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Watch Dogs

Watch Dogs

An was denken wir? An was glauben wir? Die Antwort will Ubisoft uns mit Watch Dogs zeigen. Das Abenteuer hat Potenzial, etwas ganz besonderes zu werden.

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Alles kann gehackt werden in Chicago. Von Aiden Pearce. Der Protagonist in Watch Dogs ist ein Held, der volle Kontrolle hat. In einer mieser Ecke der Stadt aufgewachsen, ist er als Kleinkrimineller erwachsen geworden - und hat nun ein Problem. Er besitzt durch sein mächtiges Smartphone vollen Zugriff auf die Stadt, die seit Jahren von einem CTOS komplett fremdgesteuert wird. Das Computersystem verwaltet die Datensätze von allem: U-Bahnen, Ampeln, Bankautomaten, Kameras innerhalb und außerhalb von Gebäuden, dem Leben der Menschen.

Aiden weiß das. Und nutzt es. Er beschützt seine Familie, leider zu heftig. Seine Schwester überwacht er dauerhaft. Erst nur ihr Haus, dann ihr Leben in der ganzen Stadt. Seine Tragödie ist es, zu viel zu wissen und zu viel zu sehen. Aidens Story wird in Watch Dogs linear erzählt. Es wird nicht zehn Enden geben, nicht unendlich viele Handlungsstränge. Die Erzählung mag gradlinig sein, der Rest des Spiels ist es nicht. Aidens Motiv ist Rache für einen Tod, den er sühnen will, indem er Stadt als Waffe gegen sich selbst richtet. Auf seinem Weg warten viele Optionen, viele Möglichkeiten. All unsere Aktionen in der Spielwelt tragen zum Verständnis der Story bei, ändern sie aber nicht komplett.

Es scheint fast so, als ob es Watch Dogs gelingen könnte, als erstes Videospiel wirklich sinnvoll vieles mit vielem zu vernetzen. Ubisoft paraphrasiert zwar den gesamten Tag während der Präsentation in Paris den Ausspruch "Alles ist mit mit allem verbunden" - aber das geht sicher etwas zu weit. Die Möglichkeiten im Spiel erscheinen dennoch überbordend. Creative Director Jonathan Morin wählt interessante Worte, um sein Spiel zu beschreiben: "Watch Dogs ist wie ein Gemälde, denn die sind am Ende wie ein Videospiel - statisch, aber offen für Interpretation."

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Es scheint fast so, als ob es Watch Dogs gelingen könnte, als erstes Videospiel wirklich vieles mit vielem zu verknüpfen.

Alles soll also alles beeinflussen. Das Wetter, die Tageszeit, die Menschen - jede in der Stadt herumlaufende Spielfigur soll sich einfügen in diese lebendige Welt, um sie nachvollziehbar und glaubhaft zu machen. Leute spannen Schirme auf, wenn es regnet. Der Wind bläst den Regen physikalisch korrekt gegen ihre schick umherwehenden Trenchcoats. Wir dürfen sie dabei jederzeit mit dem Profiler im Smartphone hemmungslos ausspionieren, in ihren Leben stöbern.

Alles ist mit allem verbunden - und wir können tatsächlich vieles aktiv beeinflussen. Das Erschaffen eines eigenen Action-Films nennt Jonathan Morin das, sagt aber gleich dazu, dass Action nicht sein muss, sondern sein kann. Im Stealthmodus unterwegs zu sein oder total passiv zu spielen geht im Prinzip auch. Sichtbar wird das in der Free Roam Demo, die ein Ubisoft-Entwickler live spielt. Im Vorbeigehen scannt Pearce die Menschen, was aber nur möglich ist, wenn er Netz für sein Smartphone hat. Fehlt die Konnektivität, müssen wir sie erst herstellen. Hierzu brauchen wir uns "nur" in die in Chicago verteilten CTOS-Hubs zu hacken, um das Netz und damit den Teil der Karte freizuschalten.

Die Hubs sind gut gesichert. Das sieht man schnell durch einen Hack in eine der Überwachungskameras, die uns ebenso mit Profilinformationen versorgt. Man könnte nun ruhig und leise vorgehen, einen Wachmann nach dem anderen von hinten betäuben, um einen Weg zu jener Schnittstelle zu finden, die man hacken muss. Oder mit voller Waffengewalt reindreschen. Oder draußen in sicherer Deckung vor der Tür stehen bleiben und versuchen, durch geschicktes Zusammenspiel von Überwachungskameras einen passiven Hack abzuliefern. Oder alle Elemente verbinden, denn eine Mission scheitert erst dann, wenn Aiden Pearce stirbt. Ansonsten ist Freestyle möglich, ja sogar Teil der Konzepts.

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Im Vorbeigehen scannt Pearce die Menschen, was aber nur möglich ist, wenn er Netz hat für sein Smartphone.

Das Spiel baut dabei auf vier Elemente auf: Verfolgungsjagden zu Fuß und im Auto, Kämpfe mit Knarre und Objekten sowie dem Hacken - und alles lässt sich relativ nahtlos verbinden. Hilfreich dabei ist die Fokus-Funktion, die das Spiel in Zeitlupe versetzt. So können wir in Ruhe zum Beispiel drei Typen erschießen oder sauber und gezielt in starkem Straßenverkehr durch Kurven driften. Fokus dient dazu, die Fähigkeiten des Charakters zu nutzen und "die Sprache des Spiels zu lernen", wie Morin es beschreibt. Das gesamte Spiel sei darauf ausgerichtet, das wir alle Möglichkeiten aller dynamischen Objekte nutzen lernen. Um dann ein Spiel zu bekommen, wie wir es uns machen wollen.

Alle Spielelemente sollen gleichwertig gut funktionieren. Das Fahrgefühl sei "sehr überzeugend", verspricht Morin, "nicht auf dem Level einer Simulation, aber eben sehr überzeugend". Ich glaube dem Mann, denn den Willen zum Detail sieht man an vielen Stellen. Es gibt komplett korrekt simulierten Wind in Chicago, dieser auch real sehr stürmischen Stadt. Der Wind beeinflusst das Fahrgefühl ebenso wie die Flugbahn einer Gewehrkugel oder das aus den Pfützen spritzende Wasser. Es hinterlässt einen Schmutzfilm an dem Auto, das gerade vorbeiraste. Die Autos sehen übrigens fantastisch aus. Ein abgerockter Camaro mit Lackschaden steht schick am Straßenrand im verlotterten Vorort. Ganz leicht nur wabern die Auspuffgase aus den Sidepipes des stehenden Sportwagens. Dann rasen wir brüllend in einer Abgas- und Reifengummiwolke los. Toll. Es sind nur Details, "aber wir mögen sie, sie dienen unserem Mantra und sie machen eben einen Unterschied." Da hat der Kreative einfach mal recht.

Alles und alle sind mit allem verbunden. Es ist eine Phrase, die real werden könnte. Die Missionen der Hauptgeschichte von Watch Dogs sind organisch, ihr Verlauf weitgehend offen, je nachdem wie wir agieren. Es führen rein spielerisch viele Wege zum Ende des Spiels. Über 100 klassische Missionen warten, auch wenn Jonathan Morin das Wort nicht mehr zeitgemäß findet. Watch Dogs passiert einfach, es soll uns zeigen, wer wir sind - einfach dadurch, wie wir spielen.

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Im Fokus-Modus können wir in Ruhe zum Beispiel drei Typen erschießen oder sauber und gezielt in starkem Straßenverkehr durch Kurven driften.

Und das ist nur die erste Ebene. Denn: Auch die Spieler selbst sind miteinander verbunden. Die Entwickler haben den Plan, Solospiel und Multiplayer und Spieler an mobilen Plattformen miteinander zu verbinden - oft ohne dass sie das überhaupt wirklich merken. Wir werden uns gegenseitig helfen oder im Weg stehen, uns jagen, während wir denken, es sei einfach eine vom Spiel gesteuerte Figur. "Und dann merkst du, dass es nicht so ist", sagt Morin und grinst euphorisch. Konkrete Multiplayer-Modi wollte er nicht zeigen, außer ein Augmented Reality-Spiel namens Invasion. Das kann man im App-Store des Smartphones kaufen. Danach dürfen wir als Aiden Pearce im Videospiel ein knallbuntes Augmented Reality-Game gegen echte Spieler im Multiplayer in der normalen Spielwelt starten. Echt jetzt - und nur ein Beispiel dafür, wie verrückt Watch Dogs sein kann. Natürlich gibt es für dieses Spielchen Ranglisten und es birgt das Potenzial, sich selbst im Videospiel in einem Casualspielchen zu verlieren.

Das Spiel ist natürlich nicht die einzige App. Der Download von Spot-a-song ermöglicht es, danach Musik zu scannen, die wir irgendwo in der Spielwelt hören, um sie so für die Playlist freizuschalten. Da Chicago nicht nur als am besten mit Überwachungskameras ausgestattete US-Metropole, sondern auch als Keimzelle des US-Techno bekannt ist, dürfen wir uns auf nette Sachen freuen. The Wall gibt uns Zugang zu einem Sozialnetzwerk. City Hot Spots führt uns zu interessanten Punkten und der Dedsec Survival Guide liefert ein ironisches Tutorial. Auch Challenges und Contracts sind über das Telefon verfügbar, was sich konkret dahinter verbirgt, ist noch unklar.

Als wir mit Aiden Pearce in einem heruntergekommen Vorort auf der Straße stehen, ballert der Held erst einmal sinnlos herum. Nur zu Demozwecken natürlich. Wer rumschießt und Leute bedroht, kriegt Ärger. Passanten rufen die Polizei, sofort. Man kann ihnen nun das Telefon entreißen, um die Sitiuation zu entschärfen. Fliehen geht auch. Erschießen natürlich ebenso. Oder man wartet und sucht die direkte Konfrontation mit der Polizei, was schnell in einer viele Minuten dauernden Flucht im Auto oder zu Fuß mündet.

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Die Missionen der Hauptgeschichte von in Watch Dogs sind organisch, ihr Verlauf weitgehend offen, je nachdem wie wir agieren.

Sind wir einmal abgehauen, warten wieder viele Möglichkeiten. Es gibt Pawnshops, in denen wir Sachen verkaufen und herstellen können. Aus Chemikalien und Elektronik bauen wir uns Items, die auf dem Auswahlrad die diagonalen Plätze belegen und dazu dienen, zusätzliche Lösungswege für eine Mission zu ermöglichen. Die Waffen liegen links, rechts, oben, unten - und in den Shops ist alles zu finden, was wir aus modernen Shootern kennen. Wir können natürlich auch Knarren von erledigten Gegner aufnehmen. Haben wir sie mit einem Kopfschuss getötet, gibt's Erfahrungspunkte für spezielle Kills. Alle Handlungen im Spiel nehmen übrigens Einfluss auf unsere Reputation, die ihrerseits beeinflusst, wie die Welt auf uns reagiert.

Wir können mit Gebäuden interagieren, um etwas über deren Historie zu erfahren und vor allem darüber, was die Leute so treiben, die darin wohnen. Man kann sie per Überwachungskamera beobachten und zum Beispiel ihre Nummerschilderinformationen vom Wohnzimmertisch klauen, um die später zu verkaufen und so das Auto freizuschalten. In solchen Häusern sieht man alles von netten Familienmomenten über ekelige Dinge wie einen Typen, der lebensgroße Action-Figuren als Lebenspartner bevorzugt. Kann man hoffentlich später mal gegen ihn einsetzen.

So überborden vollgepackt mit Möglichkeiten Watch Dogs auch wirkt, es bleiben Fragen. Wie genau und wie schlau ist die Integration von Single- und Multiplayer und mobilen Spielern gelöst? Scheitert Watch Dogs nicht am Ende doch daran, zu viel auf einmal zu wollen? Die Linearität der Geschichte in einer offenen Spielwelt ist einerseits sinnvoll, aber könnte dem Spiel auch zum Verhängnis werden. Beim Autofahren und auf der Flucht Kreuzungen zu hacken, Blockierpfosten zu aktivieren oder Garagentore zu öffnen, ist einerseits toll. Aber es wiederholt sich auch schnell. Wiederholung könnte das größte Problem werden.

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KRITIK. Von Christian Gaca

Ubisoft vernetzt Story und Multiplayer zu einem ganzheitlichen Spielerlebnis, das der Vorreiter einer neuen Generation von Videospielen ist.



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