaniken verbirgt. Vor FighterZ lieferten die Japaner hochglanzpolierte 2D-Anime-Brawler für Nischenserien, doch nun rücken sie ihre eigene Reihe in den Vordergrund. Guilty Gear: Strive vereinfacht das Kernerlebnis der Serie, es behält aber gleichzeitig die Geschwindigkeit der Kämpfe und die Intensität bei, die frühere Titel charakterisierte.

Es gibt zum Start 15 verfügbare Charaktere mit individuellen Eigenheiten und einem einzigartigen Kampfstil. Einige der zurückkehrenden Figuren unterscheiden sich von ihren früheren Inkarnationen, obwohl die generelle Identität beibehalten wird. Das Gameplay entspricht dem von traditionellen 2D-Brawlern und es gibt Air-Dashes, Doppelsprünge und komplexe Combos. Dieser letzte Bereich ist in dieser Veröffentlichung etwas abgeschwächt worden, doch das allgemeine Kerngefühl, das Guilty Gear zu einem so aufregenden Franchise macht, ist nach wie vor spürbar. Die Bewegungen und Spezialattacken der Charaktere sind einfach zu erlernen, doch in der Hitze des Gefechts müsst ihr an viele Dinge denken. Das Erkunden des Rosters fühlt sich unglaublich belohnend an, weil einige von ihnen so einzigartig sind, dass man glauben könnte, sie kämen aus einem ganz anderen Spiel.

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Die kurzen Runden vergehen wie im Fluge und wenn ihr eine Attacke landet, erzeugt das immer einen befriedigenden Treffer. Einige Charaktere, wie Potemkin, haben verheerende Angriffe, die mehr als die Hälfte des gegnerischen Gesundheitsbalkens an Schaden verursachen können. Man könnte meinen, dass solches Balancing zu kurzen, unbefriedigenden Matches führt, doch Guilty Gear: Strive beweist das Gegenteil: Das Kampfsystem führt zu einigen der beständigsten Matches, die man in diesem Genre derzeit erleben kann. Jeder Kampf fühlt sich ausgeglichen an und selbst die Matches, die zuerst wie einseitige Handgemenge aussehen, können sich im Handumdrehen wenden. Es kommt also alles zusammen, was ein fantastisches Kampfsystem im modernen Beat-'em-Up-Raum benötigt.

Die Kämpfe sind natürlich der spielerische Schwerpunkt von Guilty Gear: Strive und wenn ihr neu loslegt, bekommt ihr ein einfaches Tutorial, das euch lediglich die Steuerung demonstriert. Die Lerneinheiten findet ihr im separaten Missionsmodus auswählen, dort vermitteln die Entwickler detaillierte Bewegungsabläufe, Eigenschaften und sonstige Spielregeln, die für alle Kämpfer gelten. Ich empfehle Neulingen diesen Bereich sehr, denn dieses Basisverständnis ist unerlässlich. Wiederkehrende Mechaniken wie Faultless Defense und die neue, verbesserte Version von Roman Cancelling - der universellen Bewegung, mit der ihr jederzeit einen gegnerischen Angriff abbrechen könnt - werden dort ausführlich erklärt. Das Regelwerk zu kennen ist aber nur die halbe Miete Sache, denn im Kampf werdet ihr kreativ sein müssen, um die Oberhand zu gewinnen. Übt also nicht nur eure Combos, sondern meistert auch das komplexe und detaillierte Dojo.

Es gibt zwei Modi, die für Einzelspielerinhalte reserviert sind: Der traditionelle Arcade-Modus mit immer schwieriger werdenden Kämpfen gegen die KI und der Story-Modus, der im Wesentlichen ein fünfstündiger Animationsfilm ohne Gameplay zwischen den Zwischensequenzen ist (wirklich!). Die Grafik ist unglaublich und einige der Charaktermomente sind großartig gestaltet worden. Ich kann mir aber vorstellen, dass Neulinge bei all dem, was dort vor sich geht, sowie vom Mangel an Gameplay, verwirrt sein könnten. Die Story fühlt sich manchmal außerdem wie Kauderwelsch auf Kingdom-Hearts-Niveau an, was nicht ausschließlich schlecht, aber auf jeden Fall einschüchternd ist. Zum Glück gibt es ein absurd detailliertes Kompendium, das jedes noch so kleine Detail der Guilty-Gear-Hintergründe in vollem Umfang erklärt und für noch mehr Verwirrung bei denen sorgen wird, die es komplett lesen. Es ist eine wilde Fahrt...

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Rollback-Netzcode ist ein wahres Wunder und wer in der Zukunft nicht auf die Technik setzt, der wird viele Probleme umgehen müssen.

Um den Mangel an Einzelspielerinhalten auszugleichen, hat der Netzwerkmodus umso mehr Aufmerksamkeit erhalten. In diesem Online-Bereich tretet ihr mit dem besten Rollback-Netcode, den ich bisher in einem Spiel erlebt habe, gegen Menschen auf der ganzen Welt an. Es gibt zwar einige Ausreißer mit unglaublich schlechten Verbindungen, aber 99 Prozent der Spiele fühlen sich an, als würde man nebeneinander auf der Couch sitzen. Mehrspielerduelle sind nicht länger ein Glücksspiel, denn beim Rollback-Netzcode ist jeder Fehler eure eigene Schuld. So sollte es immer sein.

Leider ist das Lobbysystem in typischer Arc-System-Manier zum Start völlig kaputt gewesen. Man erstellt einen Avatar und betritt pixelige Lobbys, die verschiedene Ebenen eines Ranglistenturms darstellen sollen. Die unterste Ebene ist der niedrigste Rang und ganz oben warten unbesiegbare Gott-Spieler auf euch, die das Spiel bereits seit Jahren intensiv zu studieren scheinen. Die Idee, aus eigener Kraft buchstäblich einen Kampfturm hinaufzuklettern, um mit immer stärkeren Gegnern zu konkurrieren, ist ziemlich nett, aber der Umsetzung mangelt es an Finesse.

Um beispielsweise gegen einen Mitspieler anzutreten, muss man sich zuerst an einen freien Arcade-Spielplatz setzen und signalisieren, dass man zum Match bereit ist. Dann muss euer Mitspieler mit eurem Avatar interagieren und das Gleiche tun. Im Grunde ist der Vorgang ganz einfach und deshalb ist es auch umso unverständlich, dass die Synchronisation aus unerklärlichen Gründen leider die meiste Zeit nicht funktioniert. Wenn zwei Spieler gleichzeitig versuchen, mit einem Dritten zu interagieren, kann das sogar zum Absturz der gesamten Lobby führen.

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Das Matchmaking mit einem Freund im Playstation-Netzwerk (also zwischen PS4 und PS5) war noch einigermaßen funktionsfähig, aber auf dem PC waren die Server manchmal völlig unbrauchbar. Ich habe die meiste Zeit auf der Playstation verbracht, die PC-Version aber ebenfalls getestet und musste schockiert feststellen, dass sich das dortige Lobbysystem in einem noch schlechteren Zustand befindet. Ganz am Anfang konnte man sich manchmal stundenlang nicht mit anderen Spielern verbinden. Andere Online-Optionen sind ebenfalls verwirrend, beispielsweise sind Rematches mit anderen Spielern in der Rangliste auf maximal drei Runden begrenzt. Best-of-Three war in früheren Titeln der Standard und wenn man mal einen ebenbürtigen Mitspieler gefunden hat, dann vergeht die Zeit wie gesagt wie im Fluge. All diese technischen und konzeptionellen Probleme sind traurig, da das Kernspiel und das Netzwerkspiel an anderen Stellen so hervorragend sind.

Fans diskutieren darüber, ob die Bewegungen und Angriffe der verschiedenen Charaktere nicht zu sehr vereinfacht wurden. Arc System hat zu Protokoll gegeben, dass sie Neuankömmlinge nicht einschüchtern wollten und deshalb sichergestellt haben, dass jeder den Controller in die Hand nehmen und sofort loslegen kann. Das ist ja auch in Ordnung, aber das Problem ist, dass die Charaktere mit zunehmendem Alter dieses Spiels von erfahrenen Spielern immer weiter optimiert werden.

Die Befürchtung geht also eher in die Richtung, dass spielerische Fähigkeiten und Präzision bei den Eingaben am Ende nicht mehr so stark darüber entscheiden, ob jemand ein guter Spieler ist oder nicht. Dadurch würde dem Spiel außerdem ein gewisser Ausdruck verlorengehen und es besteht die Gefahr, dass irgendwann in jedem Match die gleichen, optimierten Combo-Routen ausgeführt werden. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Alptraum Wirklichkeit wird oder ob die universelle Mechanik komplex genug ist, um diese Stagnation zu verhindern. Bisher kommen die Spieler noch jeden Tag mit neuen kreativen Ideen auf, aber das kann natürlich nicht für immer so bleiben.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Guilty Gear: Strive ein hervorragendes, genredefinierendes Kampfspielerlebnis ist, das von einigen seltsamen Entscheidungen und technischen Problemen zurückgehalten wird. Die meisten dieser Probleme werden in den kommenden Wochen oder Monaten von den Entwicklern sicher gelöst werden, deshalb sieht es so aus, als ob der Titel tatsächlich ein Muss für Fans des Genres sein könnte. Als Einführung für Neulinge eignet sich Strive noch besser als Dragon Ball FighterZ und weil der Titel die Messlatte für qualitativ hochwertige Netzwerkspiele so weit nach oben gesetzt hat, dürfen wir alle in eine strahlende Zukunft blicken.

Die Zauberer von Arc System haben sogar ihren tollen Grafikstil zu neuen Höhen geführt, denn Guilty Gear: Strive ist ein echter Hingucker. Der Anime-Stil wirkt wie ein zweidimensionales Erlebnis, doch es ist tatsächlich stilisiertes 3D. Die schöne Grafik und der klare Kampfverlauf werden hoffentlich das ganze Jahr über zu aufregenden und hart umkämpften Turnieren führen. Ich würde euch nur empfehlen, vielleicht ein paar Wochen mit dem Kauf zu warten, bis die Probleme mit den Lobbys gelöst wurden.

Wenn euch das aber nicht weiter stört, dann präsentiert dieser Titel eines der herausforderndsten, aufregendsten und umfassendsten Kampfspielerlebnisse, die es momentan gibt. Die Punktzahl spiegelt den aktuellen Stand des Spiels wider, obwohl kommende Updates meine Abzüge zweifellos irgendwann aushebeln werden (aber so ist das mit einer Momentaufnahme nun einmal). Hoffen wir, dass dieses Spiel lange relevant bleibt und noch länger unterstützt wird. Fünf DLC-Kämpfer wurden bereits bestätigt und ich kann es kaum erwarten, sie zu meistern.

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Auf dem PC sieht die Online-Situation noch ein bisschen schlimmer aus als auf der Playstation.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Rollback-Netzcode ist die Zukunft, ausgezeichnetes Kampfsystem, visuelle Präsentation hebt die Messlatte für das ganze Genre an.
-
schreckliches Lobbysystem, Tutorials sollten nicht zwischen Bewegung und Grundregeln aufgeteilt sein, verwirrender Story-Modus.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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