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Spelunky

Spelunky

Bwahh. Shitto. Menno. Mal ehrlich jetzt!? Es macht mich fertig. Spelunky macht mich fertig. Der kleine Indiana Jones mit der dicken roten Nase und der ebenso großen Kopflampe stirbt. Immer und immer wieder. Ich will den Controller an die Wand werfen, aber was kann der denn dafür? Ich bin einfach zu ungeduldig. Zu neugierig. Zu gierig. Und dann kommt noch Pech hinzu.

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Aber langsam. Was ist Spelunky eigentlich? Es ist die Xbox Live-Version eines PC-Spiels von Moosmouth, das schon eine ganze Weile kostenlos verfügbar ist. Es ist ein Plattformer, ein irres Jump'n'Run-Adventure mit zufallsgenerierten Levels. Jeder neue Versuch ist anders - mal mehr, mal weniger stark. Das Konzept mit den Zufallslevels funktioniert erstaunlich gut. Hilfreich dabei ist auch, dass wir die auf den ersten Blick statisch wirkenden Level mit kleinen Bomben aufsprengen dürfen. Einziges Problem: Davon hat man natürlich nie genug. Und schon gar nicht dann, wenn man sie wirklich braucht. Aber das ist eine andere Story, die muss jeder selbst erfahren.

Der kleine Held, der auf den Spuren seines Vaters wandelt, muss sich durch fünf Welten kämpfen. Jede Welt besteht aus vier Levels, die jeweils ein rettendes Tor haben. Irgendwo. Das muss man finden, kann auf dem Weg aber noch einiges erledigen. Alles und jeden aufheben und werfen zum Beispiel. Oder Schätze sammeln, um sie später in einem der manchmal auftauchenden Shop auszugeben. Dort sind unter anderem Bomben, Seile, Jetpacks, Spike-Stiefel, einen Kompass oder Shotguns im Angebot. Man nimmt alle Items von Level zu Level mit, die Investition lohnt sich also. Man kann aber auch den Ladenbesitzer erledigen und sparen, wenn man nur mutig und schlau genug ist. Oder dumm genug, es zu versuchen.

Auf dem Weg zum rettenden Ausgang sollen wir uns auch noch um eine feine Dame kümmern. Man kann die Damsel ignorieren mit ihren jammerigen Hilfeschreien, sie retten und sich dafür einen Kuss am Levelende abholen. Oder opfert sie einfach für ein schickes Item. Nett ist dass nicht, aber das Spiel ist ja auch nicht nett. Schließlich könnte man sie auch einfach zu Tode peitschen, was häufiger mal aus Versehen passiert - daran ist aber eher die manchmal etwas hakelige Steuerung in hektischen Situationen Schuld.

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Ein Plattformer mit zufallsgenerierten Levels: Jeder neue Versuch ist anders - mal mehr, mal weniger stark.

Der Indiana Jones-Verschnitt darf im Gegensatz zu seinem großen Vorbild so häufig sterben wie er will. Und er wird sterben. Immer und immer wieder. Wir haben unendlich viele Neuversuche, um einen kompletten Durchgang zu schaffen. Aber in jedem Durchgang nur vier Herzen, die für Treffer von Gegnern, zu tiefes Fallen oder den unsachgemäßen Gebrauch von Bomben abgezogen werden. Genau vier Treffer und ein Leben. Wer in eine fiese Falle läuft, verliert gleich zwei Treffer. Und damit schnell die Hoffnung. Nie war die Selbstmordrate in einem Videospiel höher.

Spelunky ist hart, auch weil es einen mit eingeschliffenen Spielgewohnheiten konfrontiert. Immer wieder einen neuen Versuch zu haben, um eine Passage zu schaffen, das ist heute eher der Standard. Aber nicht hier in Spelunky. Man kann nirgendwo Continue drücken. Der einzige Weg zu Sieg: gut spielen, sich konzentrieren und trotzdem freestylen. Man muss selbst mit der Situation klar kommen, immer mal wieder zufällig in einer dunklen Höhle zu landen - nur mit einer Fackel in der Hand, die lediglich einige Meter ausleuchtet. Nun führen Leitern ins bodenlose Nichts. Nun werden Supersprünge zum reinen Lotteriespiel. Passiert das am Ende einer Mission mit nur noch einem Herzen in der Hinterhand, bedeutet Dunkelheit fast den sicheren Tod.

Einfacher wird das Spiel, wenn man mit einem, zwei oder drei Mitspielern im Koop-Modus unterwegs ist. Dann kann man sich gegenseitig wiederbeleben, was Spelunky etwas bezwingbarer macht. Aber nur etwas, denn man kann sich auch aus Versehen verletzen oder töten. Und natürlich mit Absicht. Wer nicht aufpasst, verliert schnell echte Freunde im bitteren Streit darüber, wer nun den entscheidenden Fehler im Tempel gemacht hat, der zum erneuten Scheitern geführt hat.

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Der Deathmatch-Multiplayer für bis zu vier Spieler ist der Couch-Wahnsinn - besser als Bomberman.

Eigentlich muss man wirklich die ganze Zeit miteinander reden, alle Aktionen möglichst gut absprechen und die Mitspieler motivieren. Aber dann kommt wieder einer dieser Momente. Einer dieser klassischen Aussetzer, weil jemand eine Sekunde lang nicht aufpasst. Und wieder ist alles einfach vorbei. Man spricht sich selbst laut den Satz vor: "Hör auf die verdammten Krüge kaputt zu machen für den einen Edelstein, der vielleicht drin ist. Lass' die Finger von den Scheißkrügen!" Es ist ärgerlich, aber natürlich genauso lustig: Spelunky ist quasi ein endlos aneinandergereihter Slapstick-Moment.

Die Grafik ist bezaubernder Pixel-Kram und wird von einem hypnotischen Retro-Synthiesound überlagert. Die Optik ist freundlich und im Kontext der Spielerfahrung eher funktional. Sie ist so freundlich, dass sie etwas den Hass mildert, den man dem Spiel gegenüber zwangsläufig entwickeln wird. Eigentlich habe ich kein Spiel bisher gleichzeitig mehr geliebt und gehasst. Nicht einmal das ätzend-herrliche Super Meat Boy.

Wer keine Nerven mehr für das Abenteuer hat, wechselt einfach schnell zum Deathmatch-Multiplayer. Der ist das komplette Gegenteil und der Wahnsinn. Schneller und lustiger als im originalen Bomberman lassen wir hier mit bis zu vier Spielern im lokalen Match unsere Leben. Man kann sich in den Tod peitschen, mit riesigen Halo-Wummen abschießen, Bomben legen, messern und was weiß ich nicht alles. Was sieht es kaum, so schnell passiert alles. Und immer wieder lachen und schreien alle, weil es so fürchterlich ungerecht ist. Herrlich. Leider nicht online, das gibt‘s nur die Ranglisten. Da kann man sehen, welche Typen es in unter acht Minuten geschafft haben, das Abenteuer zu beenden. Wie irre müssen die denn bitte sein?

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
irre Herausforderung, immer neue Level durch Zufallsgenerierung, tolle Gameplay-Ideen
-
manchmal die hakelige Steuerung
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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KRITIK. Von Christian Gaca

Bwahh. Shitto. Menno. Mal ehrlich jetzt!? Es macht mich fertig. Spelunky macht mich fertig. Der kleine Indiana Jones mit der dicken roten Nase und der ebenso großen Kopflampe stirbt. Immer und immer wieder. Ich will den Controller an die Wand werfen, aber was kann der denn dafür? Ich bin einfach zu ungeduldig. Zu neugierig. Zu gierig. Und dann kommt noch Pech hinzu.



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