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Spielestudio für Nintendo Switch

Mithilfe von Nintendos Spielestudio erweitern wir unsere Spielebibliothek auf der Switch mit unseren eigenen Kreationen.

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Nintendo führt euch mit dieser bunten Benutzeroberfläche spielerisch in die Programmierung eigener Videospiele ein.

Die Welt des Programmierens befindet sich schon seit längerer Zeit im Wandel, denn sie wird durch visuelle Benutzeroberflächen selbst für Beginner immer zugänglicher. Das "visuelle Skripten" verringert dank des Baukastenansatzes die Einstiegshürde der Programmierung und gewinnt vor allem bei Neueinsteigern immer mehr Verwendung. Im vergangenen Monat veröffentlichte Nintendo das Lernspiel Spielestudio, eine Software die uns auf der Nintendo Switch nicht nur die Grundlagen der Programmierung näherbringt, sondern uns auch unsere ganz eigenen Spiele erschaffen lässt.

Zur Hilfe kommen uns dabei die sogenannten Knotixe - das sind kleine, charakterstarke Quadrate, die jeweils eines der vielen komplexen Elemente einer Videospielproduktion verkörpern. Jedes dieser Knotixe wird mit einem thematisch passenden Maskottchen veranschaulicht, wodurch die einzelnen Elemente visuell gut voneinander differenziert werden können: Das Vergleichen-Knotix etwa setzt die Beziehung zweier Zahlenwerte zueinander in Beziehung, das Männchen-Knotix zaubert die Spielfigur auf den Bildschirm und der Hintergrundmusik-Knotix sorgt für die passende Stimmung im Spiel. Unterteilt sind die vielen Knotixe in die Bereiche „Eingabe", „Mitte" (der mathematische Aspekt), „Ausgabe" und „Objekte".

Der Aufbau von Nintendos Spielestudio orientiert sich an einer simplen Zweiteilung: Der lehrende Teil besteht aus sieben interaktiven Lektionen, die den Spielern die Grundlagen der Programmierung und den Aufbau der Software näherbringen. Das Freie Programmieren hilft dem Spieler dabei, ohne Einschränkungen ihre ganz eigenen Ideen zum Leben zu erwecken. Die Ungeduldigen unter uns möchten natürlich gleich ins Freie Programmieren einsteigen, um dort die wildesten Spiele zu verwirklichen, doch so eine Videospielentwicklung hat es echt in sich und bevor ihr euer eigenes Projekt beginnt, benötigt ihr einige grundlegende Kenntnisse, die innerhalb der Lektionen vermittelt werden.

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Die sieben Lektionen in Nintendos verspieltem Lernansatz decken viele gängige Genres ab, während sie euch unter Betreuung diverse Projekte zusammenbauen lassen. Die Lektion "Qualmende Reifen" lässt Spieler ein Rennspiel entwickeln, "Alien-Attacke" bringt ihnen die Grundlagen eines Sidescrollers bei und mit der finalen Lektion "3D-Parcours" geht es ans Eingemachte bei der Entwicklung eines 3D-Actionspiels. Eine Lektion beansprucht zwischen 50 und 90 Minuten, die in leicht verdauliche Schritte unterteilt sind. Wer eine Lektion absolviert hat, wird anschließend innerhalb eines Kontrollpunktes mit überschaubaren Aufgaben auf die Probe gestellt, die sicherstellen sollen, dass das zuvor Erlernte tatsächlich verinnerlicht wurde. Diesen Ablauf verfolgt Spielestudio bis zum Ende.

Je nach Wissensstand fühlen sich die ersten Tutorials fast schon etwas zu ausführlich an, doch mit jeder abgeschlossenen Mission und den darauffolgenden Kontrollpunkten geht es immer tiefer hinein, in die Welt der Videospielprogrammierung. Erfreulicherweise schaltet ihr durch das Absolvieren der Lektionen keine weiteren Inhalte frei, da euch alle Werkzeuge nach initialer Einführung zur Verfügung stehen. Der halbe Spaß beim Entwickeln von Spielen ist das Loslegen und das Erleben persönlicher Aha-Moment, nachdem man einige Male hängen geblieben ist. Der unkomplizierte Wechsel zwischen Lernen und selbstständigem Entwickeln ermöglicht es Spielern, ihr Wissen jederzeit zu vertiefen, ohne eine schulische Atmosphäre zu erzwingen. Wer von den Lektionen erst einmal genug hat, der begibt sich einfach in die weite Welt des Freien Programmierens.

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Ihr solltet euch mit Nintendos Lern-Tutorials beschäftigen, bevor ihr euch in die kniffligen Feinheiten der Programmierung stürzt.
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Spielestudio verfolgt einen cleveren Ansatz, bei dem sowohl die Programmierarbeit, als auch die visuelle Gestaltung eines Spiels in einer bunten Benutzeroberfläche miteinander verschmelzen. Für gewöhnlich finden die Arbeit am Code und die ästhetische Gestaltung eines Spiels an zwei voneinander getrennten Orten statt, doch Spielestudio vereint die beiden Bestandteile in einer Blaupausen-ähnlichen (in diesem Fall gelben) Ansicht. So wird beispielsweise die Position und Größe eines Objekt-Knotixes in der Programmieransicht eins zu eins in die tatsächliche Ansicht des Videospiels übertragen, da wir im Programmiermodus nicht nur die Logik des Spiels aufbauen, sondern auch gleichzeitig die Spielszene gestalten. Wer bereits Erfahrungen mit der Arbeit in Engines hat, muss sich erst an die unkonventionelle Kombination gewöhnen, doch besonders für Neulinge sollte der vereinfachte Ansatz gut funktionieren.

Die Navigation im Programmiermodus macht das Ganze zudem übersichtlich, da einzelne Funktionen der Knotixe leicht nachgeschlagen oder durch die interaktive Tutorialreihe "Alice erklärt's" erlernt werden können. Auch von den Eigenschaften der Nintendo Switch können wir beim Erstellen von Spielen Gebrauch machen. So lässt sich bei der Kategorie "Eingabe" etwa die Drehgeschwindigkeit der Konsole oder die der Joy-Cons abfragen. Wir können außerdem die verbauten Infrarot-Bewegungssensoren der Controller verwenden oder abfragen, ob die Switch aktuell geschüttelt oder geneigt wird. Schnell lassen sich dadurch unzählige Möglichkeiten für die zur Verfügung stehenden Elemente finden, die dank Nintendos simpel gehaltenem Ansatz mit etwas Übung flink umzusetzen sind. Die in den verschiedenen Kategorien untergekommenen Elemente sorgen somit für einen kompakten, jedoch sehr vielseitigen Baukasten, der gut von seinem Dasein auf der Switch Gebrauch macht.

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Wer sich im Internet nach bereits veröffentlichten Spielen umschaut, wird mit allerlei Projekten begrüßt, die den gesamten Umfang der Software ausnutzen.

Wer auf seine eigene Kreation besonders stolz ist, kann diese mit anderen Spielern durch das Veröffentlichen der Spiel- oder Ersteller-ID teilen. Das Konzept ähnelt der Prozedur von Super Mario Maker oder dem Teilen von Daten in den Animal-Crossing-Spielen, mit denen manch einer vielleicht bereits vertraut ist. In diesen Spielen fehlt eine zentrale Online-Bibliothek (was im Falle von Animal Crossing: New Horizons zumindest teilweise durch ein Update ergänzt wurde), die sämtliche Kreationen der Spielerschaft öffentlich präsentiert. Wer sich in diesen Titeln Custom-Inhalte anderer Nutzer herunterladen oder seine eigenen Kreationen veröffentlichen möchte, muss sich auf Webseiten und sozialen Plattformen selbstständig um die Beschaffung und Verbreitung der entsprechenden Spiel- oder Ersteller-IDs kümmern. Media Molecule leistet in diesem Bereich mit Dreams und auch Little Big Planet deutlich bessere Arbeit und vereinfacht den Austausch innerhalb der Community mit einem Hub innerhalb des Spiels.

Wer sich im Internet nach bereits veröffentlichten Spielen umschaut, wird mit allerlei Projekten begrüßt, die den gesamten Umfang der Software ausnutzen. Von Neuschöpfungen klassischer Spiele, wie Donkey Kong oder Doom, bis hin zu Projekten, die aus unseren Joy-Cons eine VR-ähnliche Handsteuerung zaubern, ist alles dabei. Es wird schnell klar, wie viel Potenzial in Nintendos Software steckt, obwohl wir an einigen Stellen an die kreativen Grenzen des Lernspiels stoßen. Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen: Das 2020 veröffentlichte Dreams begeisterte mich mit seiner schieren Komplexität und all den verschiedenen Bereichen der Videospielentwicklung, die Media Molecule mit der Software abdeckt. Im Nachhinein betrachtet wurde mir diese Komplexität jedoch zu viel, auch weil die benötigte Zeit zum Erlernen der jeweiligen Elemente immens anstieg. Alles was ich wollte, war ein Programm, mit dem ich flink und ohne viel Drumherum meine eigenen Konzepte umsetzen oder einfach nur herumexperimentieren konnte.

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Spielestudio liefert genau das, nimmt dabei jedoch Kürzungen in Sachen Ästhetik und visueller Gestaltung in Kauf. So begegnen wir einer recht skurrilen, vordefinierten Auswahl an Objekten, die sich aus Dingen, wie einem UFO, einem Yeti oder einem Nilpferd zusammensetzt. Die 8-bit-stilisierten Objekt-Texturen können von Spielern zwar selbst gezeichnet werden, die Textur der Spielwelt lässt sich innerhalb des Welt-Knotixes hingegen lediglich mit den Eigenschaften "Normal", "Gras", "Metall", "Sand" oder "Kacheln" definieren. In diesen Momenten fühlt sich die Entwicklung von Projekten etwas eingeengt an, als wäre Spielestudio primär auf die Erschaffung kleiner Arcade-Titel aus, anstatt uns die in den Lektionen vorgestellten, diversen Genres vollständig ausleben zu lassen. Vielleicht ist es auch die mit den anderen Plattformen verglichene, geringere Power, die Nintendos Handheld-Konsole in diesem Aspekt zurückhält. Schließlich kriegen wir im Gegenzug die Fähigkeit, während einer Bahnfahrt ein kleines Partyspiel herbeizuzaubern, das sich sogar Eigenschaften, wie den Gyro-Sensor der Nintendo Switch, zunutze macht.

Verglichen mit den Werkzeugen von Dreams mag Spielestudio eine kleinere Auswahl von Anpassungsmöglichkeiten offenbaren, dafür leistet Nintendo umso bessere Arbeit dabei, die Inhalte tatsächlich an die Spieler zu vermitteln, anstatt sie einfach vor ihnen aufzureihen. Der zweigeteilte Ansatz aus Lerninhalten und dem Ausleben der besagten Inhalte funktioniert wunderbar, die Lektionen fühlen sich niemals aufgezwungen an und bringen euch gekonnt nach und nach die immer komplexer werdenden Schritte der Videospielprogrammierung bei. Die Fähigkeit alleinig mit der Nintendo Switch Spiele zu erschaffen, diese kompakt bei sich zu tragen und dabei auch noch Gebrauch von den vielversprechenden Funktionen der Hybridkonsole zu machen, fühlt sich fast schon mächtig an. Wer ein wenig Komplexität aufopfern kann, erhält mit Nintendos Spielestudio den idealen Einstiegspunkt, um sich von einem passiven Spieler zum aktiven Entwickler zu entfalten. Egal ob professionell oder einfach als unterhaltsamer Zeitvertreib.

Spielestudio ist auf der Nintendo Switch für 29,99 Euro im Nintendo-Switch-eShop erhältlich. Wer sich vorerst ein Bild von dem Lernspiel machen möchte, kann sich die kostenlose Demo herunterladen und einen ersten Blick auf den bunten Baukasten werfen.

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Inhalte lassen sich mit anderen Spielern teilen, sofern ihr die benötigten Daten kennt.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
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Lerninhalte vermitteln Grundlagen des visuellen Skriptens, Eigenheiten der Switch eröffnen weites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten, Nintendos verspieltes Design kommt dem Einstieg für Neulinge zugute.
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Projekte anderer Spieler können nur mit vorhandener ID heruntergeladen werden, die visuellen Gestaltungsmöglichkeiten fühlen sich vergleichsweise eingeengt an.
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