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Kingdom Hearts III

Kingdom Hearts III - Anspielerfahrungen

Unser angestammter Kingdom Hearts-Fan Andreas durfte sich die lang ersehnte Rückkehr von Square Enix' Fantasy-Rollenspielserie anschauen.

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Final-Fantasy-Melodrama trifft Walt Disneys Märchenwunder - so ungefähr muss es damals geklungen haben, als Square Enix das innovative, kuriose und verrückte Konzept von Kingdom Hearts vorgestellt wurde. Die Idee stammte von Charakterdesigner Tetsuya Nomura, der zuvor mit seiner Arbeit an Final Fantasy VII, VIII und X für Aufsehen sorgte. Die ersten drei Titel der Serie bauten damals ein solches Momentum auf, dass sie andere erfolgreiche Square-Enix-Franchise hinter sich ließen. Diese Dynamik verblasste allerdings, nachdem sich die Reihe auf fünf verschiedene Plattformen ausbreitete und sieben Spin-Offs unterschiedlicher Qualität hervorbrachte.

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Kingdom Hearts III ist nummerisch die dritte Episode der Serie, Teil zwei wurde hierzulande vor mehr als zwölf Jahren, im Herbst 2006 veröffentlicht. Die Geschichte ist mit ihren ineinander verwobenen Handlungszweigen mittlerweile derart komplex, dass selbst Hideo Kojima zweimal überlegen müsste, um zu verstehen was da überhaupt vor sich geht... Falls ihr gänzlich neu in Kingdom Hearts einsteigen wollt, steht der nächste Ableger also vor dem Problem, mehr als eine Dekade an Nebengeschichten in einem einzigen Videospiel zu erklären. Wo fängt man da bitte an? Mit gewaltigen Fragezeichen und hohen Erwartungen sind wir kürzlich nach Santa Monica gefahren, um uns einen ersten eigenen Eindruck zu machen. Könnten Nomura und sein Team bei Square Enix die Erwartungen erfüllen, die sich in all dieser Zeit gebildet halten und eine würdige Fortsetzung schaffen?

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Zunächst gab es eine Podiumsdiskussion mit Chefentwickler Nomura und seinem Kollegen Tai Yasue, dem Direktor des Kingdom Hearts-Franchise. Eigene Fragen durften die anwesenden Journalisten nicht stellen, stattdessen präsentierte man uns vorab vorbereitete Fragen des PR-Teams. Nomura begann die Präsentation mit einer Beschreibung des Kernthemas von Kingdom Hearts - die Erforschung des Herzens - und ging anschließend auf den großen Fokus des neuen Spiels ein: das Thema der "Offenbarung". Nomura erklärte in diesem Zuge, dass Kingdom Hearts III der Höhepunkt der Geschichte sein werde, die Fans seit nunmehr 16 Jahren begleitet. Wir sollten uns daher auf einen Sturm aus Enthüllungen und epischen Momenten gefasst machen, doch genaue Details über die Inhalte der Erzählung werden noch unter Verschluss gehalten.

Wir dürfen in diesem Rahmen immerhin über das dritte Kapitel schreiben. In diesem Abschnitt spielte der übergreifende Konflikt zwischen Licht und Dunkelheit eine größere Rolle, ohne ins Kindliche abzudriften oder thematisch zu düster zu werden. Square Enix hat in Kingdom Hearts III bewusst darauf geachtet, die einzelnen Welten lebendiger wirken zu lassen und sie mit echten Charakteren zu bevölkern. In früheren Einträgen fühlten sich die Welten stets leer und entvölkert an, sie waren nur Kulisse für einige wenige Helden aus irgendeinem Film. Um diesen neuen Fokus zu demonstrieren zeigte uns Yasue die Burgstadt aus Rapunzel - Neu Verföhnt mit Sora, der dort herumlief und mit verschiedenen NPCs interagierte. Gerade vor dem Hintergrund älterer Spiele ist es toll mitansehen zu können, wie diese Filmuniversen zum Leben erwachen.

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Nach der kurzen Bühnenshow kam endlich der langersehnte Augenblick, auf den ich mittlerweile seit zwölf Jahre lang wart: Jeder Journalist bekam 90 Minuten mit dem Spiel, entweder auf einer Playstation 4 Pro oder auf der Xbox One X. Obwohl die Microsoft-Konsole der PS4 Pro technisch sicherlich überlegenen sein mag, musste ich einfach auf der Playstation spielen, immerhin startete dort vor vielen Jahren das erste Kapitel der Serie. Square Enix bereitete zwei Demos vor, die jeweils andere Aspekte des Spiels in den Vordergrund rückten - Hercules und Toy Story.

Hercules' olympisches Kolosseum werdet ihr aus den frühesten Trailern zum Spiel kennen, die Welt an sich war ja bereits in fast allen bisher veröffentlichten Ablegern spielbar. Sora und seine treuen Gefährten wurden diesmal damit beauftragt, den Olymp von einem riesigen Plagegeist zu befreien. Schnell wurde deutlich, dass sich Kingdom Hearts III trotz seiner Neuerungen wie eine natürliche Fortsetzung des zweites Spiels und des Prequels Kingdom Hearts: Birth by Sleep anfühlt. Im Kern steuert sich Kingdom Hearts III nämlich noch immer mehr oder weniger wie der zweite Ableger und bis auf ein paar schickere Animationen fühlt sich Hauptfigur Sora auch noch genauso an, wie ihr ihn in Erinnerung haben werdet. Nachdem man die Feinde etliche Male getroffen hat schalten sich Spezialfähigkeiten frei, die wir über Dreieck/Y auslösen. Gleichzeitig gibt es eine Art Combo-Zähler für Feuer- oder Eismagie und Nahkampfangriffe, die starke Finisher erlauben. Die hartnäckigen Herzlosen zu bekämpfen fühlt sich viel besser an, als ich mir erträumt hätte.

Sora kann übrigens verschiedene Beschwörungen herbeirufen, die ihm im Kampf unterstützen und kurze Quick-Time-Events auslösen. Während des Titankampfes bei Hercules konnten wir zum Beispiel eine riesige Zugfahrt einleiten, die explodierendes Feuerwerk (was man nur als eine wunderschöne Kombination von leuchtenden Farben bezeichnen kann) auf den armen Tropf hinabregnen ließ. Mit anderen Worten: Kingdom Hearts III ist eine atemberaubende Pracht grafischer Finesse. Obwohl die Mission nur ungefähr zehn Minuten dauerte, war das Kolosseum des Olymps eine wahre Augenweide und steigerte meine Erwartungen auf den nächsten Abschnitt noch mehr: die erste Pixar-Welt in Kingdom Hearts.

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Toy Story galt einst als Höhepunkt des digitalen Storytellings und dementsprechend sehen die Erwartungen an die Umsetzung der Spielwelt für Kingdom Hearts III aus. Toy Box heißt das Ergebnis und ich durfte eine ordentliche Portion davon anspielen. Der initiale D23-Trailer gibt euch eine gute Vorstellung davon, wie das alles konkret aussah. Insgesamt war es ungefähr eine Stunde Gameplay, inklusive der längeren Zwischensequenzen (die mal wieder nicht unterschätzt werden sollten). Wie üblich handeln die Dialoge von klassischen Kingdom Hearts-Themen, wie Parallelwelten, Zeitreisen, und die Rettung unserer Freunde. Im Gegensatz zu früheren Spielen fiel mir jedoch das langsamere Tempo auf. Die Art und Weise, wie die Charaktere miteinander interagierten und wie sie sich unterhielten, das wirkte ein bisschen mechanisch und noch unglaublich langsam. Tatsächlich habe ich mich im Nachhinein gefragt, ob ich diese oder jene Dialogsequenz nicht hätte überspringen sollen.

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Dasselbe kann glücklicherweise nicht über das Gameplay gesagt werden, da ich dort einige der besten und ausgefeiltesten Mechaniken der letzten Zeit gesehen habe. Während das Kolosseum einen kleinen Vorgeschmack auf die ersten Stunden des Titels verlieh, war unsere Crew in Toy Box bereits gut ausgestattet und für den Kampf gerüstet. Jedes von Soras Schlüsselschwertern hat einzigartige Funktionen und kann in der Hitze des Gefechts ausgewechselt werden (zum Beispiel in einen riesigen Hammer, in tödliche Jo-Jos oder in einen Zauberstab). Es ist unglaublich befriedigend mit diesem vielschichtigen Arsenal die Gegner zu vermöbeln und zwischen verschiedenen Spielstilen zu wechseln.

Kingdom Hearts III bringt auch die Beschwörungskräfte aus den anderen nummerierten Teilen zurück. Falls wir von zu vielen Feinden umgeben sind, besteht die Möglichkeit mächtige Verbündete zu rufen. In der Demo standen uns sowohl Arielle aus „Arielle, die Meerjungfrau", als auch Ralph aus „Ralph reichts" zur Verfügung, die beide ihr Ausgangsmaterial perfekt widerspiegelten und sich sehr ähnlich zu ihren Vorgänger aus Kingdom Hearts II steuern. Obwohl Ralph eine willkommene Überraschung ist, war es Ariel, die mich visuell am meisten beeindruckte. Bei ihr kam einfach alles wunderschön zusammen, von den Angriffen mit Wasserteilchen, bis hin zu ihren Interaktionen mit Sora.

Es ist eine Sache einen Trailer zu sehen, der die Welt oder ein Feature zeigt, doch es ist etwas anderes, das schließlich selbst zu erleben. Diejenigen, die mit den Abenteuern von Woody und Buzz aufgewachsen sind, werden beim Betreten von Toy Box Schwierigkeiten haben, das Spiel von den ersten Toy-Story-Filmen zu trennen. Egal ob wir eine Zwischensequenz anschauen oder aktiv das Spiel spielen, Kingdom Hearts III bietet uns im Gegensatz zu vielen Spielen des Square-Enix-Katalogs (und auch im Allgemeinen) wirklich genau die gleiche visuelle Qualität. Alles geht nahtlos und reibungslos ineinander über, das ist einfach herrlich mitanzusehen.

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Wenn man die Menge an Details und die Hingabe an das Ausgangsmaterial beachtet, wird schnell deutlich, warum Nomura und sein Team bis zum dritten Kapitel gewartet haben, bevor sie Pixar-Welten eingeführt haben. Die älteren Konsolengenerationen hätten einfach nicht die Macht besessen, um das Quellmaterial wahrheitsgemäß abzubilden. Der Olymp war bereits ein atemberaubender Anblick, doch die Toy Box gehört zu den größten grafischen Leistungen, die ich bisher erlebt habe.

Die vielen früheren Einträge von Kingdom Hearts haben das Franchise in ein wirres Geäst verwandelt, das meistens mehr Fragen stellte, als es beantwortete. Kingdom Hearts III wird es schwer haben, seinen Fans darauf einen gescheiten Reim zu geben. Wie gut oder schlecht der neue Ableger zur Story passt, das kann ich auf Basis dieser kurzen Testsitzung nicht einschätzen. Wenn wir jedoch die praktische Erfahrung betrachten, und die tatsächlich stellvertretend die Qualität des restlichen Spiels widerspiegeln sollte, dann erwartet uns hier vielleicht eine große Überraschung. Kingdom Hearts III scheint aktuell das interessanteste und ambitionierteste Square-Enix-Spiel zu sein, nicht nur seit dem Original, sondern auch seit den goldenen Tagen der 90er, als Squaresoft bei JRPGs noch die Oberhand hatte.

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