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The Crew 2

The Crew 2

Ivory Tower versucht, die Ideen des ursprünglichen The Crew zu verfeinern und gleichzeitig neue Transportmittel einzuführen. Hat das funktioniert?

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Es ist eine merkwürdige Sache, mit den Ideen, nicht wahr? Manchmal fühlt sie sich so greifbar an, die Qualität einer Idee. Dann ist die Ausführung, die Verwirklichung, die reale Anwendung fast überflüssig. Oder obsolet, das mag ein wenig ein starkes Wort sein. Aber wie dem auch sei, es gibt klare Fälle von qualitativ tollen Ideen, die in der Lage sind, eine weniger als ideale Ausführung zu tragen. Zumindest einen Teil des Weges. Wir loben Filmregisseure für ihren Ehrgeiz und ihr kreatives Denken, auch wenn die grundlegendsten Teile ihrer Filme dem nicht gerecht werden. Oder wir sind bereit, einem Künstler zu verzeihen, wenn er mehrere langweilige Tracks auf ein Album packt, solange sie Teil einer konzeptionell starken Platte sind.

Das ist genau das, was ich bei The Crew spürte, als ich es 2014 für die Kritik spielte. Es gab diesen Ehrgeiz und das Konzept, ein traditionelles Arcade-Rennspiel in so etwas wie ein MMORPG zu verwandeln. Sie wollten die Rollenspielstrukturen anpassen, um ein Engagement über einen längeren Zeitraum zu erschaffen. Das Interesse sollte über die Ziellinie hinaus erweitert und zudem auf das Auto selbst übertragen werden. Dass das Spiel letztendlich in einigen Schlüsselbereichen versagt hat, ist eine ganz andere Sache. Die war ich bereit zu verzeihen. Der Punkt ist: The Crew hat genau das geliefert, was das Eröffnungskapitel einer brandneuen Serie sein sollte. Eine Reihe von starken Ideen, eine konkrete und felsenfeste Identität. Und deshalb war ich bereit - und letztlich waren das die Fans auch - in die andere Richtung zu schauen, als die Ausführung stolperte.

Wenn man diesem Gedankengang bis zur Endstation folgt, sollte The Crew 2 ein Geniestreich sein, eine Gelegenheit für Entwickler Ivory Tower, Ideen und Konzepte zu verfeinern und eine schlankere, robustere Version des Traums von einem gigantischen, offenen, vor Adrenalin nur so pumpenden Rennsandkasten zu präsentieren.

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Und schon von Anfang an scheint es, dass sie die Kritik am Original ins Herz geschlossen haben und mit der dringend benötigten Rationalisierung begonnen hat. Erheblich mehr Ressourcen wurden in die Gestaltung des Spiels investiert. Menüs wurden zusammengeführt, um eine straffere Benutzeroberfläche zu schaffen. Und die klischeehafte Geschichte wurde zugunsten von etwas... nun, allgemeinerem entfernt.

Aber lasst uns erst feiern, wenn wir hier die Ziellinie überquert haben. Denn The Crew 2 ist kein sicherer Podiumsplatz, besonders wenn man anfängt, die äußere Lackschicht abzulösen. Beginnen wir also damit, das Alltägliche, das Gewöhnliche aus dem Weg zu räumen. Thee Crew 2 spielt wieder in den großen, offenen Vereinigten Staaten von Trumplandia. Wir dürfen den Kontinent von Los Angeles nach New York und wieder zurück überqueren, ohne einen einzigen Ladebildschirm zu sehen. Wir stolpern dabei über zufällige Ereignisse, um Geld und zusätzliche Autoteile zu verdienen.

Diese Ereignisse sind Rennen, kleineren Herausforderungen verschiedener Art und Live-Events, bei denen es darum geht, Fotos zu machen oder eine versteckte Box zu finden. Jedes Fahrzeug ist von einer speziellen Klasse und für eine bestimmte Disziplin bestimmt, so dass wir viel tauschen. Für alle finden sich neue Anbauteile, die einen bestimmten Wert haben und das aktuelle Fahrzeuge verbessern. Es ist jene auf Loot basierte Gameplay-Schleife, von der man nicht genug bekommen kann.

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Genau wie das Original The Crew ist das alles eine sehr sorgfältig zusammengesetzte Konstruktion, bei der Elemente aus anderen Genres übernommen wurden, was dazu beiträgt, eine relativ einzigartige Identität zu schaffen. Sicher, manches ähnelt der Forza Horizon-Serie, aber The Crew nutzt die geliehenen Rollenspielmechaniken sehr effektiv aus, und das Ergebnis ist, dass sich The Crew 2 gut und anders anfühlt.

Aber die Fokussierung bedeutet nicht, dass The Crew 2 nicht trotzdem eine ganze Reihe neuer Ideen präsentiert. Denn diesmal gibt es nicht nur verschiedene Fahrzeugklassen, sondern auch ganz neue Transportmittel. In erster Linie kommen Motorräder zurück, nachdem sie in der Wild Run-Erweiterung eingeführt wurden. Aber diese bekommen Gesellschaft von Booten und Flugzeugen. In einem Versuch, Variation zu schaffen, führt Ubisoft neue Transportarten ein, was sich unglaublich nach den unkontrollierten Ambitionen anhört, die das erste Spiel dominierten.

Glücklicherweise bedeuten diese neuen Fahrzeuge nicht, dass eine der bereits bestehenden Fahrzeugklassen gestrichen wurde. Sie haben noch ein Auto für Street Racing, eines für Drift, eines für Drag Racing und ein Hyper Car und sogar ein Tourenwagen. Hinzu kommt die Notwendigkeit, mehr geländegängige Fahrzeuge für Disziplinen wie Rally Cross und Rally Raid zu entwickeln, ohne dabei die Motorräder zu erwähnen. Es gibt immer noch Tonnen und Tonnen von Inhalten. Und was noch wichtiger ist, Tonnen und Tonnen Vielfalt. Man hat das Bedürfnis, jedes der Fahrzeuge zu verbessern und zu pflegen, um erfolgreich zu sein. Diese Schleife macht so süchtig wie eh und je.

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Flugzeuge und Boote existieren trotz der zuerst komischen Anmutung als eine ziemlich natürliche Erweiterung der Kategorien im Spiel. Die oben genannten Klassifizierungen gibt es in den Kategorien Street, Offroad Trial, Freestyle Trial und Pro Racing. Man kann jede dieser Kategorien für die überwiegende Mehrheit des Spiels ausklammern, wenn man will, und sich mehr oder weniger in Straßenrennen mit nur einem Hauch von Freestyling durchschlagen. Wer eher Stunts mag, kann auch diesen Weg verfolgen. Es geht darum, neue Teile anzuhäufen und Fans zu gewinnen. Dem Spiel ist es egal, wie man dorthin kommt. Es gibt hier ein Niveau der Spieltiefe, das für ein ziemlich freies Erlebnis sorgt.

Wer aber nun alles in The Crew 2 erleben will, wird wahrscheinlich auf ein kleines Problem stoßen. Es gibt einen Grund, warum wir nicht alle zwei Jahre fette "Luftrennspiele" mit großem Budget bekommen. Wenn man nun den riesigen US-Luftraum quasi für sich alleine hat und nur ein paar Gegner als Hindernisse dienen, nimmt das irgendwie den Wind aus der Rennerfahrung. Das Gesamterlebnis in der Luft ist leider schlicht langweilig. Dieser Mangel an Finesse bei der Platzierung von Hindernissen, die fehlende strategische Tiefe wie das fehlende Geschwindigkeitsgefühl sind sofort erkennbar. Es ist weder herausfordernd noch unterhaltsam.

Leider gilt das auch auf dem Wasser. Den Powerboat-Rennen fehlt die Abwechslung und Herausforderung, da ist einfach keine Spannung. Natürlich ist die zusätzliche Manövrierfähigkeit beim freien Herumstreunen in der Welt fantastisch und man kann im Handumdrehen von Auto zu Flugzeug wechseln. Aber in getrennten Rennen ist der Kontrast in der Qualität zwischen Motorbootfahren und Straßenrennen einfach zu groß.

Zum Glück ist das Angebot an Veranstaltungen so groß, dass man auf reguläre Flugzeugrennen und Motorbootrennen komplett verzichten kann, da die Einführung dieser Fahrzeugtypen in der Kategorie Freestyle Trial, wo Akrobatik und Stunts mehr zählen als das Überwinden der Ziellinie, viel sinnvoller ist. Eine vollständig integrierte Implementierung, die sich jedoch dynamisch und natürlich anfühlt? Nicht wirklich, und während es sich großartig anfühlt, zwischen Booten, Flugzeugen und Autos während der Erkundung oder auf dem Weg von A nach B zu wechseln, funktioniert The Crew 2 einfach am besten, wenn man Gummi auf dem Asphalt verbrennt.

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Wer das macht, wird ein Arcade-Rennspiel erleben, das unschuldig einfach zu steuern ist, aber dennoch die grundlegenden und notwendigen Schlüsselkomponenten liefer. Das Gefühl für Geschwindigkeit passt und die Kontrolle darüber, wie man driftet und bremst, sie passen. Die Liste der verfügbaren Fahrzeuge ist vielfältig. Etwas schade ist, dass die Klassen so aufgeteilt sind, dass es etwas enttäuschend sein kann, wenn man nur etwa zehn Autos findet, die in einer bestimmten Kategorie gekauft werden können.

Die Ereignisse selbst sorgen aber für Aufregung, auch wenn sie simpel sind. Da ist wieder nichts Besonderes, aber alles ist völlig brauchbar. Und während ich The Crew 2 für viele, viele Stunden gespielt haben, brauchte ich nie mehr Abwechslung als verfügbar war. Es sollte jedoch gesagt werden, dass ich auf ziemlich schockierende Gummibänder gestoßen bin. So etwas wie Lachgas wurde durch die penetrant heranrasenden Gegner fast unwirksam, da chancenlose Gegner einfach analog zu uns an Tempo zulegen. Das war in The Crew schon ein Problem.

The Crew 2 liefert also nur eine gemischte Tüte. Genau wie bei The Crew gilt: Die tollen Ideen stehen im Widerspruch zur Qualität der Ausführung und der Umsetzung. The Crew 2 liefert zwar eine tiefe, fortschrittlichere und robustere Version der ursprünglichen Konzepte, stellt aber gleichzeitig eine ganze Reihe von neuen vor, die halbherzig umgesetzt wurden. Die neuen Transportmittel ergeben Sinn, wenn man die Welt erkundet, und Neuzugänge wie Luftakrobatik sorgen für einen Schuss Adrenalin. Aber nichts davon fühlt sich an, als ob es wirklich dazugehört.

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Dasselbe gilt für die erzählerische Erfahrung. Niemand wird Alex Taylor und seiner Klischeegeschichte nachweinen... aber stattdessen hat Ubisoft sich entschieden, viel heiße Luft einzufügen. Jetzt bist du nur noch "Person X", die berühmt werden will und Follower braucht, weil das heutzutage eben der Sinn des Lebens ist, wie wir alle wissen. Das kleine Schauspiel, das es tatsächlich gibt, ist dabei von schockierend schlechter Qualität, mit unglaublich mieser Lippensynchronisation. Klar, eine narrative Grundlage in Rennspielen ist jetzt nicht besonders wichtig. Aber sie muss besser sein.

Der Gameplay-Loop ist derweil unglaublich befriedigend. Man will mehr und mehr Zeug sammeln, während man über den Kontinent voller Inhalte rast. Das Erlebnis lässt sich natürlich gemeinsam mit Freunden im Online-Koop genießen. Die Fahrphysik ist einfach, aber verzeihend. Die Welt ist relativ schön anzusehen, wenn auch ein bisschen leer streckenweise. Aber die Events selbst sind reichlich und spannend. In aller Fairness ist die größte Enttäuschung bei The Crew 2 nicht das Spiel selbst, denn das ist total in Ordnung. Es ist vielmehr die Tatsache, dass Ivory Tower nicht mehr eingefallen ist und sie es nicht besser hinbekommen haben.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
riesige Menge an Inhalten, großer Spielraum, bessere Benutzeroberfläche, Spaß und einfache Autophysik
-
schreckliche Geschichte, Flugzeuge und Boote verfehlen das Ziel
overall score
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