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Need for Speed: Shift

Need for Speed: Shift

Petter hat sich hinter das Lenkrad eines krass getunten EVO IX gesetzt und sich auf die Bahn begeben, um in EAs bald erscheinendem Need for Speed: Shift den Asphalt rauchen zu lassen. Dabei rechnet das Spiel ein für alle Mal mit der Vergangenheit der Serie ab.

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Nach einer Stunde bin ich soweit, dass ich aufgeben will. Obwohl ich mir geschworen hatte, nicht die Geduld zu verlieren. Obwohl ich mich vorab darüber informiert hatte, dass Need for Speed: Shift von den gleichen Leuten entwickelt wurde, die hinter dem schwierigsten Rennspiel aller Zeiten stehen: GTR 2. Aber trotzdem... Am Anfang breche ich fast zusammen. Ich schreie den Fernseher an, raufe mir die Haare. Und verliere Runde um Runde. Mein hellblauer Honda Civic ist so träge, dass die Zeit stehen bleibt. Er wankt wie eine alte Hollywoodschaukel und schon nach einer Runde sind die Bremsen überhitzt. Die Gegner fliegen nur so an mir vorbei und jede Kurve ist ein neuer Anlass für Unmut. Ich bin einfach absolut unfähig...

Need for Speed: Shift fängt wirklich schlecht an. Nicht nur schwierig (ich spiele von Anfang an ohne jegliche Hilfsmittel), sondern richtig schlecht. Es dauert eine Weile, bis man sich an die Physik gewöhnt, die einem wirklich gar nichts verzeiht und auch eine Weile, bis man den unchristlich erbärmlichen Civic los wird. Ich wechsele zum Lenkrad, quetsche meinen klapprigen, alten Oparücken in den Playseat der Redaktion, schleudere den Controller hinters Sofa und fange von vorne an. Der Civic ist weg, ausgetauscht gegen einen krass getunten EVO IX. Und ich sitze gekrümmt im Stuhl, die Hände in einer vorbildlichen Zehn-vor-Zwei-Haltung. Jetzt komme ich in Gang, wortwörtlich gesprochen. Jetzt erwacht Need for Speed: Shift zum Leben. Im Ernst.

Im Ernst.

Genau so möchte ich Need for Speed: Shift zusammenfassen. Ein todernster Simulator, der angesichts des munteren Arcade-Racings, das sie uns die letzten sechs Spiele geboten haben, nur die Nase rümpft. Vergiss die schlottrig-läppischen Wettrennen in Undercover oder Most Wanted, vergiss freie Städte ohne Details und käsige Zwischensequenzen mit sich verausgabendem Hollywood-Ausschuss. Shift ist eine neue Ausrichtung für EA. Ein Versuch, alle diejenigen von uns anzulocken, die sehnlichst und bislang vergeblich auf Gran Turismo 5 oder GTR 3 warten. Need for Speed: Shift ist eine sehr gut gelungene Fusion zwischen GTR 2 und Project Gotham Racing mit einer Präsentation, die die Gedanken in Richtung Forza Motorsport lenkt.

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Hier geht es um Rennsimulation sowie die Möglichkeit, seine Autos zu tunen und zu stylen. Um rücksichtslose, harte Wettrennen, bei denen man als Fahrer in jeder einzelnen Kurve auf die Probe gestellt wird. Shift ist nicht perfekt, aber ein verdammt guter Anfang von etwas, das mit Leichtigkeit das Fiasko des letzten Jahres deklassiert. Am Anfang von Need for Speed: Shift (Karriere-Modus) steht man wie bei Forza Motorsport oder Gran Turismo ganz ohne Auto da. Auf Brands Hatch müssen wir in einem getunten BMW M3 unsere Skillz testen und abhängig davon, wie gut wir sind, stellt das Spiel selbst den Schwierigkeitsgrad ein. Es bestimmt, wie viel Hilfsmittel im Auto aktiviert werden sollen und wie viel Geld wir bekommen, um die erste Karre einzukaufen. Ich gewinne das Rennen und beginne meine Karriere mit dem Schwierigkeitsgrad Experte.

Mit 20.000 Dollar in der Tasche sind wir gezwungen, clever zu handeln, uns durch die nötigen Sklavenwettbewerbe zu schlagen, um dann weiter hinauf tauschen zu können. Der Karrieremodus ist in fünf verschiedene Sektionen aufgeteilt. Die ersten vier Teile von Shift werden „Tiers" genannt und hier geht es bei den Rennen darum, Sterne zu sammeln. Für jedes gewonnene Rennen gibt es eine gewisse Anzahl Sterne, mit denen wir dann nach und nach den nächsten Teil des Spiels freischalten - mit den Sternen als Währung.

Zwei Drittel der Sterne jeden Rennens gewinnen wir, indem wir Erster werden. Den Rest gibt es für kleinere Aufträge und Herausforderungen, die während des Rennens absolviert werden. Oft geht es bei diesen Herausforderungen um eine bestimmte Anzahl Überholmanöver oder darum, die Farbe von den gegnerischen Karren abzuschrammen. Wenn man gemein sein will, so könnte man sagen, dass dies ein ziemlich unbeholfener Teil von Shift ist und auch ein sinnloser Versuch, diesen Simulator ein bisschen mehr zu „Mainstream" zu machen. Ein bisschen mehr... Grid. Für mich ist das alles aber ein Schuss in den Ofen und deswegen scheiße ich hochachtungsvoll auf diese kleineren Herausforderungen und konzentriere mich stattdessen mit ganzem Herzen aufs Gewinnen. Nur aufs Gewinnen.

Am Anfang des Spiels werden wir darüber informiert, dass die Fahrer des Need for Speed: Shift-Universums in zwei verschiedene Kategorien aufgeteilt sind. Aggressive Driving und Precision Driving. Meine erste Runde auf Brands Hatch geht ziemlich wild zu, weil ich unfreiwillig einen unschuldigen kleinen Seat Leon Cupra auf den Schotter befördere. Das Spiel beurteilt mich deswegen als aggressiv und die kleinen Herausforderungen vor jedem Rennen drehen sich für mich nun fast konstant um Dinge, die mit autoübermittelter Gewalt zu tun haben. „Ramme einen Gegner", „Mach ein bösartiges Überholmanöver", „Sorge dafür, dass ein Gegner sich dreht, wirbelt und von der Fahrbahn abkommt, ohne dass dir dasselbe passiert". Albern. Dies ist ein Teil von Need for Speed: Shift, der mir nicht gefällt und der einfach nicht in ein Rennspiel hineinpasst, das ansonsten eine selten ernsthafte Sicht aufs Asphaltrennen eröffnet.

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Meine Erwartungen an die Autophysik und das Fahrgefühl in Shift waren enorm. Absolut unrealistisch. Denn das Spiels ist trotz allem von den Leuten zusammengebastelt worden, die auch hinter GTR 2 und GT Legends stehen. So hat sich nämlich alles abgespielt (natürlich in mächtig vereinfachter Form): Das Core-Team bei Simbim (das für den ersten Teil der Kompetenz bei der Entwicklung von GTR 2 verantwortlich war) machte die Biege und startete das Studio Blimey Games. Die Autophysik in Shift gründet sich auf diejenige, die erarbeitet wurde, um in dem bereits von Blimey angekündigten Spiel Ferrari Project verwendet zu werden. Blimey wurden aufgekauft, Slightly Mad Studios waren geboren sowie eine enge Zusammenarbeit mit EA.

Deswegen würde ich lügen, wenn ich nicht behaupten würde, dass das Fahrgefühl in Shift vor allem an das von GT Legends erinnert. Denn das tut es, aber mit ein paar wichtigen Unterschieden. Die Autos sind einen Tick schwerer, die Physik der Reifen wurde verbessert und verändert, um mehr Schwungkraft zu simulieren und das Friktionssystem ist bockiger, empfindlicher. Vergiss alles, was du in den Gran Turismo-Spielen gelernt hast, wo man sich immer durch die Kurven treiben lassen konnte oder wo ein Sportauto mit Vierradantrieb auf die gleiche Weise untersteuert und durch die Kurven rutschte wie ein Auto mit Vorderradantrieb.

Vergiss auch alles, was du in Forza Motorsport 2 gelernt hast, wo ein übertriebener Stabilitätsassistent es möglich machte, dass man sich in Kurven hineinbremsen konnte, während man hastig das Lenkrad herumriss, um die Kurve zu nehmen - das alles, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. In Shift sind es die ruhigen Bewegungen, die wichtig sind, wenn wir ohne jegliche Hilfsmittel spielen. Ruhiges Gasgeben, ruhige Steuerbewegungen. Alles, was hastig und ruckend gemacht wird, wird bei schnellen Geschwindigkeiten direkt bestraft. Wir müssen sehr deutlich sein und den Schwerpunkt des Autos verlagern, bevor wir anfangen, das Auto durch Haarnadelkurven zu drehen.

Shift fordert Geduld, Zeit und Training. Genau wie die meisten Simulatoren. Man muss in seinem Auto die Balance finden, lernen, analog Gas zu geben und den Schwerpunkt effektiv zu verlagern. Bei den härteren Schwierigkeitsstufen ist es unheimlich wichtig, dass man die Reifen nicht dazu zwingt, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Genau wie in der Wirklichkeit. Wenn man dies tut, verliert man schnell Geschwindigkeit und landet nicht selten neben der Fahrbahn.

Am schnellsten sind wir immer, wenn wir zunächst bremsen, stark und manchmal sogar übertrieben, wenn wir enge Linien wählen und dann aus der Kurve hinaus beschleunigen. Das erfordert ein wenig Training, aber wer es erst einmal drauf hat, sind die Rennen ergiebig, spannend, süchtig machend und schrecklich intensiv. Leider sind die computergesteuerten Gegner, im Unterschied etwa zu GTR 2, ein bisschen zu aggressiv und ein wenig zu vorprogrammiert, als dass sich ein richtig ökonomischer und enger Fahrstil in dem Maße lohnen würde, wie er das beim wirklichen Rennen tut.

Um so erfolgreich zu werden, wie man es eigentlich durch smartes Fahren werden sollte, das auf hartes Bremsen vor den Kurven und starkes Beschleunigen beim Weg aus den Kurven heraus fokussiert ist, muss man sich ins Internet begeben. Hier sorgen die menschlichen Gegner (die verblüffend oft zu glauben scheinen, dass Need for Speed: Shift das gleiche ist wie Race Driver: Grid) dafür, dass ein ökonomischer Fahrer einfach aufgrund reiner Intelligenz und guter Kenntnis der Strecken gewinnt.

Der vielleicht beste Aspekt der Autophysik in Need for Speed: Shift ist, abgesehen von der sehr stabilen Stimulation der Reifenfriktion, der Unterschied zwischen den verschiedenen Autotypen und Antrieben. Kurze, kleine Autos werden in den Kurven schnell, untersteuert, aber kompakt und stabil. Hinterradgetriebene Muskelmonster wie die Corvette Z06 oder der Ford GT sind schlenkrig, ungestüm und superstark und lieben es, mit dem Heck auszureißen. Im Unterschied zu beispielsweise Gran Turismo 5: Prologue dürfen wir breit fahren, wenn uns danach ist. Man kann ganz wunderbar alle Assists abstellen und die Kurven eher wie ein Samuel Hübinette statt einem Mattias Ekström tackeln, wenn man denn nun gerne so wahrgenommen werden will.

Am meisten Spaß macht es, die Allrad-Autos zu fahren, deren konstanter Halt und überlegene Kurveneigenschaften ein stabileres und schnelleres Fahren ermöglichen als die anderen Antriebsarten. Genau wie es sein soll. Slightly Mad Studios haben zum Beispiel das Fahrgefühl des Mitsubishi EVO IX perfekt eingefangen und ihm genau den richtigen Charakter gegeben. Er ist kamikazemäßig direktgesteuert, flink, beschleunigt schnell und stabil aber mit ein bisschen zu viel Tiefe im Motor und einer schwachen Höchstgeschwindigkeit. In der getunten Form ist der 9er jedoch eines der absolut besten Autos des Spiels, das sich am leichtesten fahren lässt und zu dem ich anscheinend immer wieder zurückkehre, wenn die Supersport-Monster das Kurvennehmen unvorhersehbar und chaotisch machen.

In Shift gibt es eine Menge unterschiedlicher Renndisziplinen. Außer den normalen Wettrennen gegen acht andere Fahrer gibt es das Time Attack-Rennen, den Elimination-Lauf, Car Battle und Drift. Am besten sind Time Attack und die Duelle, in denen man auf einen Rivalen trifft und in drei Versuchen schlagen muss, um das Preisgeld zu gewinnen. Am schlechtesten sind die Drift-Events, die eine Menge zu wünschen übrig lassen.

Außer dem Drift-Part gibt es ein paar weitere, kleinere Probleme bei Shift. Die Verzögerung in der Steuerung ist die größte Schwäche des Spiels, aus der vor allem dann Probleme entstehen, wenn man während der Fahrt das ganze Auto auf dem Bildschirm sehen will. Genau wie bei GTR 2 verändert sich das Fahrgefühl je nachdem, mit welcher Perspektive wir spielen. Dies hat vermutlich damit zu tun, dass die Simulationsfüchse der Slightly Mad Studios am härtesten an der verdammt coolen Cockpit-Sicht gearbeitet haben. Genau wie bei GTR, GTR 2, GP Legends, Live for Speed und GT Legends ist der einzige Weg, in Shift richtig gut zu werden, in Cockpit-Sicht zu spielen. Die ist im Unterschied zu vielen anderen Rennspielen dieser Generation nicht nur eine visuell beeindruckende, aber fahrtechnisch absolut wertlose Dekoration, sondern erfüllt tatsächlich eine unerhört wichtige Funktion.

Bezüglich der Minuspunkte kriegt auch das grafische Interface einen Seitenhieb ab. Es ist undeutlich und häufig sogar unleserlich, weil schlechte Typos ausgewählt wurden und es mit übertrieben viel Information vollgestopft ist. Den Text zu deuten, der links vom Bild liegt (über Herausforderungen, Fahrstil, Gegner, Gegnerzeiten) ist nahezu unmöglich, weil er extrem kompakt und gleichzeitig halbtransparent gesetzt ist.

Abgesehen von der undeutlichen Schnittstelle ist Need for Speed: Shift jedoch unerhört hübsch. Die Automodelle gehören zum schickesten, was ich jemals in einem Rennspiel gesehen hab, inklusive Gran Turismo 5: Prologue. Die Polygonanzahl ist massiv und die fantastischen Realzeitreflexionen im Lack sind sehr beeindruckend. Auch im Innern der Autos sieht Shift brillant aus und hat die realistischsten Interiors, die ich je gesehen hab.

Die Levels sind, genau wie die Autos, unverschämt realitätsgetreu und häufig in eine entzückende (und warme) Abendsonne getaucht, die auf den gut polierten Autodächern Blendenflecke erzeugt. Dazu kommen superhochaufgelöste Schattenprojektionen und wunderbar appetitliche Effekte beim Fokus und der Bewegungsunschärfe. Dass die Slightly Mad Studios dazu noch den guten Geschmack hatten, nicht zu viel Bloom-Effekte zu verwenden (die größte Grafikplage dieser Generation, anyone?) erfreut ein Simulator-Herz wie das meinige.

In Bezug auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Versionen von Need for Speed: Shift (PC, Playstation 3 und Xbox 360) fühlt sich die PC-Version am allerbesten an. Mit einem starken PC kannst du Grafik über das hinausjagen, was die Konsolen liefern und weil Shift (meiner Meinung nach) mit einem Lenkrad gespielt werden muss, möchte ich die PC-Ausgabe am wärmsten empfehlen. Die zwei Konsolenvarianten sind im Grunde identisch, außer dass die Ladezeiten auf der Playstation 3 ein paar Sekunden länger sind.

Als ich Need for Speed: Shift das erste Mal testete, war ich darüber verwundert, wie unnachgiebig und simualtormäßig das Spiel war. Heute, nachdem ich alle Wettbewerbe des Spiels bestanden hab, bin ich darüber erfreut, dass die Slightly Mad Studios den harten Weg gewählt haben. Natürlich, das Ganze ist nicht fehlerfrei und wird im nächsten Monat wahrscheinlich von Forza Motorsport 3 überholt werden. Aber Need for Speed: Shift ist ein verdammt guter erster Versuch und ein gutes Rennspiel. Mein Tipp für alle, die die Schnauze vom oberflächlichen Arcade-Racing in Race Driver: Grid voll haben, ist deswegen, sich ein gutes Lenkrad und ein Exemplar von Shift anzuschaffen. Und der Herbst ist gerettet.

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Gut gemachte Autophysik, wunderbare Grafik, abwechslungsreiches Racing, inhaltsreiche Pro-Tour, guter Online-Modus, herrliche Autoauswahl
-
Begrenzte Tuningmöglichkeiten, fade Künstliche Intelligenz
overall score
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