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Metro: Last Light

Metro: Last Light

Eine irre und teilweise wirre Reise unterhalb und oberhalb der atomar verseuchten Metropole, die einmal Moskau war.

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"Wie sehr ich mir wünsche, mich an das Gesicht meiner Mutter erinnern zu können. Ich würde meine Seele dafür verkaufen, mich daran erinnern zu können. Jederzeit. Und das hab' ich dann auch getan..." Es sind leise, traurige Töne von Artjom, dem tragischen Helden aus Metro: Last Light. Der Preis für seine Erinnerung ist hoch, aber er muss gezahlt werden. Das realisiert Artjom kurz vor Ende seiner knapp zehnstündigen, irren und teilweise wirren Reise unterhalb und oberhalb der atomar verseuchten Metropole, die einmal Moskau war.

Artjom hatte in Metro 2033 die Schwarzen von der Erde gebombt. Dachte er. Nun steht im Rang eines Elitesoldaten am Anfang seiner Reise, als sein Kumpel Khan ihm atemlos von einem Schwarzen erzählt, der an der Oberfläche gesichtet wurde. Und da Artjom als einziger Mensch gilt, der mit den mysteriösen Wesen kommunizieren kann, soll er nachfragen. Es ist der Beginn einer Reise ins Ich, die der ukrainische Entwickler 4A Games gekonnt, sehr eindrucksvoll und emotional dicht erzählt. Das gute Material des Schriftstellers Dmitri Gluchowski ist an vielen Stellen sichtbar.

Die dichte Erzählung und der Fokus auf Erzählung heißt hier aber auch, dass man sich auf ein Spiel einstellen muss, das einem vergleichsweise wenig Freiheiten lässt. Gerade das komplette Intro ist nach einem kurzen Ballerintermezzo extrem statisch und vermittelt eigentlich einen etwas falschen Gesamteindruck vom Spiel. Allerdings wird sofort die Liebe zum Detail sichtbar, während wir durch die erste von zahlreichen Metro-Stationen streifen, die sich die Bewohner zu neuen Dörfern umgebaut haben. Aber nachdem die Rahmenbedingungen in einem etwas längeren Prolog geklärt sind, gibt‘s auch Action. Natürlich.

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Metro: Last LightMetro: Last Light
Der Wechsel zwischen dem Dunkel unter Tage und der verseuchten, aber immerhin hellen Erdoberfläche ist wunderbar gelöst.

In den Tunnels und Katakomben außerhalb der Stationen warten viele Feinde. Ein Krieg steht bevor und alle Parteien arbeiten intensiv daran, die Herrschaft zu übernehmen. Die Kommunisten der Roten Linie kämpfen gegen die Nationalisten vom Vierten Reich. Beide Lager sind von unsympathischen Zeitgenossen bevölkert, was einem an vielen Stellen des Abenteuers oft deutlicher wird, als man es sich gewünscht hätte. Der Orden steht zwischen den Linien und die Polis will Ordnung erhalten. Als Ranger ist Artjom mittendrin im Chaos der Befindlichkeiten. Er muss herausfinden, was der Schwarze ist: Hilfe oder Bedrohung. Was will er? Oder es?

Als Artjom das erste Mal die Metro-Tunnel verlässt, wird vieles klar. Der Wechsel zwischen dem Dunkel unter Tage und der verseuchten, aber immerhin hellen Erdoberfläche ist wunderbar gelöst. Nur dass das Tageslicht keine Erlösung bietet. Hier oben wimmelt es von Mutanten, von merkwürdigen Megashrimps und Flugdrachen, von Killerhunden und riesigen Monstern. Schnell merkt man, dass das Nachtsichtgerät am gerade mitgenommenen Maschinengewehr nutzlos ist. Ist Artjom draußen unterwegs, braucht er eine Gasmaske. Und Filter dafür. Größtes Problem: Die Filter sind rar und nach wenigen Minuten verbraucht. Und die Masken zersplittern schnell bei den unausweichlichen Kämpfen, was das Sichtfeld extrem einschränkt. Außerdem muss man sich immer wieder Blut oder Regen von der Maske wischen - gerade diese Effekte sehen einfach bezaubernd aus.

An der Oberfläche ist das Spiel offener und schneller, leitet uns aber trotzdem relativ linear von Punkt zu Punkt. Die Steuerung wirkt etwas überladen. Mit dem Feuerzeug Spinnenweben abbrennen, dazu mit dem Radar hantieren und die Uhr zeigt uns nebenbei immer den Zustand des Gasmaskenfilters an und ob man im Dunkeln gesehen werden kann oder nicht. Draußen hilft nur der Radar, aber egal. Ist sowieso alles eher linear. Aber deswegen nicht schlecht, um das ganz klar zu schreiben. Im Sumpf zum Beispiel packen uns die fiesen Flugmutanten und werfen uns irgendwo wieder ab. Wer aus Versehen im grünen Wasser landet, auf den lauert dort nur der Tod. Der Miniboss am Ende dieser Passage stirbt nur durch den Einsatz spezieller und teurer Militärmunition. Die Hälfte meiner hart ersammelten Kugeln schluckt das ekelig grün-schimmernde Mutantenmonster, sie wären wertvolles Tauschmittel gewesen. Solche Momente kommen immer wieder, selbst auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad schon. Wer eine echte Herausforderung sucht, sollte aber auf Hart anfangen. Oder gleich den Ranger-Modus spielen, der das HUD auf dem Bildschirm entfernt. Gibt's auch in Hardcore. Dem Spiel schadet das nicht, wobei die Bossgegner dann echte Munitionsfresser werden.

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Metro: Last Light
An der Oberfläche ist das Spiel offener und schneller, leitet uns aber trotzdem relativ linear von Punkt zu Punkt.

Munition ist ein knappes Gut, das Sammeln lohnt sich also immer. Nebenbei findet man auch noch Tagebuchseiten und Musikinstrumente. Auch das Mitführen von drei verschiedene Waffentypen zahlt sich immer aus, so verführerisch die unterschiedlichen Schrotflinten auch sein mögen. Nett gemacht ist, dass man für vergleichsweise kleines Geld die Waffen in den Metro-Stationen mit diversen Anbauteilen wie Rotpunktvisier, Schalldämpfer oder neuem Kolben modifizieren kann. Ein simples Prinzip, aber man lernt eine Waffe viel mehr schätzen als Begleiter im verseuchten Untergrund. Artjom kann aber im Nahkampf auch das Messer zücken, was gerade beim Heranschleichen mit folgendem Stealthkill effektiv die knappen Munitionsvorräte schont.

Die unterirdischen Metro-Stationen sind grafisch deutlich hübscher als die Außenareale und bieten auch das spannendere Spielerlebnis. Die On-Rails-Passagen in benzinbetriebenen Schienenfahrzeugen sind dabei eine nette Action-Abwechslung, aber den wirklichen Spaß bietet das Schleichen. Mit Schalldämpfer an der Knarre kann man Lichter ausknipsen und so ganz fies und in Ruhe Gegner für Gegner erledigen. Hier wird allerdings auch sichtbar, dass die Künstliche Intelligenz der menschlichen Gegner schlecht hört und eher dumm spielt.

Gegner verharren in der Deckung und stecken mechanisch die Köpfe raus. Nur selten wird man schlau flankiert. Wenn sie einen allerdings erst einmal auf dem Zettel haben, ballern sie wild aber leider ohne Konzept los. Immer wieder bleibt aber das Gefühl, dass man mit gradlinigem Run'n'Gun auch durchkommt. Fast immer jedenfalls. Die größere Bedrohung sind Mutanten, die teilweise in großer Zahl und aus allen Richtungen angreifen. Da hilft nur ballern und freestylen.

Metro: Last Light
Die unterirdischen Metro-Stationen sind grafisch deutlich hübscher als die Außenareale.

Metro: Last Light glänzt durch seine schöne Grafik mit stilsicheren Effekten. Beeindruckend sind Wassertropfen auf der Gasmaske oder die Fliegen, die vor ihr kreisen. Durch solche Details und ein passendes Ganzes entsteht ein teilweise sehr gut inszeniertes Horrorszenario, in dem sich klaustrophobische Szenarien und hektische Situationen abwechseln. Besonders schlimm sind die ekeligen Visionen, wenn Artjom die Vergangenheit in der Gegenwart sieht.

Es fehlen aber diese durchgängigen Höhepunkte, die einem von dem herausragenden Bioshock Infinite noch allzu gut in Erinnerung sind. Auch Metro: Last Light zeigt viele Facetten, aber sie sind weder so farbintensiv noch inhaltlich so überzeugend umgesetzt wie beim Meisterwerk aus Amerika. Das Spiel der Russen schafft es nur an einigen Punkten auf Augenhöhe zu kommen, ist aber insgesamt deutlich schwächer.

Levelarchitektur ist streckenweise öde, immer wieder aber auch interessant. Es bieten sich stets mehrere Wege zum Ziel, die sowohl die leisen, bedachten Spieler belohnen als auch die lauten Brechstangenfreunde glücklich machen. Man kann sich zudem viele Minuten lang in den Stationen umschauen und teilweise bitteren Tragödien beiwohnen. Manchmal muss man es auch, was meistens ziemlich gut die Hektik der vorhergehenden Missionen konterkariert. Aber die Entwickler waren sich auch nicht zu schade, die Klassiker der Egsoshooter auszupacken: Ein enger Zuglevel fehlt ebenso wenig wie die umvermeidbare Brückenpassage. Und den Showdown haben sie einerseits narrativ sehr intensiv gelöst, aber spielerisch nur sehr ... nun ja ... sagen wir mal: konventionell. Und auch wenn Metro: Last Light nicht mit Bioshock Infinite mithalten kann, ist es dennoch ein sehr schönes und gelungenes Endzeitabenteuer.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Schicke Grafik (auch an den Konsolen), tolle Atmosphäre, gut erzählte Story, intensive Stealth-Passagen
-
schwache Künstliche Intelligenz, teilweise lange Dialoge, uninspirierte Bosskämpfe
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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