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Kholat

Kholat

Die Geschichte des erwachsenen Horrorspiels beruht auf wahren Begebenheiten. Und trotzt technischer Schwächen stellt sich echte Gänsehaut ein.

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Das Element des Horrors mit dem ewigen Eis verbinden, das ist keine literarische Meisterleistung. Während ich diesen Text tippe, schwanke ich zwischen mehreren Assoziationen vom Kaliber „das Blut in den Adern / den Atem gefrieren lassen". Am Ende werde ich mich jedoch für eine herkömmliche, viel subtilere Metapher entscheiden und die wird meiner Meinung nach die Spielerfahrung von Kholat eben am besten beschreiben.

Das polnische Entwicklerstudio IMGN.PRO schickt uns mit Kholat in die Fußstapfen einsamer Entdecker. In einem schwer zugänglichen Gebiet irgendwo inmitten der eisigen Taiga Russlands erkunden wir die Spuren längst vergangener Expeditionen. Im schonungslosen Eis Sibiriens sind mehrere Forscher unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, doch wagt es niemand, ein Wort darüber zu verlieren. Aus diesem Grund unternehmen wir diese Reise in die Vergangenheit und werden auf unserer Suche nach Hinweisen eine Wahrheit enthüllen, die vielleicht besser im Verborgenen geblieben wäre.

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Enge Phasen sorgen für ein klaustrophobisches Gefühl, das dem permanenten Unbehagen in der offeneren Welt in nichts nachsteht.
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Kholat ist ein Horrorspiel mit Schwerpunkt auf Exploration in der Egoperspektive. Die Geschichte des Spiels ist von wahren Begebenheiten inspiriert und spielt im kaltherzigen Sibirien. Im Spiel müssen wir grob gesagt Objekte einsammeln, die uns Einblicke in die Vergangenheit gewähren. Durch Notizen und das genaue Untersuchen der Umgebung entwirren wir die konfusen Geschichten über diesen Ort und können vielleicht sogar das Mysterium um das Verschwinden der früheren Besucher aufklären. Dabei begleiten uns punktgenaue Schockmomente, die zwar in der Regel nicht übermäßig gefährlich sind, sich allerdings auch nicht so schnell abnutzen. Kholat wird dabei von einer steten Angst und einem mulmigen Gefühl von Angespanntheit begleitet, die den Adrenalinpegel auf konstantem Niveau halten. Es ist die größte Leistung des jungen, polnischen Entwicklerteams, dieses plausible Gefühl von Unbehagen zu generieren.

Bei mir hat es gar nicht lange gedauert, bis mich Kholat zum ersten Mal überraschte. Schon nach wenigen Schritten ertönt eine ruhige, bestimmende Melodie, die uns unmissverständlich die Richtung weist. Während des Lauschens habe ich mich in der reinen Kälte der Landschaft verloren und bin lange ziellos umhergeirrt. Doch in diesem farblosen Grab ähneln sich die Bilder und sogar der Wind scheint einem Streiche zu spielen. Wahrscheinlich sollte niemand solch eine Reise alleine antreten, aber das hätte man sich wohl vorher überlegen sollen.

Im Prinzip bietet Kholat eine offene Welt, allerdings gibt es vereinzelt Ladezeiten zwischen Arealen, in denen der Bildschirm kurz einfriert. Es ist nicht so, dass die Karte unfassbar groß ist oder es unendlich viele Wege geben würde. Aber offenbar arbeitet hier ein veraltetes Ladesystem im Hintergrund. Das ist aber nur deshalb schwierig, weil es mittlerweile einfach subtilere Arten des Retuschierens für Ladezeiten gibt. Da das Gebiet, in dem wir uns befinden, stark von Bergen und großen Eismassen geprägt ist, bewegen wir uns häufig auf engen Korridoren oder in ausufernden Höhlensystemen. Diese engen Phasen sorgen für ein klaustrophobisches Gefühl, das dem permanenten Unbehagen in der offeneren Welt in nichts nachsteht.

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Die Reise durch das verschneite Tal ist unbehaglich, offenbart aber auch interessante Orte und Geheimnisse.
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Während wir durch die weiße Landschaft wandern, spricht ab und zu eine formlose Stimme zu uns. Was es mit dieser auf sich hat und worüber sie spricht, gehört zu den großen Mysterien von Kholat. Auf jeden Fall sollten wir uns die Zeit nehmen, den wenigen Worten intensiv zu lauschen und Schriftstücke genau zu lesen, denn die Story ist frisch und hervorragend erzählt.

Dort unten, tief unter den Bergen, warten grausame Geheimnisse darauf, entdeckt zu werden. Manchmal zeugt ein seltsamer, orangenfarbener Nebel von bevorstehender Gefahr. Dieser Vorbote einer übernatürlichen Macht beschwört häufig seltsame Erscheinungen herauf und wird uns im Verlauf des Spiels noch so manche Schwierigkeiten bereiten. Auch wenn Gefahren meist orchestral angekündigt werden, kommen viele Begegnungen tatsächlich unerwartet zustande, was jedoch nicht zweifelsfrei für das Spiel spricht. Tatsächlich bin ich während der hauptsächlich gescripteten Schockmomente häufig gestorben, ohne sofort zu realisieren, woran es nun genau scheiterte. Da kam ein Steinschlag, eine Lawine oder der Sturz in den Tod und ich musste trotzdem überlegen, was gerade falsch lief. In diesem Zusammenhang fallen die fehlenden Todesanimationen und die schwache Ausstattung des Titels auf, obwohl die Unreal Engine 4 einige wirklich hübsche Bilder produziert.

Was mich viel mehr stört, ist die unnötig starre Bewegungsfreiheit der Spielfigur. Wir können rennen, aber nicht springen. Das ist auch der Grund, wieso man ständig an irgendwelchen Steinen und Hindernissen festhängt und die vorgegebenen Pfade sucht. In den meisten Fällen stellen umgeknickte Bäume oder herumliegende Schneemassen eine unüberwindbare Hürde dar, selbst wenn diese kaum hüfthoch sind. Der Sprint hingegen ist wirklich schön geworden. Wenn wir lange schnell rennen, verschwimmt die Welt vor unserem geistigen Auge und der helle Schnee brennt sich in die Netzhaut. Diese visuelle Reizüberflutung durch die Überbelastung ist eine schlaue, schicke Lösung und passt zum rauen Klima.

Kholat punktet mit einem unverbrauchtem Setting, tollem Soundtrack und einer Atmosphäre, die das Wort "Gänsehaut" passend definiert. Die Reise durch das verschneite Tal ist unbehaglich, offenbart aber auch interessante Orte und Geheimnisse. Die interessante Erzählweise fängt mit spitzen Worten und einschneidenden Schilderungen das Setting des kriechenden Wahnsinns ein und ergänzt die Welt dadurch hervorragend. Doch leider verfügt Kholat eben auch über erhebliche Minuspunkte, allem voran das seichte Technikgerüst. Obwohl der Titel ungemein ansehnlich ist, ist das Spielerlebnis gameplaytechnisch unbefriedigend. Doch wer auf Horror steht und eine erwachsene Geschichte rund um Mystik, Verschwörung und Wahnsinn genießen kann, der wird mit Kholat sicherlich auf seine Kosten kommen.

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07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
atmosphärische Soundeinlagen, beständiger Horrorpegel, frisches Szenario und gelungenes Storytelling
-
Technisch etwas schwach auf der Brust, Bewegungsfreiheit ist künstlich eingeschränkt
overall score
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