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Seasons After Fall

Seasons After Fall

Das französische Entwicklerstudio Swing Swing Submarine präsentiert uns einen richtigen Augenschmaus mit kleinen Darstellern, reduzierter Spielmechanik und großem Ergebnis.

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Es ist immer der erste Blick, der die Wahrnehmung von etwas beeinflusst und manchmal auch prägt. Das trifft auf Personen ebenso zu wie auf Medien - und gefühlt bin ich davon ganz besonders betroffen. Bei Spielen verzaubert mich eine farbenfrohe Aufmachung viel mehr, als es eine bombastische Inszenierung oder eine rasante Actionpassage schaffen. Es sind diese grafisch unvergleichlichen Titel wie Journey, Firewatch oder Bound, die mich alles andere vergessen lassen, während ich in ihre künstlerischen Welten versinke und den allzu grauen Alltag hinter mir lasse. Nun habe ich vielleicht einen neuen Titel gefunden, der sich auf den ersten Blick ganz hervorragend in diese Liste einreiht.

Seasons After Fall ist ein Plattformer, der mit einer nachvollziehbaren und schlauen Spielmechanik punktet. Wir lernen im Spielverlauf die Fähigkeit, alle vier Jahreszeiten zu kontrollieren und so die Umgebung zu manipulieren. Dadurch erhalten wir Zugang zu neuen Kartenbereichen und lösen mitunter schwierige Rätsel. Die Geschichte von Seasons After Fall dreht sich um eine junge Knospe, die das heilige Ritual der vier Jahreszeiten abhalten möchte, das neues Leben gewähren soll. Dafür müssen wir jedoch zu den vier Hütern der Jahreszeiten gelangen und uns ihre Gaben aneignen. Allen schaffen wir das allerdings nicht, denn wir sind nur eine Art Irrlicht. Deshalb lockt die Knospe einen schlauen Fuchs an, mit dem wir uns durch den Wald bewegen können.

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Wie ihr unschwer erkennen werdet, sieht Seasons After Fall wahnsinnig gut aus - ein echter Augenschmaus.
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Das Spieldesign ist reduziert und auf den Punkt gebracht. Seasons After Fall gibt uns nur sehr wenige Hinweise und dass die Entwickler diese Entscheidung so konsequent durchziehen, mag ich sehr. Es gibt vier Hüter der Jahreszeiten, die in verschiedenen Bereichen des Waldes leben. Der Bär haust im Osten hinter der Steppe, der Kranich im westlichen Sumpf, der Aal lebt hinter den Wasserfällen im Süden und die Zikade hoch oben in einem Baum auf dem Berggipfel. Ich mag es sehr, dass Swing Swing Submarine solch einfache Tiere als Motiv für ihr Abenteuer gewählt haben. Mit diesem recht engen Spektrum an verfügbaren Bildern schaffen es die Entwickler meiner Meinung nach sehr gut, das aktuelle Ziel klar im Auge zu behalten. Der Geschichte gelingt das selbst nämlich nicht, sie wird vielerorts leider zu blass erzählt, um während der malerischen Waldspaziergänge präsent zu bleiben.

Im Frühling schmilzt der Schnee und steter Regen lässt das Wasser ansteigen. Im Sommer blühen die Blumen auf und der Wasserspiegel sinkt. Mit dem Herbst kommen die warmen Winde und Pilze sprießen aus dem Boden, während der Winter den Schnee bringt und das Wasser gefriert. Zwischen diesen vier Möglichkeiten dürfen wir jederzeit und ohne Konsequenzen zu fürchten wechseln, um in erster Linie Plattform-Rätsel zu lösen und Höhen zu überwinden. Die Puzzle sind nicht besonders kompliziert und wiederholen sich in abgewandelter Form mit der Zeit. Da Seasons After Fall aber ohnehin nur für etwa vier bis fünf Stunden unterhält, ist das auch vollkommen in Ordnung. Es bleibt ein tolles Programm, das für einen oder besser noch, zwei Abende unterhält.

Die Steuerung ist in gewisser Hinsicht der Knackpunkt von Seasons After Fall. Auf dem Gamepad wählen wir die Jahreszeiten mit dem Kamera-Stick, neben dem Sprung-Knopf gibt es nur noch eine Taste zum Knurren - damit interagieren wir mit nahen Objekten. Erreichen wir im Sprung eine Kante, zieht sich der Fuchs selbstständig daran hoch. Insgesamt spielen sich die Sprungpassagen aber deutlich zu schwammig, um sie wirklich zu genießen. Vor allem im späteren Verlauf müssen Sprünge richtig getimt werden, was diese Passagen erschwert. Da wir durch Fallschaden nicht sterben, müssen wir bei einem Sturz manuell zum Ausgangspunkt laufen und dabei womöglich noch ein weiteres Rätsel über uns ergehen lassen. Diese sind in den meisten Fällen nur temporär, da sie sich beim Ändern der Jahreszeiten häufig zurücksetzen.

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Leider spielen sich die Sprungpassagen insgesamt etwas zu schwammig, um sie wirklich zu genießen.

Wie ihr unschwer erkennen werdet, sieht Seasons After Fall wahnsinnig gut aus. Der Wechsel zwischen den Jahreszeiten ist etwas störrisch inszeniert, doch sehr natürlich. Was mich neben der Optik noch besonders begeistert hat, ist die akustische Präsentation. Die spärliche Hintergrundmusik des Spiels ist von einem Orchester aufgenommen worden, dem es gelingt, die ruhigen und die actionreichen Passagen von Seasons After Fall einzufangen. Dazu gesellen sich sehr sympathische deutsche Synchronsprecher, die unser stilles Abenteuer begleiten.

Ich habe mich lange vor diesem Punkt gedrückt, aber ich komme einfach nicht um den Vergleich mit Ori and the Blind Forest herum. Moon Studios haben mit dem kleinen Lichtwesen Ori ein phänomenales Abenteuer mit beeindruckender Atmosphäre und ergreifender Geschichte erzählt und diese Erfahrung steht nun einmal im Raum. Seasons After Fall probiert denselben Weg aus, greift dabei ein ähnliches Szenario auf und kombiniert die Erfahrung mit ihrer eigenen, wirklich gelungenen Spielmechanik. Die Manipulation der Jahreszeiten ist das Element, das aus diesem Adventure heraussticht und das Erlebnis einzigartig macht, insgesamt gelingt es Swing Swing Submarine aber leider nicht, die Größe von Ori and the Blind Forest zu erreichen.

Das ist natürlich auch kein Richtwert im eigentlichen Sinne, aber beim Spielen fielen mir die vielen Parallelen auf. Seasons After Fall ist eine tolle, ganzheitliche Erfahrung mit beeindruckender Präsentation. Das Gameplay selbst ist etwas zu repetitiv, um das Spiel für längere Zeit zu genießen, dafür schafft Swing Swing Submarine ein sehr rundes Abenteuer, dessen Geschichte ideal für kürzere Partien geschaffen ist. Die Atmosphäre könnte von einer stärkeren Story profitieren, ich begrüße das einfache Setting von Seasons After Fall aber trotzdem; nicht nur weil ich denke, dass Zikaden eine größere Bedeutung in Videospielen erhalten sollten.

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07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
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fantastische Präsentation, orchestrale Soundbegleitung und tolle Synchronsprecher, Rätsel-Mechanik und Spielmotive sind frisch...
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... aber leider auch etwas repetitiv, rein funktionale Steuerung, leichtes Tearing der PC-Version, Story ist sehr dünn
overall score
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