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Serien-Kritiken
Moon Knight

Moon Knight - Folge 1 bis 4

Diese Disney+-Serie ist am besten, wenn sie die bekannten Marvel-Fesseln abwirft.

Mir haben Wandavision, The Falcon and the Winter Soldier, Loki, What If...? und Hawkeye gut gefallen, aber so langsam erkennt man die MCU-Formel dann doch wieder. Genau aus diesem Grund sind die ersten vier Folgen von Moon Knight so faszinierend, denn bei dieser Serie handelt es sich nicht um eine weitere MCU-Installation nach Schema F.

Das liegt zum einen daran, dass Steven Grant oder Marc Spector - die andere Persönlichkeit des Briten mit dissoziativer Identitätsstörung - keine Verbindung zu den anderen Teilen des Universums hat/haben, das wir seit nun vierzehn Jahre immer weiter ergründen. Diesen Charakter kennenzulernen und seine ersten Schritte in diesem neuen Abenteuer zu erleben, das ist so frisch und cool, wie das Auftauchen von Iron Man in 2008 - obwohl die Serie nicht ganz so auf Hochglanz poliert wurde, wie Tony Starks erster Auftritt.

Das allgemeine Konzept und die Umsetzung von Oscar Isaacs Figur, die damit leben muss, dass in ihr eine selbstbewusste und sehr brutale Persönlichkeit lebt, haben mich sofort neugierig gemacht, obwohl Isaacs Darstellung von Steven - einem scheuen und etwas seltsamen Briten - leider ein bisschen zu übertrieben wirkt. Mohamed Diab hat während der Pressekonferenz von einem düsteren Humor und ernsteren Situationen gesprochen, doch die Witze sind nicht immer ein Volltreffer. Ich hätte mit weniger Marvel-Humor gewünscht, denn die Serie ist vor allem in den Augenblicken richtig gut, wenn sie sich auf die ernsteren Aspekte der Geschichte konzentriert.

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Moon KnightMoon Knight
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Ethan Hawkes Antagonist ist ein gutes Beispiel dafür: Er ist nicht so „comichaft" wie es die meisten Marvel-Schurken sind. Irgendetwas scheint mit dem mysteriösen Typen nicht zu stimmen, obwohl nachvollziehbar ist, warum er so viel Unterstützung erhält. Durch sein Charisma und seine Argumente bekommt es Hawke tatsächlich hin, dass ich mich frage, wer hier eigentlich die Guten sind.

Besonders im Vergleich zu Khonshu - dem ägyptischen Gott, der Marc als eine Art Verstärker nutzt und den armen Steven damit natürlich völlig verstört - ist das auffällig. Man muss sich ja fast auf die Seite von Hawkes Arthur Harrow schlagen, wenn es den ägyptischen Gott nur nach Blut dürstet. Dass diese beiden Figuren Steven in gänzlich unterschiedliche Richtungen drängen, gehört zu den Stärken der Serie. Der arme Kerl muss komplett verwirrt sein.

Diese Gefühl wird durch May Calamawy, die eine starke Layla El-Faouly abgibt, noch verstärkt, denn sie gehört zu den Wenigen, die von Stevens Leid wissen (genau wie die Zuschauer). Sie hat offensichtlich auch ein paar Leichen im Keller und das bringt mich zum Hauptgrund, warum ich bei Moon Knight so zwiegespalten bin.

Moon Knight
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Wenn ihr Wandavision gesehen habt, dann versteht ihr vielleicht, was ich damit meine, wenn ich sage, dass Moon Knight bis zu dieser Stelle gerade mal die Oberfläche angekratzt hat - und es kommen ja nur noch zwei weitere Folgen. Die ersten vier Episoden recyceln immer wieder ähnliche Szenarien, um anzudeuten, was vermutlich passieren wird, bevor die letzten paar Minuten der vierten Folge dann eine 180-Grad-Wende und ein bombastisches Ende einläuten. Natürlich kann ich es kaum abwarten, was wohl in Folge fünf passieren wird, aber gleichzeitig stellt sich auch die Frage, warum vorher so viel Zeit verschwendet wurde.

Die Serie kann sich also nicht entscheiden, ob sie bei den klassischen Marvel-Ideen bleiben oder eine frische und originelle Geschichte erzählen will. Eine Hauptfigur, die mit ihren mentalen Problemen versucht, diese packende Welt voller Intrigen zu verstehen und zu überleben, ist sehr faszinierend. Leider wirken die Kämpfe manchmal ein wenig erzwungen, auch wenn das Kostüm cool wirkt. Der Humor stimmt leider nicht immer und dadurch wird weiteres Tempo aus der Erzählung genommen. Das ist nicht so schlimm, aber es reicht, damit das Gefühl entsteht, dass die Serie nicht ihr volles Potential entfalten kann (zumindest wenn die letzten beiden Episoden das Ruder nicht doch noch herumreißen können).

Moon Knight lohnt sich trotzdem, wenn ihr etwas abseits der abgegriffenen Marvel-Formel sucht oder wenn ihr euch für die ägyptische Mythologie und Kultur interessiert. Ich hoffe einfach, dass sich die letzten beiden Episoden stärker auf diese beiden Aspekte konzentrieren und nicht noch mehr Zeit mit dem typischen Marvel-Kram vergeuden.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
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