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Wolcen: Lords of Mayhem

Wolcen: Lords of Mayhem

Ein ehrgeiziger Diablo-Klon hat in den letzten Wochen unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der schicke Schein konnte allerdings nicht über die vielen Probleme hinwegtrügen.

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Wolcen: Lords of Mayhem ist groß, pompös und rau. Das französische Studio hinter dem Game hat viele Jahre lang an ihrem Crowdfunding-Erfolg gewerkelt, allerdings auch nach der aufregenden Veröffentlichung noch eine Menge Feinschliff vor sich. Dass moderne PC-Spiele noch immer neu gestartet werden müssen, nachdem man bestimmte Grafikeinstellungen ändert, hätte uns bereits ein Zeichen sein sollen. Dass so etwas einfach nicht mehr zeitgemäß ist, haben nur leider viel zu viele Entwickler noch nicht eingesehen...

Das Game selbst ist ein sehr klassisches Action-Rollenspiel im Stile von Diablo, Path of Exile und anderen Fantasy-Spielen des Hack'n-Slash-Genres. Man muss nicht lange spielen, um zu erkennen, dass sich Wolcen die meisten seiner Elemente aus anderen Spielen leiht. Aber wie lautet das Sprichwort doch so schön: Besser gut geklaut, als schlecht selbst gemacht. Unser Abenteuer beginnt damit, dass drei mächtige Krieger gegen ein unheilvolles Monster kämpfen. Wir werden von diesem Gegner niedergerungen, obwohl wir uns kurz davor selbst auf magische Art und Weise verwandeln. Weil offensichtlich wird, dass wir über diese Kräfte keine Kontrolle haben und die Menschen in dieser Welt allgemein nicht besonders gut auf Magier zu sprechen sind, müssen wir fortan als Ausgestoßener über die Runden kommen.

Zuerst werden einem die Auswirkungen dieser unfreiwilligen Verwandlung gar nicht so bewusst, da sich unser Charakter an einem Strand wiederfindet. Auf dem Weg dorthin haben wir sämtliche Ausrüstung verloren und alle Talente vergessen, von unseren beiden Begleitern ist ebenfalls keine Spur zu finden. Stattdessen erwarten uns Dämonen und andere üble Kreaturen, die von uns zu Hackfleisch verarbeitet werden wollen. Die Geschichte ist ziemlich grob gehalten und funktioniert im Grunde gut, obwohl ehrlich gesagt keine Eindrücke bei uns hängegenblieben sind. Es gibt drei Akte und wir konnten uns nicht einmal darauf einigen, ob Wolcen: Lords of Mayhem beim Anfang oder beim voreiligen Ende die Luft ausging... Außerdem wird derzeit noch an einem vierten Akt gearbeitet, der die rasanten Erlebnisse hoffentlich zu einem stilvolleren Schluss bringt. Die Geschichte als solche macht aber immerhin Sinn, zumindest wird klar, dass sie einem narrativen Faden folgt.

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Die Idee eines Action-Rollenspiels mit frei gestaltbaren Charakteren ist wirklich gut, nur ist Wolcen: Lords of Mayhem für uns leider an vielen Stellen zu unausgegart.

In Wolcen gibt es übrigens keine Klassen, da unsere Ausrüstung bestimmt, was wir damit anstellen können. Das ist eine spannende Umsetzung, weil das Umskillen letztlich nur ein bisschen Arbeit voraussetzt und wir mit toller Beute herrliches Chaos anrichten können. Man tauscht im gesamten Spielverlauf sein Zeug aus, weil sich ein Levelaufstieg vor allem zu Beginn des Spiels häufig lohnt. Dass das Loot keine Verwendungsbeschränkungen hat, wir also immer alles sofort verwenden können, lädt ebenfalls zum Ausprobieren ein. Wir haben uns meist neu eingekleidet, sobald das sehr überschaubare Inventar voll ist und wir wieder in die Stadt zurückteleportiert sind.

Neue Fähigkeiten sind nicht an das Charakterlevel gebunden, bestimmte Gegenstände lehren uns verschiedene Skills permanent. Je häufiger wir ein Talent einsetzen, desto effektiver wird es, was wiederum Runen freischaltet, mit denen wir die Effekte dieser Fertigkeiten individualisieren können. Die Runen lassen sich jederzeit zurücksetzen, Skillpunkte verteilen wir bei jedem Stufenaufstieg manuell in vier verschiedenen Kategorien. Natürlich gibt es auch ein Edelsteinsystem, wie ihr es aus Diablo III kennen werdet. Neuen Kram aufzusammeln schaltet die Skins für den Transmog-Prozess frei - auf diese Weise müsst ihr später nicht mit einem bunten Haufen zusammengewürfelter Ausrüstung herumlaufen, sondern könnt aussehen, wie ihr eben aussehen wollt.

Die Charakterentwicklung ist ein großer Pluspunkt des Spiels, da es viele kleine Änderungen an der bekannten Struktur gibt. Ob im Late-Game dadurch wirklich so viele unterschiedliche Builds gefördert werden, können wir nicht einschätzen, da uns nach dem dritten Akt schnell die Puste ausging. Momentan ist die Auswahl der verfügbaren Spezialisierungen recht übersichtlich, aber wer einen Hybrid-Build ausprobiert, der kann bereits einige spannende Sachen damit anstellen. Euer Charakter wechselt selbstständig zwischen Wut oder Willenskraft, um diese Ressourcensysteme müsst ihr euch also gar nicht so viele Gedanken machen. Es liegt beim Spieler, seine Fähigkeiten optimal zu kombinieren und sich eine mächtige Klasse zu formen. Ach genau, und wer weit genug spielt, schaltet sehr schick animierte Verwandlungen frei, die euch für kurze Zeit unverwundbar machen und euren inneren Dämonen entfesseln. Ist spannend, aber vor allem ein Gimmick.

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In Wolcen gibt es übrigens keine Klassen, da unsere Ausrüstung bestimmt, was wir damit anstellen können.

Die Spielwelt hat uns gut gefallen, weil die Landschaften dank der Unreal-Engine einfach beeindruckend aussehen. Besonders in den vielen Höhlen gibt es sehr geile 3D-Effekte, während großen Schlachtfelder leider meist extrem generisch wirken. Das hat die Konkurrenz unserer Meinung nach einfach besser drauf, obwohl Wolcen: Lords of Mayhem dank seiner Grafikpracht in anderen Aspekten ausgleicht. Der Klang von Waffen und Effekte geht auch in Ordnung, aber wir vermissen eine stimmungsvolle Musik und motivierte Synchronsprecher. Leider ist das Spiel sehr grundlegend in Online und Einzelspieler unterteilt, sodass ihr zwei verschiedene Charaktere benötigt, um beide Varianten zu spielen. Wir haben uns beide aus Serverproblemen dazu entschlossen, offline zu spielen und können die Helden nicht nutzen, um gemeinsam mit Freunden auf Schlachtzug zu gehen.

Was wir ebenfalls nicht verstehen sind die Sprünge im Schwierigkeitsgrad. Besonders am Anfang sind bestimmte Elite-Bosse sehr hartnäckig und auch in der Geschichte warten einige Überraschungen auf uns, die nicht gerade ausbalanciert wirken. Wolcen Studio erweckt deshalb nicht unbedingt den Eindruck, dass sie ihre Schwierigkeitsgradskala vollständig ausgeschöpft haben. Durch die Geschichte kommt ihr besonders gut, wenn ihr viel Glück habt und eine mächtige Waffe bekommt. Eine große Zweihandaxt hat uns dank ihrer hervorragenden Werte über fünf Stunden lang begleitet, weil einfach nichts auch nur annähernd an den verursachten Schaden herankam. Auf solche Glücksfunde kann man nur leider nicht hoffen, denn wir sind auch schon durch drei Ebenen am Stück gelaufen, in denen lediglich weißer Schrott aus Schatztruhen und Gegnern purzelte.

Der visuelle Stil der Rüstungen ist eine Mischung zwischen Warhammer 40.000 und World of Warcraft - gewalttätig, pompös, zutiefst unrealistisch, aber mit einem aufregenden Stil. Die Stadtwächter zum Bespiel wurden im Look der Dunkelelfen aus Total War: Warhammer II ausgestattet und tragen auf ihren Schultern einen über einen Meter hohen Helm aus Metall. Nicht unbedingt praktisch, dafür sehr imposant. Diese Beschreibung lässt sich leider auf verschiedene Dinge übertragen.

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Die Spielwelt hat uns gut gefallen, weil die Landschaften dank der Unreal-Engine einfach beeindruckend aussehen.

In Wolcen: Lords of Shadow gibt es eine Reihe sehr grundlegender Dinge, die nicht besonders gut funktionieren. Erstens ist die Hitbox für Feinde viel zu klein und da wir uns mit der gleichen Maustaste fortbewegen, mit der wir auch angreifen, nervt das immens. Besonders kleine Gegner, wie Ratten oder Fledermäuse sind einfach irre schwer zu treffen, weshalb man generell einen Sekundärangriff mit Gebietsschaden braucht. Das ist wahnsinnig frustrierend und sorgt dafür, dass wir in den späteren Abschnitten teilweise mehr Angst vor den kleinen Gegnergruppen hatten, als vor den großen Prügelknaben.

Darüber hinaus gibt es massive Probleme bei der Erkennung von Eingaben. Wir sind etliche Male gestorben, weil eine Fähigkeit oder ein Gegenstand nicht rechtzeitig aktiviert wurde. Das darf in modernen Spielen nicht mehr passieren und wir haben es auf mehreren Computern und mit unterschiedlicher Hardware getestet. Beim Gameplay müssen wir auch einige Punkte abziehen, da wir einfach viel zu häufig zehn bis 15 Minuten lang gelangweilt über die Karte laufen mussten, um zum vage beschriebenen Zugang der nächsten Ebene zu gelangen.

Wir sind auch auf mächtig viele Grafik-Bugs und Pannen gestoßen und das ist angesichts der langen Entwicklungszeit unverständlich. Die Entwickler wollen die nächsten Monate daran arbeiten, solche Probleme zu beheben, doch es ist auch so klar, dass Wolcen Studio große Pläne hatte, ohne konkret zu wissen, wie sie diese Ziele erreichen können. Wir sind uns sicher, dass das Produkt noch mehr Zeit im Backofen und Input von außen gebraucht hätte, da viele schöne Ideen unter diesem technischen Hin und Her leiden. Die Idee eines ARPGs mit frei gestaltbaren Charakteren ist wirklich gut, nur ist Wolcen: Lords of Mayhem für uns leider an vielen Stellen zu unausgegart und teilweise auch frustrierend gewesen, um uns richtig in die Materie eintauchen zu lassen. Deshalb können wir es leider nicht so richtig empfehlen, obwohl auch wir große Lust auf frisches Loot im Dungeon-Crawler-Genre haben.

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06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
viele schöne Ideen, Grafik wirkt häufig beeindruckend, viel Freiheit bei den Charakter-Builds, straffer End-Game-Grind.
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sehr viel technischer Mist, unvollständige und schlecht optimierte Spielsysteme, Performance-Probleme und Spielfehler, Spielwelt ist nicht besonders elegant.
overall score
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KRITIK. Von Kim Olsen und Stefan Briesenick

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