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Rise of Venice

Rise of Venice

Heute scheint es schwer geworden zu sein, in Italien eine stabile Regierung zu bilden. Damals in der Renaissance funktionierte das offenbar besser. Die Gaming Minds Studios lassen uns in die Zeit eintauchen und kräftig Handel treiben.

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Jedes Jahr ist Electronic Arts mit der Fußballsimulation FIFA am Start. Ubisoft schickt regelmäßig Assassin's Creed ins Rennen. Und Activision veröffentlicht im gleichen Rhythmus Call of Duty. Jedes Mal gibt es ein paar Neuerungen und Extras, aber das grundsätzliche Spiel ändert sich selten. Und eigentlich finden wir das ja auch gut, wir bekommen frisches Futter von unseren geliebten Serien. Als Kalypso im Frühjahr Rise of Venice angekündigt hat, hielt sich meine Vorfreude in Grenzen. Die Ähnlichkeit zu Patrizier IV und Port Royale 3 war einfach zu offensichtlich - darüber konnte auch der neue Schauplatz am Mittelmeer nicht hinwegtäuschen.

Wir lassen also die Neue Welt und Hanse hinter uns und bewegen uns ans Mittelmeer. Im Mittelpunkt des Spiels steht Venedig, einer der bedeutendsten Orte zur Zeit der Renaissance. Die florierende Hafenstadt konkurriert mit Genua und vom Westen her ist es das Osmanische Reich, das zur Bedrohung wird. Es sind historische Tatsachen, die hier abgebildet wurden und einen angenehmen Hintergrund für unser Tun bilden. Es ist die Zeit von Gewürz- und Seidenstraßen, von hochwertigem Glas und Farben. Wir starten wir als einfacher, kleiner Händler und steigen bis nach ganz oben auf.

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Rise of VeniceRise of Venice
Wir können direkt in die Stadt hineinzoomen oder ein einfaches Menü nutzen - die klassischer Stadtansicht gibt es aber nicht mehr.
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Rise of Venice ist eine Handelssimulation wie die beiden Kalypso-Vorgänger. Uns stehen 22 Waren zur Verfügung, die wir zwischen 25 Städten handeln können. Pro Stadt gibt es fünf verschiedene Güter, die dort produziert werden, die wir aber auch selbst herstellen können. Es funktioniert alles nach dem bekannten Konzept. Ich fand das merkwürdig und musste natürlich Daniel Dumont darauf ansprechen. Der Studio-Chef und leitende Designer bei den Gaming Minds hatte dafür eine ganz einfache Erklärung: Das Handelssystem ist der Kern der Spiele. Es ist ihr großes Pfund und dasjenige, worauf sie stolz sind. Hier gehen keine Waren verloren, alles ist in einem stetigen Fluss und ordnet sich dem Prinzip von Angebot und Nachfrage unter. Und damit wollen sie sehr wohl auch noch eine Weile arbeiten.

Allerdings hat das Team aus Gütersloh trotzdem kräftig an den Stellschrauben gedreht. Rise of Venice baut das politische System deutlich aus, in dem wir uns nun auch mit dem Rat von Venedig herumschlagen müssen. Die zehn einflussreichsten Familien haben hier einen Sitz und als Oberhaupt gibt es darüber noch den Dogen. Wollen wir in Venedig etwas werden, kommen wir daran nicht vorbei. Während wir zuvor nur bestimmte Bedingungen erfüllen mussten, um im Rang aufzusteigen, ist es diesmal zudem notwendig, im Rat der Zehn mindestens fünf Stimmen zu bekommen. Und wollen wir uns hier beliebt machen, sind je nach Ratsmitglied ganz unterschiedliche Anforderungen nötig. Der eine schätzt den Bau von Krankenhäusern, der andere ist sehr gläubig und daher auf diesem Weg beeinflussbar. Alle wiederum schätzen es, wenn wir gegen Piraten kämpfen und wir können auch den Weg der Bestechung mit Geld wählen.

Tatsächlich ist es durch den Rat sehr mühselig geworden, im Spiel voranzukommen. Die Mitglieder verlieren mit der Zeit das Interesse an uns und dazu kommen Konkurrenten, die uns das Geschäft madig machen. Dadurch ist eine Partie sehr viel fordernder geworden. Auf der anderen Seite hilft uns aber die eigene Familie an bestimmten Stellen weiter, auf den Rat Einfluss zu nehmen. Einige Mitglieder der Familie haben Talente, die uns dort nützlich sind. Und heiraten wir später in eine einflussreiche Familie ein, ist es ebenfalls leichter, sich im Rat durchzusetzen.

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Seeschlachten funktionieren immer noch genauso wie in den Vorgängern - mit all den positiven wie auch negativen Aspekten.
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Das Handelssystem wurde nur leicht überarbeitet, es betrifft vor allem die Benutzerfreundlichkeit von Menüs. Die Oberfläche ist aufgeräumter und an vielen Stellen klarer. Die Gaming Minds Studios haben dazugelernt, bessere Hilfe und Hinweise integriert und so ziemlich alles lässt sich nachschlagen. Trotzdem gibt hier noch Luft nach oben. Neulinge werden auf jeden Fall etwas Zeit brauchen, um sich in die Handelssimulation einzuarbeiten. Auch ich habe nach vielen Stunden manchmal noch überlegen müssen, wo ich jetzt eigentlich diese oder jene Funktion zu finden ist.

Ein Grund, warum sich Rise of Venice besser anfühlt, ist die neue Karte. Sie sieht deutlich hübscher und moderner aus. Treten Katastrophen wie ein Vulkanausbruch auf, wird dieser auch tatsächlich sichtbar gemacht. Auch die statische Stadtansicht gibt es nicht mehr und an Stelle dessen können wir stufenlos ins Geschehen zoomen. In den Städten sehen wir dann die markanten Sehenswürdigkeiten, aber auch unsere Betriebe und wichtige Gebäude. All das können wir übrigens auch über ein Menü aufrufen. Bestimmte Gebäude sind so viel schneller zu erreichen.

Wo wir gerade beim Thema Karte sind: Kalypso hat der Handelsversion auch eine echte Karte beigelegt, auf der die Produktionswaren der jeweiligen Städte vermerkt sind. Eine wirklich tolle Idee, weil wir so schnell sehen, welche Stadt was bietet. Schade ist allerdings, dass die Karte fehlerhaft ist und nicht jede Ware auch wirklich in der angegebenen Stadt hergestellt wird. Und so wird aus der Hilfe ganz schnell ein kleines Ärgernis. Aber immerhin ist auf der Rückseite noch ein Miniposter und damit das Papier nicht ganz umsonst.

Rise of Venice
Der Rat von Venedig bringt die größten Veränderungen ein und sorgt dafür, dass wir ziemlich gefordert werden.

Im letzten Spiel gab es eine Funktion, mit der wir automatisiert einen Konvoi losschicken konnten, um zu handeln. Eigentlich sollte dies das Spielen einfacher machen, war aber am Ende ein legaler Cheat, weil wir ohne Mühe Geld scheffeln und dabei die Beine hochlegen konnten. So etwas gibt es nun nicht mehr, aber noch immer ist es gar nicht so schwer, an Geld zu kommen. Weil wir aber monatliche Kosten verursachen und Konkurrenten uns im Nacken liegen, sind wir diesmal auch deutlich mehr angehalten, nach dem Rechten zu sehen. Und weil in dem Aufbau und dem Betrieb von ganzen Produktionsketten bereits sehr viel Arbeit steckt, gibt es über die nun noch vorhandenen Automatisierungen zum Glück nichts mehr ernsthaft einzuwenden.

Gespielt werden kann Rise of Venice übrigens mit bis zu drei Freunden im Mehrspielermodus. Das Angenehme ist, dass wir entweder die Länge eines Spiels durch verschiedene Optionen verkürzen oder aber auch zwischendurch speichern können. Durch beide Möglichkeiten ist es vergleichsweise komfortabel, ein solch komplexes Spiel auch mit menschlichen Gegnern zu spielen. Außerdem gibt es Ranglisten-Spiele, über die wir uns ebenfalls mit anderen messen können. Alle diese Optionen gab es bereits in Port Royale 3.

Zwischen Patrizier IV, Port Royale 3 und Rise of Venice liegen übrigens immer so ziemlich genau eineinhalb Jahre. Gaming Minds scheinen also einen Rhythmus gefunden zu haben, in dem sie uns mit Nachschub versorgen. Und auch wenn der Kern des Spiels gleich bleibt, so fühlt sich Rise of Venice trotzdem anders an. Es ist eine verbesserte Version der Spielidee. Und wer sich jedes Jahr für eines der großen Spiele interessiert, die eingangs genannt wurden, der kann wohl auch nachvollziehen, warum dieser Titel ebenso seine Daseinsberechtigung hat. Es muss nicht immer eine Revolution sein, so lange mit einer Evolution genauso für bessere Unterhaltung gesorgt werden kann. In diesem Fall ist es geglückt.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
interessantes Rätesystem, verbesserte Oberfläche, nette Kampagne, Mehrspielermodus
-
keine wirklich großen Neuerungen
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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