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Hyper Scape

Hyper Scape

Ubisoft hat endlich die Battle-Royale-Arena betreten, doch ob ihr futuristischer Shooter den großen Jungs die Krone streitig machen kann?

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Nach der gigantischen, weltumspannenden Veröffentlichung von Playerunknown's Battlegrounds sprang eine Vielzahl von Entwicklern und Publishern auf den Zug mit den neuesten und größten Spieletrends auf, um ein Stück vom Battle-Royale-Kuchen abzubekommen. Obwohl dieses Denken nicht immer Früchte trägt, sind auf diese Weise mehrere Erfolgsgeschichten entstanden, die bis heute anhalten. Apex Legends, Call of Duty: Warzone, Fortnite darf man hierbei nicht vergessen und in gewisser Weise auch Fall Guys. Es ist jedoch nicht immer strategisch sinnvoll, einem von anderen geschaffenen Trend kopflos zu folgen, denn auf jedes erfolgreiche Beispiel fallen etliche gescheiterte Versuche, die Fans auf geradezu peinliche Art und Weise beweisen, überhaupt nichts verstanden zu haben. Auf The Culling 2, Radical Heights, H1Z1 und sogar auf Firestorm aus Battlefield V trifft das zu einem gewissen Grad zu.

Der Markt wirkt als wäre er bis zum Rand mit tollen Battle-Royale-Erlebnissen gefüllt und trotzdem hält es Ubisoft für eine gute Idee, gerade jetzt einen weiteren Bewerber in den Ring zu werfen. Genau wie Respawn Entertainment und Infinity Ward versucht der Publisher mit Hyper Scape gerade genug Platz zu finden, um die Sache in Schwung zu bringen und anschließend mit regelmäßigen Updates, jeder Menge Mikrotransaktionen und einer saisonalen Struktur darauf aufzubauen. Die Frage ist also: Ist Hyper Scape gut genug, um mit den anderen Erfolgen mithalten zu können? Na los, lasst es uns gemeinsam herausfinden.

Auf den ersten Blick scheint Hyper Scape genau das zu tun, was ich von Battle-Royale-Erfolgsgeschichten erwarten würde. Die relativ neue Variante einer sehr abgenutzten und bekannten Formel dürfte ja allen bekannt sein: Auch in Hyper Scape werden wir in eine Open-World-Arena geworfen, in der wir unsere Ausrüstung erst auflesen müssen, um kämpfen zu können. Da sich die Arena kontinuierlich verkleinert, werden Konflikte zwischen den Teams gefördert, bis letztendlich nur eine Hand voll Teams übrig bleiben. Was das Spiel von seinen Konkurrenten unterscheidet, ist die Mobilität und die Vertikalität.

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Im weitesten Sinne ist Ubisofts Interpretation des Genres innovativ und manchmal sogar aufregend.

Hyper Scape ist im Universum des Spiels die nächste Version des Internets, wenn ihr so wollt. Die Menschheit wurde im Jahr 2054 in giftige, urbane Slums verbannt, die zu Mega Cities herangewachsen sind. Der einzige Weg der grauen Leere zu entkommen, ist eine bemerkenswerte Erfindung von Prisma Technologies, die sich als digitale Stadt Neo Arcadia präsentiert. Wir loggen uns also in den Hyper Scape ein, um unserer bedeutungslosen Existenz zu entkommen. Crown Rush ist die Hauptbeschäftigung in Neo Arcadia, denn hier kämpfen 100 Spieler um die Krone.

Was ich hier zusammenfasse ist im Wesentlichen Ready Player One entnommen worden. Stellt euch auf eine ziemlich direkte und schamlose Kopie des legendären Science-Fiction-Romans von Ernest Kline ein, wenn ihr mehr über die Hintergründe der Geschichte erfahren wollt. Zwar dürften die wenigsten Leute hier sein, um die Story des Online-Multiplayerspiels zu genießen, doch Hyper Scape pocht darauf, Spieler ein bisschen mehr über sich erfahren zu lassen, als es die meisten anderen Spiele des Genres tun. Es scheint auch so, als ob Ubisoft die faszinierende Prämisse in Zukunft durch Ereignisse und Erweiterungen ausbauen möchte, was doch zumindest interessant klingt. Immerhin hat sich Ubisoft nicht mit dem zufrieden gegeben, was von Apex Legends und Overwatch eingeführt wurde.

Die Stadt Neo Arcadia ist wunderschön anzusehen und die verschiedenen Bereiche lassen sich deutlich voneinander unterscheiden, wenn wir aus der digitalen Stratosphäre geschossen werden und einen Startpunkt wählen. Das visuelle Konzept des Kampfes auf den Straßen einer großen europäischen Hauptstadt (mich erinnern die Promenaden irgendwie an Paris) ist in vielerlei Hinsicht spannend und eines der besten Beispiele für eine aufregend gestaltete Arena. Wie viele andere Vertreter des Genres rücken die visuellen Elemente und die Struktur jedoch schnell in den Hintergrund, wenn man sich die Punkte Erkundung, das Sammeln der Beute und letztendlich den Aufbau der Konflikte anschaut. Die ganze Action spielt sich jedoch vor allem auf den Dächern ab, da die Aussicht sie zum perfekten, kontrollierbaren Schlachtfeld macht. Deshalb kämpft auch jeder um diese tödlichen Plattformen. Abgesehen von diesen Risikobereichen gibt es zudem praktisch nur einen einzigen Gebäudetypen im Spiel, der aus identischen, nicht dekorierten Räumen und vor allem aus Treppenstufen besteht.

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Ihr könnt zwar einfach alle anderen Teams eliminieren, aber es reicht auch, sich die Krone zu greifen, die am Ende eines jeden Spiels erscheint.

Noch schlimmer ist die Tatsache, dass nur ein Zehntel (oder vielleicht sogar noch weniger) der Gebäude in Neo Arcadia überhaupt ein erforschbares Interieur haben. Wir sind außerdem gezwungen, in diesen Bereichen nach Ausrüstung zu suchen. Im Grunde müssen wir nur nach den markanten, orangefarbenen Barrieren Ausschau halten, die die Türen und Fenster der Gebäude bedecken - dahinter versteckt sich die Ausrüstung. Diese Anzeigen beseitigen einen großen Teil der Aufregung, die das Sammeln von Beute und das Erkunden der Umgebungen mit sich bringt. Da die Gebäude aktuell aber eh nur halbherzig platziert wurden und kaum Ablenkung bieten, hätte sich Ubisoft ehrlich gesagt auch direkt dazu entscheiden können, die gesamte Beute einfach auf die Straße zu werfen. Das hätte den gleichen Effekt.

Der größte Teil der Action in Hyper Scape findet sowieso draußen statt, hoch oben auf den Dächern. Beim Spielen fällt das atemberaubend hohe Tempo auf, das wir in dieser Form auch bei den Konkurrenten nicht sehen. Die Vertikalität wird durch den Doppelsprung und die Tatsache erhöht, dass wir Gebäude durch schlau platzierte Markisen, kleine Plateaus und Balkone in Windeseile erklimmen können. Der schnelle Wechsel unseres Höhenlevels ist der Schlüssel zum Erfolg, obwohl die Steuerung- insbesondere mit einem Controller in der Hand - ziemlich hakelig erscheint. Ubisoft hat diesbezüglich noch einiges an Arbeit vor sich. Kritischer ist jedoch, dass sich Hyper Scape in seiner jetzigen Form viel schlechter spielt, als es aussieht. Und das hängt nicht nur mit der Genauigkeit zusammen, also wie direkt wir unseren Charakter steuern. Das Hauptproblem besteht darin, dass das Spiel mit unserem Eigengewicht oder der Schwerkraft nicht richtig umgehen kann - die meisten Objekte sind leicht wie eine Feder.

Das Gleiche muss leider auch über die Waffen gesagt werden. Wir haben eine große Auswahl und jede Knarre bietet sich für bestimmte Situationen besser oder schlechter an, aber das Abfeuern selbst hat kaum Schlagkraft. Unabhängig davon, ob ihr die Minigun „Hexfire" benutzt, die Mammut-Schrotflinte oder den coolen Skybreaker; eure Kugeln fliegen ohne Wucht gemächlich in Richtung eures Ziels und hinterlassen dort keinerlei nennenswerten Effekt. Ein Machtgefühl entsteht hierbei jedenfalls nicht. Übrigens gibt es in Neo Arcadia auch keine Aufsätze für eure Waffen. Stattdessen sammeln wir immer und immer wieder die gleiche Knarre aus der Fabrik ein, um sie zusammenzuschmelzen und somit auf das nächste Level zu bringen. Dadurch wird die Basisstatistik erhöht und ihr erhaltet Zugriff auf zusätzliche Extras. Wenn ihr oft genug über die gleiche Variante lauft, seid ihr damit ziemlich unschlagbar.

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Alles in allem fördern die Hacks aggressive Spieler, die sich zudem über die hohe Bewegungsgeschwindigkeit freuen dürften.

Das Problem daran ist natürlich, dass diese Art der Loot-Progression keine starke Motivation bietet. Das System regt auch nicht zum Experimentieren an, denn sobald man die gleiche Waffe zweimal gefunden hat, bleibt sie meist bis zum Ende des Matches im Rucksack. Die Flexibilität von Apex Legends oder die Unvorhersehbarkeit eines Call of Duty: Warzone gibt es hier also nicht. Da hilft es auch nicht, dass die Waffen langweilig und ohne besondere visuelle Merkmale präsentiert werden. Ganz ehrlich, wenn ich in meiner Nähe ein feindliches Team höre und in Eile bin, dann fällt es mir noch immer schwer, die Knarren voneinander zu unterscheiden. Und spätestens wenn ihr glaubt, eine Schrotflinte gegriffen zu haben und plötzlich mit einem SMG in den Kampf stürmt, nervt das.

Es ist ziemlich klar, dass Hyper Scape Innovationen erzwingen wollte und das funktioniert an einigen Stellen auch ganz gut. Zunächst einmal gibt es das Echo-System, was eine brillante Idee ist. Wer in Hyper Scape stirbt, kann sich anschließend als Echo frei über die Karte bewegen. Ihr könnt eurem Team die Position von Feinden aufzeigen und ihnen somit helfen. Sollten es eure Kollegen schaffen, einen anderen Spieler zu töten, erscheint ein Respawn-Punkt, mit dem ihr wieder zurück in den Kampf gebracht werden könnt. Auf diese Weise wird euch auch in der vermeintlichen Downtime ein realer Zweck gegeben, was sich andere Spiele ruhig abschauen könnten. Gleichzeitig lässt sich Hyper Scape von Radical Heights inspirieren, da sich der aktive Bereich der Spielkarte nicht radial verkleinert. Stattdessen werden ganze Bezirke der Karte ausgelöscht (was übrigens sehr schön mitanzusehen ist).

Und dann gibt es noch Hacks, die Antwort des Spiels auf die Charakterfähigkeiten von Apex Legends. Anstatt an eine bestimmte Klasse gebunden zu sein, könnt ihr Hacks in der ganzen Welt sammeln. Sie gewähren uns eine bestimmte Fähigkeit, die wir so lange verwenden können, solange wir das Teil ausgerüstet haben. Zwei Hacks lassen sich gleichzeitig verwenden und sie werden ebenfalls verstärkt, wenn wir die gleiche Fähigkeit doppelt und dreifach finden. Die Auswahl ist geht in Ordnung und es ist von entscheidender Bedeutung, die Fähigkeiten der Gegner einschätzen zu können.

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Anstatt an eine bestimmte Klasse gebunden zu sein, könnt ihr Hacks in der ganzen Welt sammeln.

Einige Hacks sind ziemlich cool und effektiv, zum Beispiel könnt ihr euch in einen riesigen Sprungball verwandeln, um einem Hinterhalt zu entkommen. Andere Varianten ziehen Gegner an euch heran oder Ähnliches. Natürlich gibt es auch weniger innovative Ideen und zum Zeitpunkt des Schreibens fühlen sich manche Kräfte überlegen an. Da wäre zum Beispiel der Unsichtbarkeits-Hack, der fiese Hinterhalte ermöglicht und eigentlich keinen Nachteil bietet. Die kurze Abklingzeit macht es anderen Spielern unmöglich, wirklich etwas dagegen zu tun. Dennoch bin ich mit dem Fähigkeitssystem sehr zufrieden, da dadurch Flexibilität gefördert wird. Wer gut in Teams zusammenspielt, der kann hiermit viel Spaß haben.

Alles in allem fördern die Hacks aggressive Spieler, die sich zudem über die hohe Bewegungsgeschwindigkeit freuen dürften. Gleichzeitig werden einige Systeme von Hyper Scape aktiv untergraben, da das Spiel beispielsweise eine automatische Gesundheitsregeneration bietet. Dass sich ein Team aus einem Streit heraushalten und warten kann, um sich zu erholen, klingt nach einer merkwürdigen Ergänzung für die Gesamtstruktur, die ansonsten auf Konfrontation ausgelegt ist. Das Spiel hat keine Rüstungen oder Schilde, die dauerhaft brechen können, ihr werdet also immer vollständig geheilt. In Kombination mit dem übermächtigen Unsichtbarkeits-Hack werden dadurch viele Kämpfe unnötig in die Länge gezogen.

Hinzu kommt, dass die Spielversion "Crown Rush" kein eigentliches Battle-Royale-Spektakel ist, da ihr nicht zu Team gehören müsst, das am Ende überlebt. Ihr könnt zwar einfach alle anderen Teams eliminieren, aber es reicht auch, sich die Krone zu greifen, die am Ende eines jeden Spiels erscheint. Wer den Gegenstand 45 Sekunden lang bei sich hält, gewinnt nämlich. Ich habe mehrmals erlebt, dass manche Spieler Hacks oder Waffen horten, um am Ende mit der Krone wegzurennen und das Match dadurch gewonnen haben, ohne jemals ein anderes Team zu bekämpfen. Es ist zwar cool, dass das auch funktioniert, aber irgendwie fühlt sich das für mich nicht richtig an.

Hyper Scape hat also viele Probleme, aber die meisten sind auf lange Sicht erfreulicherweise behebbar und das Potenzial ist definitiv vorhanden. Im weitesten Sinne ist Ubisofts Interpretation des Genres innovativ und manchmal sogar aufregend. Einige der getroffenen Design-Entscheidungen beeinträchtigen jedoch die Unterhaltung. Die Steuerung, seltsame Probleme mit der Spielbalance, langweilige Innenräume und ein lahmes Beutesystem halten das Ganze aktuell noch zurück. Hyper Scape ist jedoch kostenlos spielbar, daher möchte ich euch trotzdem dazu ermutigen, es auszuprobieren. Für mich geht es aber wieder zurück zu Apex Legends.

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Wer in Hyper Scape stirbt, kann sich anschließend als Echo frei über die Karte bewegen.
06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Fantastische Architektur, tolle Atmosphäre und eine spannende Erzählung erwecken einen positiven ersten Eindruck.
-
unausgeglichene Spielerfahrung, langweilige Beute, schlechte Umsetzung der Gebäudeinnenräume, Crown Rush fördert Campen.
overall score
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