Diese Kritik beinhaltet keine Spoiler für den ersten Teil von The Walking Dead: Season Two. Ihr solltet allerdings die erste Staffel abgeschlossen haben.
Nichts ist heilig in Telltale Games neuester Episode ihrer Interpretation von Robert Kirkmans großartiger apokalyptischer Zombie-Serie. Und genau so sollte es auch sein. Denn wenn in diesem Titel große Gefühle erzeugt werden, dann drehen die sich meist rund um das Thema Schuld und die Frage: "Habe ich die richtige Entscheidung getroffen?"
Der erste Teil der zweiten Staffel von The Walking Dead ist gerade erschienen. Einerseits ist es schön, dass Telltale Games liefern, wofür sie bekannt sind: eine wunderbare Erzählweise und interessante Charaktere. Andererseits ist es gleichzeitig traurig, dass wir uns mit weniger gelungenen Animationen und gelegentlich abgehackten Sequenzen begnügen müssen.
Nach The Wolf Among Us fühlt sich das Spielerlebnis echt wie ein Rückschritt an. Zumindest habe ich in dieser Ausgabe von The Walking Dead wesentlich öfter missglückte Animationen erlebt, als in der Geschichte rund um mystische Kreaturen. Hinzu kommt das vertraute Gefühl darüber, was wir zu tun haben. Es passt allerdings zum Leben der verbliebenen Überlebenden.
Wie jeder weiß, der die erste Season von The Walking Dead gespielt hat, wiegen diese Probleme nicht wirklich schwer. Denn wir wurden trotz allem unglaublich tief in dieses Spiel hinein gesogen - und gleiches gilt auch für die zweistündige Geschichte des ersten Teils von The Walking Dead: Season Two. Weder Tiere noch Kinder oder schwangere Frauen sind sicher. Moral wurde hier schon lange durch den Kampf ums Überleben ersetzt. Am Ende bleibt die Frage, wie es nach dem Kapitel mit uns weitergeht. Das ist im Grunde schon alles, was man zum Spielprinzip wissen muss. Der erste Teil der zweiten Staffel von The Walking Dead ist seinen Preis in jedem Fall wert.
Wer die erste Staffel nicht gespielt hat, sollte jetzt allerdings besser nicht weiter lesen. Alle anderen: Keine Angst, ich werde keine Namen oder Ereignisse aus der neuen Episoden verraten. Mir ist es lieber, ihr habt ein ganz frisches Spielerlebnis, wenn ihr euch dazu entscheidet, dem Titel eine Chance zu geben.
Nach den Strapazen der ersten Staffel schlägt sich Clementine nun mit zwei weiteren Überlebenden durch. Die Zeit vergeht und wir verfolgen ihren andauernden Kampf, fast zwei Jahre, nachdem sich sich von Lee verabschieden musste.
Es ist eine andere, härtere Clementine, auf die wir nun treffen. Die möglichen Antworten in den Interviewfragen machen deutlich, dass sie nicht mehr das unschuldige, naive Mädchen ist, das wir zu Beginn der Serie kennen gelernt haben. Sie ist schnell erwachsen geworden. Natürlich ist das bei dieser Ausnahmesituation und im ständigen Überlebenskampf notwendig. Allerdings: Was sie erlebt habe, hätte auch den härtesten Mann verzweifeln lassen können. Als ich sie das erste Mal mit einer Waffe in der Hand sehe, fühle ich mich trotzdem unwohl. Oh, die vielen Erinnerungen.
Natürlich bekommt sie es wieder mit vielen Zombie-Horden zu tun und muss kleinere Rätsel lösen. Es gibt jede Menge Blut, Gewalt und unangenehme Szenen. Eben genau wie vorher auch. Einige Elemente wurden aber verbessert und Teile von The Wolf Among Us kurzerhand entliehen.
In meinem Fall gab es aber immer wieder auch das resignierende Gefühl von "Oh, nicht schon wieder", als das Spiel einen Zahn zulegt und wir nach links und rechts wischen müssen, um den Zombies zu entkommen. Besonders nervig sind diese Szenen, weil wir oft nicht aus Ermangelung ausgereifter Fähigkeiten sterben, sondern weil das Spiel einfach nicht richtig reagiert. Ich habe in einer Szene beobachtet, wie meine Figur erschossen wird, weil sie plötzlich woanders ist, als sie sein sollte. Diese Fehler machen den Titel nicht unspielbar, sie stören aber die Atmosphäre, die ab davon super ist. Das liegt vor allem an Jared Emerson-Johnsons großartiger Musik, die das Tempo angibt und für einen tollen akustischen Klangteppich im Hintergrund sorgt. Hinzu kommen die guten Sprecher und die rabiaten Soundeffekte. Es gibt Szenen, da spielt The Walking Dead: Season Two so gut mit den Höhen und Bässen, dass es einen erschaudern lässt.
Wenn der erste Abschnitt zu Ende ist, bleiben wir trotzdem ratlos zurück und wissen nicht, was wir hoffen sollen und wohin das alles nur führen wird. Und dann ist die Illusion einer scheinbaren Entscheidungsfreiheit nicht mehr so leicht zu glauben, selbst wenn wir von unserem bisherigen Spielstand, falls der installiert ist, fortfahren können. Es macht kaum einen Unterschied, denn eigentlich wollen wir ja nur der Geschichte folgen. Trotzdem haben wir gleichzeitig das Gefühl, das auch wir ein Wörtchen mitzureden haben. Ob Illusion oder nicht.
Der erste Teil von The Walking Dead: Season Two ist ein sehr gutes Spiel, dessen kleine Probleme schnell verziehen sind. Noch einmal möchte ich betonen: Der Kauf lohnt sich. Doch Vorsicht: Am Ende kann man nicht genug davon bekommen. Ich zumindest will noch viel mehr davon.