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"Move ist nicht nur ein Gimmick"

Dr. Richard Marks ist Senior Researcher für die Resarch and Development-Abteilung von Sony Computer Entertaiment America. Er ist der Erfinder von Eyetoy und auch bei Move wieder eine der prägendsten Figuren. Wir haben uns mit dem Amerikaner in Berlin getroffen.

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Lange genug hat Nintendo den Markt für Bewegungssteuerung mehr oder weniger konkurrenzlos dominiert. Und während Microsoft den Controller bei Kinect ganz abschafft, setzt Sony mit Playstation Move auf Bewährtes. Die eingesetzte Technik wurde jedoch so weiterentwickelt und verfeinert, dass Hardware-Entwickler Dr. Richard Marks fest davon überzeugt ist, die beste Lösung für Zocker und Gelegenheitsspieler gefunden zu haben. Wir haben ihn in Berlin zu einem Interview getroffen, um herauszufinden, was ihn da so sicher macht.

Wer ist für Move hauptsächlich verantwortlich? Ist es wieder so wie bei Eyetoy, dass es vor allem ein europäisches Produkt ist?
Ich habe in Sonys Entwicklungsabteilung in den USA mit Kameras geforscht. Zu der Zeit war Phil Harrison verantwortlich für die Bereiche Research & Development in Amerika und Europa. Er wollte auf Eyetoy aufbauend ein Produkt beziehungsweise ein Spiel machen, also schickte er mich zu den London Studios, wo ich mit dem Team für ein paar Monate zusammengearbeitet habe. Eyetoy entstand also in der Entwicklungsabteilung in den USA, wurde aber letztendlich von den europäischen Studios zur Marktreife geführt. Mit Move ist es wieder ein bisschen so. Auch das kommt ursprünglich aus den USA, aber diesmal wird weltweit daran gearbeitet. Ein Großteil des Produktes entsteht an unserem Hauptsitz in Tokio, aber die amerikanischen und europäischen Studios unterstützen die Entwicklung.

Und bei der Software? Es schaut so aus, als würden viele Spiele von den britischen Studios entwickelt werden.
Tatsächlich ist das ziemlich gleichmäßig verteilt. Es kommt so ziemlich die gleiche Zahl an Titeln von den europäischen, den amerikanischen und den japanischen Studios. Es ist wirklich ziemlich ausgeglichen. Anders als Eyetoy ist Move global aufgestellt.

Warum kam Move nicht schon früher raus? Nach dem Erfolg von Eyetoy war doch klar, dass es hier eine Nachfrage gibt und Playstation Eye wurde bisher eher stiefmütterlich behandelt.
Wir haben versucht, so viel wie möglich nur mit einer Kamera zu machen und haben uns auch mit 3D-Kameras beschäftigt. Und mit den 3D-Kameras waren wir dann doch etwas eingeschränkt. Es konnten nicht diese Core-Erfahrungen erzeugt werden, die wir gerne gehabt hätten. Also suchten wir nach Alternativen. Und das war der Punkt, an dem wir Controller und Kamera kombinierten und erkannten, wie viel Macht uns das gab. Aber das war auch sehr schwierig, weil die Bewegungssensoren für den Controller sehr teuer waren. Beschleunigungsmesser sind günstig, aber Gyrosensoren waren bis vor kurzem ziemlich teuer - und dazu nicht einmal besonders gut. Es wäre also schwer gewesen, so etwas früher herauszubringen. Es wäre teuer gewesen oder nicht umsetzbar. Und auch die Kamera-Erkennung entwickelt sich ständig weiter, um diese Genauigkeit zu erzielen.

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"Move ist nicht nur ein Gimmick"
Im Interview mit dem Eyetoy-Erfinder und Mann hinter Playstation Move: Dr. Richard Marks.

Aber als die Wii rauskam, funktionierte die Steuerung doch eigentlich ziemlich gut?
Die Wii macht etwas ganz anderes. Die Wii weiß, dass der Controller geschwungen wurde und das man auf einen bestimmten Punkt zeigt. Nintendo hat ziemlich gute Arbeit geleistet, die gesammelten Daten zu nehmen und daraus Spiele zu basteln. Aber es sind eben ganz andere Daten. Wenn ich nach den Meinungen der Entwickler gehe, dann wollten sie schon immer etwas bestimmtes tun, das ging aber aufgrund der wenigen Informationen bisher nicht. Und es gibt seitens der Entwickler viele solcher Kommentare.

Microsoft hat mit Kinect ein gänzlich anderes Steuerungssystem entwickelt. Move ist letztendlich schon sehr nah dran an der Wii, was die Spielerfahrung betrifft. Ist das ein Vorteil hinsichtlich der Spiele-Entwicklung?
Es gibt wirklich eine Menge Dinge, die Entwickler gerne machen wollten, die jetzt mit Move möglich sind. Von der Seite betrachtet muss ich dem zustimmen. Und es ist auch insgesamt für die Entwickler einfacher, ihre Erfahrungen zu nutzen. Wenn man lediglich eine Kamera nutzt, ändert die Art und Weise, wie man interagiert. Es gibt keine Knöpfe, man kann nicht einfach Dinge aufnehmen. Dafür können Bewegungen des Körpers ziemlich gut wahrgenommen werden. Das funktioniert beim Tanzen und bei Fitness gut. Aber es ist oft schwer, die Erfahrungen, die es mit dem Controller gibt, darauf zu übertragen. So ein System ist in manchen Sachen gut - aber eben nicht in allen.

Also ist der Fakt, dass Move mit Tasten ausgestattet ist, der große Vorteil gegenüber Kinect?
Es gibt natürlich noch mehr Vorteile. Alles, was wir bereits mit Eyetoy machen konnten, können wir sofort machen. Wir können dazu mit der leuchtenden Sphäre sehr präzise die Bewegungen erfassen. Das funktioniert auch bei Dunkelheit bestens und es funktioniert schnell und sehr genau. Wir haben Buttons und auch sonst ist es einfach besser, etwas in seinen Händen zu halten, wenn man in der virtuellen Welt auch etwas in den Händen hält. Wenn man beispielsweise in der virtuellen Welt eine Waffe, ein Schwert oder so etwas in der Hand hält, dann fühlt es sich sehr unnatürlich an, wenn man in der realen Welt nur seine Hand hat. Es ist komisch, so zu spielen, auch wenn es in bestimmten Momenten vielleicht magisch anmutet. Ich denke, wir haben so das beste aus beiden Welten: Kamera und Controller.

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Steigen die Entwicklungskosten, wenn ein Entwickler einen Titel für Move fitmachen will?
Ein Spiel für Move zu entwickeln, ist nicht komplizierter, als ein Spiel für den Dual Shock-Controller zu entwickeln. Es geht eben um die Daten, die aus dem System kommen und verarbeitet werden müssen. Aber es ist eben neu, und es gibt vielleicht noch nicht so viel Erfahrung im Entwickeln solcher Spiele. Man muss ein wenig umdenken. Aber ansonsten ist das nicht komplizierter in der Entwicklung.

"Move ist nicht nur ein Gimmick"
Dr. Richard Marks hatte diverse interessante Technik-Demos im Gepäck.

Gibt es einen persönlichen Favoriten für Move - ganz unabhängig davon, wer es entwickelt?
Was ich an Move mag, ist, dass es so viele Genres unterstützt. Spiele, die ich typischerweise mag, sind Action-Rollenspiele, also freue ich mich natürlich auf Sorcery. Das wäre wohl mein Lieblingsspiel. Ich mag auch Echtzeit-Strategiespiele sehr. Die spiele ich oft am PC und ich würde mich freuen, wenn die auch auf die PS3 kommen. R.U.S.E. wird ja beispielsweise Move unterstützen. Das probiere ich sicher auch aus. Ansonsten würde ich mich freuen, wenn es viel mehr in dieser Richtung gibt. Diablo mit Move-Unterstützung, das wäre doch mal was.

Kinect beherrscht Gesichtserkennung. Besitzt das Playstation Eye auch solche Fähigkeiten?
Wir haben in der Research and Development-Abteilung eine Menge Zeit mit Gesichtserkennung verbracht und das auch auf die Playstation transportiert, so dass jeder Entwickler darauf zurückgreifen kann. Wir sind gerade dabei, die Gesichtserkennung mit Playstation Move zu kombinieren. Es gibt bereits ein paar Tools und Codes, die zeigen, wie das funktioniert.

Du arbeitest ja bereits seit vielen Jahren im Bereich der Kamera-Entwicklung. Noch eine Ahnung, wann es mit Move los ging?
Nein, nicht wirklich. Im Grunde ging es ja mit Eyetoy vor zehn Jahren los. Aber vor zweieinhalb Jahren haben wir uns entschlossen, Move so zu entwickeln, wie es heute ist. Trotzdem ist es ein Prozess, der sich wirklich nur schwer abgrenzen lässt.

Eyetoy war sehr europäisch, wo hingegen Move heute sehr global vermarktet wird. Glaubst Du trotzdem, dass es kulturelle Unterschiede gibt, welche diese Art von Spielen betreffen?
Ich denke, dass der europäische Markt besonders erfolgreich mit Spielen war, die auf eine gemeinsame, unkomplizierte Spielerfahrung abzielten. Da gab es Buzz, Singstar und Eyetoy, die hier sehr viel erfolgreicher waren als in den USA. Amerika scheint diesbezüglich etwas mehr auf die sogenannten Core-Games abzufahren. Trotzdem glaube ich, dass Move beides gut bedienen kann, weil es eben nicht nur für Gelegenheitsspieler ist. Und das trifft so vielleicht auch auf Japan zu. Dazu kommt, dass Eyetoy sehr stark von den London Studios beeinflusst wurde. Und die konzentrierten sich bei der Entwicklung der Spiele natürlich auch auf Europa.

"Move ist nicht nur ein Gimmick"
Sphere heißt der leuchtende Ball am Ende des Controllers. Er ist die optische Verbindung zum Playstation Eye.

Move soll beides gut verbinden, die Zocker mit den Gelegenheitsspielern. Ist es für Zocker nicht eher bloß ein Gimmick?
Zunächst einmal werden viele der Titel natürlich beide Steuerungen unterstützen - so zum Beispiel Killzone 3 und Socom 4: Special Forces. Und nehmen wir mal Killzone 3: Wir können mit der Move-Unterstützung unseren Markt verdoppeln. Spieler, die bisher wenig Interesse an Shootern hatten, beginnen sich aufgrund der neuen Steuerung für das Spiel zu begeistern, weil sie diese als einfacher und natürlicher empfinden. Das Spiel mag so vorher schon ein gutes Spiel gewesen sein, aber die Eingabemaske hat einige Spieler ausgegrenzt und das erkennen die Entwickler. Und wenn man seine Zielgruppe verdoppeln kann, ist das ganz sicher nicht nur ein Gimmick.

Und das ist dann auch für Zocker besser?
Ich bin mir tatsächlich nicht sicher, wer nachher wirklich besser ist. Der Spieler mit oder ohne Move? Und wenn du mit mit der neuen Eingabemaske besser bist, dann ist es doch egal, ob das nun für Gelegenheitsspieler oder für Zocker gedacht war. Darauf kommt es doch am Ende an. Und es spielt sich für manchen vielleicht einfach besser in einem Shooter, wenn man ein Fadenkreuz hat, dass durch den Move-Controller frei beweglich ist. Natürlich, Arcade-Shooter unterscheiden sich von den ansonsten üblichen First Person-Shootern, aber die Steuerung ist wirklich gut. Und am Ende wird man sich das Ergebnis anschauen müssen, denn beispielsweise in einem Mehrspieler-Spiel wie Socom wird sich kein Spieler die für ihn bestmögliche Steuerung entgehen lassen. Und das könnte eben auch Playstation Move sein.

In dieser Generation ging es viel um Bewegungssteuerung. Was ist der nächste große Schritt?
Ich glaube, dass es weiter die Bewegungssteuerung ist. Eyetoy war Bewegung, Wii ist Bewegung, Move sogar mehr ein Eingabgegerät für eine Art virtuelle Realität. Es gibt diese ganze Bewegungssteuerung, dazu aber auch die Möglichkeit, Dinge irgendwo im virtuellen Raum zu manipulieren. Das gab es vorher so noch nicht. Das ist nicht wie eine Maus-Steuerung, das ist die Evolution der Maus.

Gibt's nicht vielleicht noch etwas anderes?
Ich glaube schon, dass es in Zukunft keine Konsole mehr gibt, die ohne eine solchen Controller auskommt, der frei im Raum erkannt wird und so die Steuerung möglich macht. Vielleicht wird die Umsetzung anders aussehen, aber wer einmal 3D-Steuerung im Raum erlebt hat, wird darauf nicht mehr verzichten wollen.



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