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The Beginner's Guide

The Beginner's Guide

Es gibt Spiele, die fesseln. Es gibt welche, die sind beeindruckend. Und einige wenige berühren uns sogar. Und es gibt The Beginner's Guide.

Wir alle spielen eine Rolle. Meistens schlüpfen wir sogar in sehr viele Rollen. Wir verhalten uns anders gegenüber unserer Familie oder unseren Freunden. Wir geben ein anderes Bild ab gegenüber Kollegen, Mitschülern, Kommilitonen, Lehrern oder beispielsweise dem Chef. Wir machen dies in der Regel, um den entsprechenden Erwartungen gerecht zu werden. Auch ich spiele diese Rollen, manchmal sogar ganz bewusst, um Unruhe zu stiften. Ich liebe es, andere zu verwirren und damit deutlich zu machen, dass man sehr vorsichtig mit dem sein sollte, was man zu wissen glaubt.

Das Spielen von Rollen ist dabei etwas ganz natürliches und passiert meist unterbewusst. Manchmal aber wird es auch bewusst eingesetzt, um einen ganz bestimmten Eindruck zu hinterlassen. Besonders verschoben ist das Bild bei Musikern, Schauspielern, Politikern und vielen anderen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Hier wird meist von einem Image gesprochen, um dieses Rollenspiel zu beschreiben. Dieses Bild, das wir haben, muss nicht zwangsläufig besser oder schlechter sein als die Realität. Meist dient es in dem Fall nur der besseren Vermarktung.

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Davey Wreden hat ein Spiel gemacht, in dem vor allem der Entwicklungsprozess und das Innenleben eins Entwicklers in den Mittelpunkt gerückt wird.

Aber auch an anderer Stelle haben wir vorgefertigte Meinungen darüber, wie eine Person ist oder wie sie zumindest sein sollte. Dabei lassen wir uns häufig davon leiten, was andere zu wissen glauben. Wir haben Erwartungen an Ärzte, die Götter in Weiß, und an die Polizei, deinen Freund und Helfer. Was wir aber selten tun, ist diese Personen als gewöhnliche Menschen wahrzunehmen. Diese Fassade ist natürlich immer auch ein Schutz, um eine gewisse Distanz zu wahren. Doch gleichzeitig kann sie zu falschen Einschätzungen führen.

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Und Menschen machen Fehler - auch Ärzte und Polizisten. Niemand ist unfehlbar. Entwickler zum Beispiel wissen oft, was an ihren Spielen nicht so gelungen ist. Sie kennen in vielen Fällen die Fehler, aber hatten nicht die Mittel oder die Zeit, um sie auszubessern. Und so manche wichtige Entscheidung wird nicht aus vernünftigen Gründen getroffen, sondern nur aus persönlichen Befindlichkeiten. Wir sind Menschen, sogar Angela Merkel, Helene Fischer und Til Schweiger. Und oft macht es Spaß, sich vermeintlich wahre Gründe auszudenken, warum etwas so gekommen ist, wie es nun eben ist.

Davey Wreden ist bekannt für sein Spiel The Stanley Parable. Darin geht vor allem um Erwartungen und um Freiheit. Der junge Entwickler wollte zeigen, dass Möglichkeiten auch in heutigen Spielen oft nur vorgetäuscht und scheinbare Entscheidungen doch nur trivial sein können. Eine Wahl ist nicht immer eine Wahl. Wreden gelang dies mit einfachen Mitteln und sein Spiel hatte dabei oder vielleicht auch gerade deswegen etwas Künstlerisches. Die Geschichte von Stanley war wirklich clever. Sie avancierte schnell zum Kritikerliebling und gewann viele Preise.

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Dies ist der Trailer zu The Stanley Parable, für das es in The Beginner's Guide in paar Paralellen gibt.
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Sein neues Werk The Beginner's Guide ist in seinem Ansatz ganz ähnlich. Und meiner Meinung nach ist es auch sehr schöne Erklärung dafür, warum The Stanley Parable ein so unkonventionelles Spiel geworden ist. Noch dazu ist es tatsächlich wieder schwer, etwas über das Spiel zu schreiben, ohne zu viel zu verraten. Eine Person hat Schwierigkeiten mit dem Leben, das ist mehr oder weniger das Grundthema. Es stellt bewusst und unbewusst Fragen und sicherlich kann man sich damit auch länger beschäftigen, als die eineinhalb Stunden, die man braucht, um es abzuschließen.

Ich für meinen Teil war am Ende ziemlich ernüchtert. Nach vielen interessanten und positiven Berichten war ich sehr neugierig. Ich wollte wissen, was diese Menschen so sehr aufwühlen und begeistern konnte. Allerdings hat The Beginner's Guide in mir nichts ausgelöst. Ich war verwirrt, was nun eigentlich der Inhalt sein sollte. The Stanley Parable war witzig. The Beginner's Guide ist ernst. Vielleicht habe ich es einfach nicht verstanden. Oder die Themen waren nicht meine. In jedem Fall hat es mich einfach nicht berührt.

Und dabei habe ich Davey Wreden wirklich gern zugehört. Das ganze Spiel über redet er. Und er analysiert. Es geht um Gefühle und sehr viel auch um die Entwicklung von Spielen. Es ist eine Art Handbuch. Ein paar Dinge davon sind interessant. Es erklärt irgendwie auch, wie The Stanley Parable entstanden ist. Aber als Spiel selbst taugt es nicht so recht. Nein, das hier fällt noch viel deutlicher in die Kategorie Kunst. Nur emotional spricht mich das Kunstwerk eben einfach nicht an. Ich stehe The Beginner's Guide am Ende einfach sehr gleichgültig gegenüber.

The Beginner's Guide
Es ist möglich, dass Davey Wreden mit diesem Spiel nur jenen einen Finger zeigen will, die The Stanley Parable kiritisiert haben. In jedem Fall ist es sehr speziell und deswegen umstritten.

Und das liegt sicher nicht daran, dass mir der Entwicklungsprozess von Spielen egal ist oder etwa die Menschen dahinter. Nein, tatsächlich sauge ich so etwas unglaublich gerne auf. Aber meiner Meinung nach gab in diesem Fall kaum etwas, das neu oder überraschend war. Es fehlte das Aha-Erlebnis. Mit der eingangs beschriebenen Thematik über Rollen wird es einigen ähnlich gegangen sein. Für ein paar war es ein vielleicht unnötiger Fülltext, für andere ein interessanter neuer Aspekt. Und tatsächlich hat er auch direkt etwas mit The Beginner's Guide zu tun, denn auch dieses Thema streift Wreden.

Das Spiel stellt Fragen, mit denen ich mich einfach nicht mehr beschäftige. So wie die Frage nach der Bestätigung, die ebenfalls Thema ist. Natürlich braucht jeder Mensch in irgendeiner Form eine Rückmeldung von seiner Umwelt. Wir sind soziale Wesen. Aber es gibt Menschen in meinem Umfeld, denen ich vertraue, von denen ich sie bereits bekomme. Das reicht mir. Ich war nie süchtig nach Bestätigung und trotzdem freue ich mich, wenn ich welche bekomme.

Vielleicht hat mich das Spiel nicht erreicht, weil es einfach nicht meine Sprache spricht. Weil es dazu anregt, über Dinge nachzudenken, die mich schon lange nicht mehr beschäftigen oder mich noch nie beschäftigt haben. Womöglich habe ich ja etwas übersehen, aber in meinen Augen, ist The Beginner's Guide zu flach für etwas Philosophisches, zu langweilig für etwas Unterhaltsames und zu verwirrend für etwas Lehrreiches. Wobei es für letzteres immer noch am besten taugt - vor allem in Hinblick auf The Stanley Parable.

Es ist ein Anti-Spiel, das Bedeutsamkeit vortäuscht, ohne aber ernsthaft tiefgründig zu sein. The Beginner's Guide ist ein Spiel, bei dem im Museum jeder fragen würde: "Ist das Kunst oder kann das weg?" Nun lässt sich natürlich darüber streiten und es gibt sicher auch Menschen, denen das Werk gefällt. Mancher glaubt ja auch jemand, dass Lady Gaga eine Ikone mit Anspruch und einer außergewöhnliche Stimme ist. Oder dass der Film Inception mit Leonardo DiCaprio klug oder gar komplex ist. Ich glaube derweil, dass The Beginner's Guide einfach banal und öde ist.

03 Gamereactor Deutschland
3 / 10
+
ein paar interessante Ansätze und Gedankenexperimente für Entwickler
-
zu flach für etwas Philosophisches, zu langweilig für etwas Unterhaltsames, zu verwirrend für etwas Lehrreiches
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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