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Past Cure

Past Cure

Reicht eine interessante Narrative, um uns durch dieses Spiel zu führen, das sich offenbar zu viel aufgetan hat?

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Der kleine Indie-Titel Past Cure wurde von nur acht Menschen entwickelt und das ist sicherlich ambitioniert. Das Projekt bemüht sich die cinematische Erfahrung von Filmklassikern, wie Fight Club und Inception, einzufangen, während es uns einen Mix aus verschiedenen Gameplay-Stilen bietet. Past Cure ist das erste Projekt des deutschen Videospielentwicklers Phantom 8 Studios und es ist vor einigen Wochen den größeren Plattformen erschienen (bis auf die Switch). Was ist aus den hochragenden Ambitionen des Entwicklers geworden?

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Die besseren Szene von Past Cure spielen in der Alptraumwelt, die nicht nur auf einer optischen Ebene funktionieren.

Wir übernehmen die Rolle des ehemaligen Entwicklers Ian, der in seinen Träumen von aufdringlichen Schrecken und Halluzinationen heimgesucht wird, weil er jahrelang in Syrien als Laborratte gehalten wurde. Seine Erinnerungen an die vergangenen drei Jahre sind getrübt und damit sein Verstand überhaupt zusammengehalten wird, muss er auf mysteriöse, blaue Pillen aus dem Darknet zurückgreifen. Da sich Ians mentaler Zustand stetig verschlechtert bleibt ihm nur wenig Zeit um die Hintergründe seiner Misshandlung zu verstehen und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Handlung verschlägt uns in ein Netz aus Intrigen, aus dem wir verzweifelt einen Ausweg suchen und letztlich auch versuchen, Ians Alpträume zu überwinden. Das Problem ist nur, dass die Schauspieler das alles hölzern umsetzen und dass wichtige Akteure in der Geschichte nicht anständig ausgearbeitet wurden - vor allem bemerkbar bei Ian und seinem Bruder Marcus.

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Bevor wir uns das Gameplay im Detail anschauen wollen wir direkt die größten Schwächen besprechen: Es mangelt dem Spiel an Identität. Past Cures hat ehrgeizige Ziele und flirtet gleichzeitig mit Elementen des psychologischen Horrors, Action aus der dritten Person und Rätselpassagen. Das alles geschieht jedoch ohne roten Faden, der die einzelnen Bestandteile kohärent zusammenhält. Das ist nicht einmal ein Problem der Direktion, sondern grundsätzliche auf die sorglose Ausführung (wir kommen gleich darauf zurück) zurückzuführen. Vielleicht hätte eine längere Spielerfahrung dafür gesorgt, dass der Entwickler diese Aspekte besser miteinander verknüpft, doch die knapp sechsstündige Geschichte von Past Cure fühlt sich insgesamt gehetzt und verwirrend an.

Das dritte Kapitel hatte dabei eigentlich so starke Momente: Gefangen in unseren eigenen Alpträumen stehen wir einer Porzellanfigur gegenüber, die hinter einem Schachbrett sitzt und mit einer Pistole auf uns zielt. Wir merken schnell, dass eine Figur auf dem Brett fehlt (der König) und beschließen, sie zu suchen. Endlich gefunden entdecken wir, dass sich das Spielfeld verändert und als sich Ian weigert weiterzuspielen, bleibt ihm plötzlich die Luft im Halse stecken. Wann immer wir uns also dazu entscheiden die Spielregeln zu ignorieren erleidet Ian Schmerzen. Das interessante Konzept wird allerdings schnell aus dem Fenster geworfen, da wir anschließend unvorstellbar lahme Rätsel lösen müssen (es gibt sogar eine Szene, in der wir uns durch ein richtiges Labyrinth bewegen und Schalter aktivieren).

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Das Gegnerverhalten ist zu großen Teilen dafür verantwortlich, dass Past Cure nur ein mittelmäßiges Spiel ist.
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In der Gefangenschaft hat Ian menschenunwürdige Experimente über sich ergehen lassen müssen und in diesem Zuge besondere Kräfte erhalten. Mit der astralen Projektion, die uns ein bisschen an Watch Dogs erinnert, ist es möglich entfernte Sicherheitskameras zu deaktivieren und aus der Deckung heraus die Gegend zu erkunden. Die zweite Fähigkeit ist die Zeitmanipulation, mit der wir diese kniffligen Kopftreffer landen und schneller um Deckungen kriechen. Wenn wir diese Kräfte einsetzen ohne blaue Pillen einzunehmen verliert Ian seinen Verstand, was visualisiert wird indem der Bildschirm langsam verschwimmt. Wir mochten diese Mechanik, da die Abhängigkeit zur Schwarzmarkt-Droge den Einsatz der Talente beschränkt.

In den actionlastigeren Sequenzen fühlt sich Past Cure besonders unterdurchschnittlich an. Im vierten Kapitel winden wir uns zum Beispiel durch lange Ventilatorenschächte und schießen immer wieder gleich aussehende und handelnde Feinde in einer Tiefgarage ab. Das Geballer fühlt sich zudem stets unpräzise an und von halbhohen Mauern und Autos aus zu schießen, wie das bei Gears of War funktioniert, ist keine Option. Es gibt außerdem diese suizidalen Typen in den weißen Shirts, die sofort auf uns zugestürmt kommen, wenn sie uns entdecken, und Ian mit Karateattacken zu Boden bringen. Wer seine Karten nun auf die Stealth-Option setzt, wird ebenfalls enttäuscht, denn diese Komponente hält sich selbst gegen die schwache Shooter-Mechanik nicht. Wir können uns nämlich weder hinter Deckung verstecken, noch einen alternativen Pfad entlangschleichen. Und außerdem gibt es einfach Wachen, die uns sofort entdecken.

Past Cure entscheidet sich für einen grimmigen Kinostil, der uns in den meisten Fällen sehr gut gefallen hat - vor allem vor dem Hintergrund des kleinen Teams. Manche Bilder müssen sich echt kaum vor AAA-Produktionen verstecken, im Besonderen denke ich da an die Alptraum-Sequenzen. Leider gibt es immer wieder Unregelmäßigkeiten in der Produktion, wie die lachhaften Animationen für Stealth-Kills oder das gleiche, leere Gesicht, das alle Menschen in der Welt tragen. Die größte Schwäche des Spiels ist ganz klar sein Level-Design, das nicht nur immer und immer wieder die gleichen Assets verwendet, sondern dem es auch an Details und Leben mangelt. Ich habe so häufig das Gefühl eines Déjà -vus gehabt, vor allem im sechsten Kapitel, als ich noch einmal durch ein anderes, komplett gleich aussehendes Hotel gestiegen bin, dessen Innenarchitekt sogar die Ausrichtung der Möbel gleich gelassen hat...

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Was einem nach dem Spielen vor allem im Gedächtnis bleibt sind die Keramikfiguren und die Abschnitte in einer Tiefgarage.

Insgesamt bietet dieses Spiel sieben Kapitel, die wir in maximal sechs Stunden beendet haben sollten. Obwohl es die Möglichkeit gibt in bereit gelöste Kapitel neu einzusteigen, macht sich Phantom 8 Studios keine Mühe, uns dafür irgendeinen Anreiz zu bieten. Klar, es gibt Erfolge und unsinnige Sammelobjekte, doch im Gameplay verändert sich rein gar nichts. Da es keine Charakterentwicklung, geschweige denn einen alternativen Pfad gibt, folgen wir schlicht und ergreifend den einen vorgegebenen Weg ein zweites Mal - eine andere Herangehensweise an die Situationen wird uns gar nicht geboten. Nachdem die Credits über den Bildschirm rollen dürfte das Spiel bei der überwältigenden Mehrheit der Spieler wieder von der Festplatte gelöscht werden, was angesichts des ordentlichen Preises von 30 Euro im heutigen Zeitalter schon etwas schade ist.

Past Cure bricht unter dem Gewicht seiner vielen, schwach realisierten Ideen zusammen und schafft es nicht, eine eigene Identität aufzubauen. In sieben Kapiteln wird versucht eine bizarre Geschichte zu erzählen, die psychologischen Horror mit Third-Person-Action und Rätseln kombiniert, das alles aber ohne innere Kohärenz präsentiert. Das Gunplay ist unpräzise, das wiederholte Design der Spielwelt langweilig und das Spiel damit insgesamt eine unbefriedigende Erfahrung mit ausgeprägtem Déjà-vu-Charakter. Einige Traumsequenzen und das fesselde Konzept von Past Cure hatten zwar durchaus Potential, diese Momente sind allerdings nicht so gut, dass es sich dafür lohnt den Rest des Spiels über sich ergehen zu lassen. Falls ihr trotzdem einen Versuch wagen wollt, empfehlen wir euch noch ein bisschen auf den Preissturz zu warten und seid euch bitte wirklich sicher, ob ihr das hier wirklich wollt.

04 Gamereactor Deutschland
4 / 10
+
Handlung verspricht fesselnde Prämisse; visuell ansprechend, vor allem für ein so kleines Team.
-
Die vielen inhaltsleeren Gameplay-Konzepte fallen durch das Raster; Geballer und Stealth sind höchstens Mittelmaß; schwache Synchronisation.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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