Deutsch
Gamereactor
Kritiken
Ultimate Marvel vs. Capcom 3

Ultimate Marvel vs. Capcom 3

Hollywood kommt aus seinem Comic-Verfilmungswahn nicht heraus und produziert darum immer irgendwelchen Müll. Ghost Rider war Mist, die Spider-Man-Filme auch und X-Men Origins: Wolverine ist so ziemlich der schlechteste Film, den ich je gesehen habe. Letzter Streich der geistlosen Produzenten: Captain America. Dabei kann es doch so einfach sein, den Comic-Figuren ein ordentliches Zuhause zu geben. In einem Prügelspiel zum Beispiel.

HQ

Videospiele beginnen oft mit Gesundheitswarnungen. Die erzählen einem was von Epilepsie, raten einem seinen Arzt zu befragen. Ich denke, kaum jemand hat diese Warnungen jemals ernst genommen. Ich zumindest habe es nicht. So auch bei Ultimate Marvel vs. Capcom 3 und das war eine absolute Fehleinschätzung. Es ist unheimlich bunt, laut, voller flackernder Lichter und völlig überdreht. Es ist das erste Spiel, bei dem jeder die Gesundheitswarnung ernst nehmen sollte.

Bei praktisch jeder Attacke werden wir überhäuft von Grafik-Effekten. Völlig gleich, ob es sich um schlichte Schläge oder Distanzangriffe handelt. Alles wird von Schweifen oder Blitzen begleitet. Je schwerer die Attacke, desto eindrucksvoller der Effekt. Spätestens bei der stärksten Spezialattacke, bei der sich der Hintergrund in einen riesigen Strudel verwandelt, während im Vordergrund mehr Effekte flackern als wir verarbeiten können, übertritt das Spiel die Schwelle zur Reizüberflutung. Und das macht Spaß.

Vor jedem Match bzw. jeder Arcade-Runde müssen wir uns drei Kämpfer aussuchen und uns jeweils für eine Spezial-Attacke entscheiden. Gekämpft wird im klassischen 2D, was in Anbetracht von Super Street Fighter IV und Mortal Kombat auch heutzutage nichts besonderes ist. Geht einer der Kämpfer zu Boden, springt schnell einer der Kameraden für ihn ein. Per Schultertaste können wir aber auch vorher die Kollegen einwechseln.

Ultimate Marvel vs. Capcom 3
Ultimate Marvel vs. Capcom 3 ist die reinste Reizüberflutung. Wir werden mit deutlich mehr Effekten bombardiert als wir verarbeiten können. Und das macht Spaß.
Werbung:

Das ist nicht nur schön anzusehen und sehr witzig, sondern auch äußerst hilfreich, wenn man für eine einzelne Attacke die Kollegen in den Kampf holt, so wie man es aus vielen Team-Tag-Modi anderer Spiele kennt. Besonders nützlich ist das, wenn wir von unserem Gegner in die Ecke gedrängt werden und uns aus eigener Kraft nicht befreien können. Diese Angriffe kommen dann für den Gegner meist so überraschend, dass ihm für die Abwehr keine Zeit bleibt. Wer diese Funktion im günstigen Timing einsetzt, kann seinen Gegner wie einen Flummi hin und her schleudern.

Ultimate Marvel vs. Capcom 3 ist ein extrem schnelles Kampfspiel. Die Animationen sind meist kurz und unsere Befehle werden sehr schnell umgesetzt. Das fühlt sich alles sehr gut an und geht auch sauber von der Hand, es lädt aber auch stark zum Button-Mashing ein. Wer einfach wie wild auf die Tasten einkloppt, kommt auf dem Bildschirm trotzdem wie ein erfahrener Kämpfer rüber. Ich kann mich nur schwer festlegen, ob das in diesem Fall nun eher positiv oder negativ ist. Hirnloses Button-Mashing macht ja auch ab und an mal Spaß.

Bei der Spezial-Attacke, die sich im Laufe des Kampfes auflädt, bin ich ebenfalls sehr hin und her gerissen. Ein schlichter Tastendruck genügt und schon entlädt sich der gewaltige Angriffssturm, in dem unsere drei Kämpfer alles auf den Feind einprasseln lassen, was sie parat haben. Ich bin einerseits sehr froh, dass es hier nicht so wie in Super Street Fighter IV einer unfassbar schweren Tastenkombination bedarf, die man so gut wie nie auf die Reihe bekommt. Andererseits ist das dann doch etwas zu leicht.

Ultimate Marvel vs. Capcom 3
Insgesamt 48 Kämpfer stehen von Beginn an zur Verfügung. Davon sind zwölf ganz neu dabei. Hier kämpfen der Magier Doctor Strange und Nemesis aus der Resident Evil-Reihe.
Werbung:

Der Sound in den Kämpfen wird der Optik des Spiels völlig gerecht und kommt sehr voluminös und brachial daher. Die Akustik ist ebenso überdreht und dermaßen überladen, dass man auch hier um das Wort Reizüberflutung nicht herum kommt. Und das ist auch gut so, denn weniger wäre schlichtweg unpassend gewesen. Nett sind die Kommentare der Kämpfer vor und nach dem Match, in denen sie natürlich besonders große Töne spucken.

Deutlich weniger gelungen ist die Musik in Ultimate Marvel vs. Capcom 3. Besonders im Hauptmenü treibt sie einen regelrecht in den Wahnsinn. Das hat immerhin den positiven Nebeneffekt, dass wir uns nicht unnötig lange im Menü aufhalten, sondern schnellstmöglich in die Kämpfe flüchten. Die Musik in den Stages ist zwar auch manchmal etwas nervig, geht aber in dem Sound-Effekte-Overload völlig unter. Zum Glück.

Bei der Charakterauswahl stehen sich die Marvel- und die Capcom-Fraktion in gleich großer Anzahl gegenüber. Insgesamt 48 Kämpfer stehen von Beginn an zur Auswahl. Ziemlich ordentlich. Auf der Capcom-Seite finden sich eine Menge, die dem gleichen Spiel entstammen. Beispielsweise die Resident Evil-Fraktion mit Chris Redfield, Albert Wesker und dem neuen Nemesis. Jill Valentine gibt es immerhin als Download-Content. Die Street-Fighter werden von Ryu, Chun-Li und Akuma vertreten. Fans von Devil May Cry freuen sich über Dante, Trish und den brandneuen Vergil.

Ultimate Marvel vs. Capcom 3
Die Animationen sind meist kurz und schnell. Das lädt zum Button-Mashing ein.

Auf der Marvel-Seite ist die X-Men-Fraktion mit Wolverine, Phoenix, Magneto, Sentinel und Storm die mit Abstand größte. Die Fantastic Four sind zwar selbst nicht dabei, werden aber mit Doctor Doom und Super Skrull von zwei ihrer Kontrahenten vertreten. Der Hulk hat immerhin seine Cousine She-Hulk dabei. Ich persönlich hätte mir einen richtigen Spider-Man-Bösewicht gewünscht. Ein Venom beispielsweise würde sich in der Kämpferliste sehr gut machen.

Neben den bereits genannten Neulingen findet sich bei Capcom Firebrand, ein weniger interessanter Drache aus Ghost'n Goblins, Strider, den vielleicht noch einige vom Sega Mega Drive kennen sowie Frank West aus Dead Rising. Letzterer gehört zu den besonders witzigen Kämpfern, da er seine Gegner mit den verschiedensten Gegenständen angreift. So bewirft er seine Kontrahenten mit Torten oder schlägt mit Pümpeln auf sie ein. Zu großen Gemeinschafts-Spezial-Attacke rast er mit einem Einkaufswagen in den Gegner.

Mein persönlicher Liebling unter den neuen Kämpfern ist definitiv Phoenix Wright, der tollpatschige Anwalt aus der Ace Attorney-Reihe. Im eigentliche Sinne kämpft der Advokat gar nicht, seine Attacken entspringen alle im Grunde nur dem Zufall. Er rutscht aus und zieht dem Gegner die Beine weg. Er niest oder sortiert seine Akten und schlägt seinem Gegenüber dabei ins Gesicht. Sein Schlagwort "Einspruch" ist natürlich auch als Angriff eingebaut worden. Phoenix Wright mag zwar der am wenigsten ernstzunehmende Charakter sein, er ist aber auch der lustigste.

Ultimate Marvel vs. Capcom 3
Die Kämpfer haben nicht viele Moves drauf, die Befehlslisten sind ziemlich kurz.

An neuen Marvel-Charakteren sind Iron Fist, Hawkeye, Nova und Doctor Strange am Start, dessen großer Feind Shuma-Gorath als Download-Content zur Verfügung steht. Besonders lustig ist der Neuling Rocket Raccoon, der wieselflink über den Bildschirm huscht und trotz seiner geringen Größe ordentlich austeilt. Auch neu dabei ist der Ghost Rider, der bisher sicherlich von vielen vermisst wurde. Alle Charaktere sind in Cel-Shading Optik gehalten, diese fällt aber je nach Kämpfer mal mehr, mal weniger ins Gewicht. Während ein Viewtiful Joe fast schon zweidimensional wird, hat ein Chris Redfield deutlich mehr Konturen.

Die Stages bieten eine bunte Mischung aus Fantasy, Science-Fiction und allen möglichen anderen Genres. Schließlich bietet der Fundus von Marvel und Capcom ja auch jede Menge Stoff. Sie kommen dennoch eher mau rüber, da die meisten einfach viel zu statisch und langweilig wirken. Sehr schön dagegen ist die New York-Stage, in der wir auf einer großen Hebebühne kämpfen, während im Hintergrund eine bunte Parade mit einem riesigen Spider Man-Ballon vorbeizieht und die Hebebühne immer weiter nach oben schwebt.

Ultimate Marvel vs. Capcom 3 ist ein wirklich geiles Spiel, das vielleicht gerade wegen des brachialen Einsatzes von Effekten so viel Spaß bringt. Die Kämpfer haben nicht viele Moves drauf, die Befehlslisten sind ziemlich kurz und blindes Tastenkloppen funktioniert. Wer an Button-Mashing seine Freude hat, dem wird Ultimate Marvel vs. Capcom 3 definitiv gefallen.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Absolute optische Reizüberflutung, schicke Effekte, große Kämpferauswahl, coole Charaktere
-
Mangelnde Spieltiefe, nervige Musik
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

Ähnliche Texte



Lädt nächsten Inhalt