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Might & Magic X: Legacy

Might & Magic X Legacy

Ubisoft schenkt uns ein Spiel mit unbeweglichen NPC und nur eingeschränkt beweglichen Helden, das sich vor den Wurzeln des Rollenspielgenres verbeugt.

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Überlegt doch einmal, wie viele dumme Ideen es in Videospiele schaffen. Dinge, die total realitätsnah sein sollten und im Spiel dann einfach zur nervigen Angewohnheit heranwachsen. Ein tolles Beispiel hierfür ist der Verschleiß der Waffen in Far Cry 2, sobald Gegner in der Nähe sind. Kein Mensch braucht so etwas und jeden Spieler wird das nervige Tastendrücken mitten im Kampfgetümmel zur Weißglut gebracht haben. Und nun spiele ich ein Spiel, bei dem es fast genauso unüberlegt zugeht.

In Might & Magic X Legacy müssen die Spielfiguren "natürlich" schlafen. Nach mehr als 20 Stunden ohne Rast tragen sie teils derbe Schwächezeichen mit sich herum. Natürlich spricht erst einmal nichts gegen die Einführung einer Schlafpflicht für Videospielfiguren. Aber es kommt auf die Umsetzung an! So komme ich kaum von der Stadt auf die Weltkarte, ohne meine Helden auszupowern. Ich bin nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Kampf mit normaler Schadenswirkung auszufechten. Bin ich denn eigentlich der einzige Mensch, dem das auffällt?

Hier wird ohne Zweifel eine Hommage an die ganz alten Rollenspiele kreiert. Nach kurzem Intro übernehmen wir die geistige Führung von gleichzeitig vier Helden, die als Kampfverbund agieren. Die Abenteurer haben von ihrem verstorbenen Meister die Aufgabe erhalten, dessen Asche in seine Geburtsstadt zu bringen. Doch das ist nur der Beginn einer wundersamen Reise. Was ich vor allem bemerke: Man läuft auf Feldern über eine Art Spielfeld. Die Bewegungsfreiheit ist extrem begrenzt. Nach vorne, links, rechts oder nach hinten dürfen wir gehen. 90 Grad Drehungen sind ebenfalls möglich. Sieht zwar irgendwie schick aus, aber fühlt sich unheimlich steif und langweilig an.

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Sofort spürt man den Reiz des Abenteuers. Geheimgänge, magische Barrieren und alleinstehende Schatztruhen warten auf findige Entdecker.

Mit dieser umständlichen Laufmethode bereisen wir unzählige Dungeons, Städte und das neue Gebiet Agyn Penisula, welches als Weltkarte zählt. Sofort spürt man den Reiz des Abenteuers. Geheimgänge, magische Barrieren und alleinstehende Schatztruhen warten auf findige Entdecker. So jedenfalls die Theorie. Momentan gestaltet sich sämtlicher Unternehmungsdrang sehr verhalten, da viele Gebiete durch die Präsenz zahlreicher starker Gegner unpassierbar sind. Anfänglich wird mein kampfloser Eroberungsdrang belohnt. Später renne ich dabei jedoch nur allzu oft in eine Falle oder direkt in einen Hinterhalt. Die manuelle Speichern-Funktion ist dabei ein guter Helfer, wenn sie einem nicht gerade den Spielstand zerschießt, was den mit Abstand endgültigsten Ausgang der Reise darstellt. Dann nämlich ist ein Neustart die einzige Lösung. Aber hey, das ist alles Beta hier und muss einfach noch gepatcht werden.

Nervig ist allerdings der ständige Verschleiß von so ziemlich allem. Ein Tag auf der Weltkarte vergeht, nachdem 48 Felder überquert wurden. Unsere Abenteurer sind nach einem solchen Gewaltmarsch natürlich total erschöpft und müssen schlafen. Und solch eine müde und demotivierte Truppe hat zugegebenermaßen ihre Schwierigkeiten, sich gegen Diebesgesindel und Spinnenkolonien zu behaupten. Da helfen dann nur regelmäßiges Rasten oder nette Tavernenbesuche. Die meisten Erschöpfungszeichen werden durch diese Methoden behoben, aber bedingt durch Versorgungsgüter sind nur vier Pausen möglich, bevor sie wieder aufgefüllt werden sollten.

Nun ja, in diesem Genre darf man sich an unlogischen Sachen nicht stören. Im Gegensatz zu absolut allen NPC muss das Heldenquartett schlafen und Energie tanken. Der überwältigende Rest der Spielwelt ist an Ort und Stelle verwurzelt und scheint außerhalb der Daseinsberechtigung kein virtuelles Leben zu führen. Aber wir wackeren Abenteuer fallen nach 50 Feldern aus den Latschen und sind kaum in der Lage, noch länger eine Waffe zu halten. Habe ich mich damals über den Realismusgrad bei The Elder Scrolls IV: Oblivion aufgeregt, weil die Menschen in Tamriel jeden Tag exakt dasselbe machen? Ach, ich war solch ein Narr...

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Might & Magic X: Legacy
In klassisch rundenbasierten Befehlsfolgen erleben wir dann den Kampf.

Und dann ist da noch dieser Waffenschmied. Der Ochse verlangt eine ungeheure Summe für das Reparieren aller (ich betone: aller) Waffen. Und sobald ich zurück auf dem Schlachtfeld bin, zerspringt urplötzlich die nächste Waffe. Das verstehe, wer will.

Gelungener sind zum Glück die Kämpfe. Sobald das Viererteam ein ungutes Gefühl bekommt, färbt sich ein Symbol am oberen Bildschirmrand gelb. Dieses Frühwarnsystem ist echt hilfreich, da auch in vermeintlich sicheren Gebieten wie der Anfangsstadt Sorpigal unachtsame Abenteurer in dunklen Gassen angegriffen werden können.

In klassisch rundenbasierten Befehlsfolgen erleben wir dann den Kampf. Eine Symbolleiste zeigt an, welcher Charakter an der Reihe ist und welche Aktionen er oder sie zur Verfügung hat. Angriff, Verteidigung, Fernkampf (falls vorhanden) und andere Funktionen wie Zaubersprüche und Heiltränke können auf die Tasten von 1 bis 0 gelegt werden. Es ist sowieso charmant, dass das Spiel vollkommen ohne Maus gespielt werden könnte. Eine Runde ist jedenfalls erst vorbei, nachdem alle Figuren ihre Aktionen absolviert haben.

Might & Magic X: Legacy
Das fertige Spiel wird mit seiner immensen Spieldauer überzeugen können, da sind wir sicher.

Jeder der vier Helden wird als eigenständiger Charakter behandelt. Fällt die Lebensanzeige unter Null, profitiert die Truppe nicht länger von seiner Stärke. Der Kampf wird einfach mit einer Person weniger ausgefochten. Im komatösen Ohnmachtszustand muss der Verwundete erst wieder zu Bewusstsein gebracht werden. Aber auch der Tod kann eintreten, sollte die Figur weiteren Schaden nehmen, während sie in diesem Zustand schwebt. Ein gefallener Held muss von einem Heiler wiederbelebt werden. Die Vorschau-Version lässt leider noch keine Rückschlüsse zu, ob im späteren Verlauf der Geschichte weitere Helden zur Anwerbung bereit stehen. Aber eine schlechte Idee scheint mir das nicht zu sein.

Sind genügend Aufgaben bewältigt worden und die ersten Erfahrungspunkte gesammelt, steigen die Helden im Level. Jetzt dürfen Attributs- und Fähigkeitspunkte verteilt werden. Je nach Rasse und Charakterklasse fallen die Fähigkeitsbäume sehr unterschiedlich aus. Natürlich gibt es Zauberer, Krieger und Bogenschützen, aber vor allem die noch nicht enthüllten Klassen lassen auf mehr Innovation und Mut hoffen, als die einfältige Elfen-sind-immer-Bogenschützen-Logik.

Might & Magic X Legacy lebt aber vor allem durch seine Atmosphäre. In den vielen textlastigen Gesprächen erfahren wir so manches über die Figuren. Ein paar Helden aus Might & Magic: Heroes VI haben sich nach den Ereignissen der zweiten Blutmondfinsternis in Sorpigal niedergelassen und gestalten dort ihr Leben. Ebenso viel Detailliebe erkennt man beim Gegnerdesign. Alle Varianten stammen aus thematisch ähnlichen Titeln Ubisofts, wobei natürlich auf die zeitliche Lage Bezug genommen wird. Aber ob es die Dunkelelfen in das fertige Spiel schaffen, wage ich in Frage zu stellen. Wahrscheinlich werden die cooleren Elfen wieder vom Tellerrand fallen. Wobei das offensichtlich nicht jedem Fan der Serie sauer aufstößt.

Mit Might & Magic X Legacy betrete ich Neuland im alten Rollenspielgenre. Doch eh ich mich versehe, ich es bereits um mich geschehen. Weder die Might & Magic-Welt noch die rudimentäre Spielmechanik haben es mir angetan. Es ist einfach das Flair dieser angestaubten Spielidee. Derartige Titel legten die Grundsteine für heutige Rollenspiele. Ich stehe hier also nicht vor einem unbeweglichen NPC, sondern vor den Wurzeln des Rollenspielgenres. Das ist ein ehrwürdiges, außerordentlich nostalgisches Gefühl. Daran machen auch kleine Grafikhänger und Ladefehler nichts kaputt. Das sind einfach Fehler der frühen Version. Das fertige Spiel wird mit seiner immensen Spieldauer überzeugen können, da bin ich mir sicher. Momentan sieht Might & Magic X Legacy nach harten, taktischen Kämpfen, gepaart mit enormen Erkundungsdrang und - natürlich - Rollenspielmechanik aus. Das zieht bereits in dieser ärmlich anzusehenden Vorabversion mächtig. Und wäre mein Spielstand nicht mehrmals verreckt, würde ich bestimmt immer noch spielen. Denn in solchen Spielen ist man einfach eine gewisse Zeit lang gefangen...

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