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X-Plane 10

X-Plane 10

Menschen, die Flugsimulatoren lieben, haben eine gewisse Zurückhaltung, sie Spiele zu nennen. Wer Simulationen mag, will eine naturgetreu nachgebildete Erfahrung, etwa an Bord eines Flugzeugs. Die richtige Software ist der Ausgangspunkt, dann muss man „nur" noch alle Steuergeräte hinzufügen, um die Erfahrung immer immersiver zu gestalten.

Wer gerne fliegt, wird in der Regel viele Stunden in einem einzigen Flugzeug verbringen. Es spielt keine Rolle, ob ein Flugsimulator fünfzehn oder zwanzig unterschiedliche Maschinen beinhaltet. Am Ende verbringt man die meiste Zeit damit zu versuchen, ein einzelnes Flugzeug mit seiner ganzen Details zu verstehen.

Obwohl das Wort Spiel nicht die richtige Bezeichnung für diese Art von Produkten ist, kann man einfach nicht ignorieren, dass es eine spielerische Komponente in jeder Session gibt. Ob es nun ein realer oder simulierter Flug ist, man fliegt ja im Grunde immer „nur so zum Spaß". Microsoft erkannte das bereits vor ein paar Jahren. Mit dem Microsoft Flight Simulator 2000 begannen sie bei Aces Studio, ein paar interaktive Missionen im Simulator einzubauen sowie und gute interaktive Tutorials, die deutlich erhöht den Wert des Produktes als Spiel erhöhten. Darüber hinaus wurde die Serie einladender für Neueinsteiger, die zwischen verschiedenen Schwierigkeitsstufen (oops, ich meine natürlich Simulationsstufen) wählen durften, die von komplett realistisch bis hin zum Fehlen jeglicher Kollisionen reichten.

Das missfiel natürlich jenen, die eine intensivere Simulation suchten. Deshalb gab es eine zunehmende Anzahl von Addons und Patches für Profis. Niemand also schien in der Lage zu sein, den Microsoft Flight Simulator aufzugeben. Doch nun ist da X-Plane 10.

X-Plane 10
In der Cessna 172SP ist alles sehr realistisch nachgestellt - und sie fliegt sich auch extrem präzise.

Die Einführung ist notwendig, um den Kontext für X-Plane 10 zu verstehen. Die Software ist nun in ihrer zehnten Version am Start und ist seit jeher durch eine bemerkenswerte Tiefe der Simulation charakterisiert. Die Tatsache, dass auch X-Plane 10 kein Spiel ist, lässt sich bereits aus der Installation ableiten. Acht DVDs verschlingen 80 Gigabyte Festplattenspeicher. Nach der Installation braucht man mindestens eine Stunde, um das Produkt überhaupt zu konfigurieren.

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In X-Plane 10 gibt es keine Pre-Sets, alles muss manuell konfiguriert werden. Ich beginne mit der Konfiguration der Steuerung, der ich eine gute halbe Stunde widme, nur um in der Lage sein, mit meinem Saitek Pro Flight Yoke System zu fliegen. In den Grafik-Einstellungen gibt‘s dann viele, viele Optionen, von denen ich offen gesagt bei einigen immer noch nicht verstehe, was sie bewirken.

Nach etwa 90 Minuten wähle ich eine Cessna 172SP zu wählen, wähle den Flughafen von Trient, von dem ich schon mehrmals im wirklichen Leben selbst gestartet bin. Runway 36, Windstille, klarer Himmel. Ich will nach Bozen, einer der nördlichsten Städte in Italien. Ich senke die Klappen, trete auf die Bremse, hebe den Gashebel, löse die Bremse und das Flugzeug setzt sich in Bewegung. Ich sofort spüren die Auswirkungen der Drehung des Propellers, die mein Flugzeug gefährlich in Richtung der linken Seite der Start- und Landebahn zieht. Ich versuche, mit dem Bugrad entgegen zu wirken, aber es bringt nichts:. Ich starte aus dem Gras, ein klappriger Beginn.

Es besteht kein Zweifel, dass X-Plane 10 eine präzise Physik-Engine hat, die einem die Haare zu Berge stehen lässt- Der Start einer kleinen Cessna - ein Routineeingriff in Microsoft Flight Simulator - wird hier zur echten Herausforderung. Ich brauche ein paar Versuche, um einen akzeptablen Start hinzulegen und kann endlich meine Nase in Richtung Bozen drehen.

Ich halte die Augen am Boden und beschließe, dem Flusslauf der Etsch zu folgen, um mein Ziel zu erreichen. Der Flug war relativ gewöhnlich. Ein bisschen Südwind drückte die Nase des Cessna nach unten. Ich trimme den Flieger und setze meine Reise in die kleine Stadt in Südtirol fort.

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X-Plane 10
Die Boing 747 ist am Start, aber das Fehlen kleinerer Linienmaschinen beunruhigt. Wo ist die 737-800? Wo ist der Airbus A320?

Nach etwa einer halben Stunde sehe ich den Flughafen in Bozen. Ich reduziere die Geschwindigkeit, justiere mir eine fettere Spritmischung und beginne den Anflug. Die Anzeigen auf der linken Seite der Start- und Landebahn signalisieren mir, dass ich noch zu viel Höhe habe. Ich entscheide mich für ein bestimmtes Manöver, den Seitengleitflug. So verliere ich an Höhe, ohne Geschwindigkeit zu verlieren. Das Manöver ist nicht einfach. Das Flugzeug rüttelt und schüttelt, kippt etwas und verliert Höhe. Ich kehre auf den idealen Gleitpfad zurück, reduziere das Gas auf ein Minimum und lande das Flugzeug bequem auf dem Asphalt. Sensationell.

X-Plane ist ein hervorragender Flugsimulator. Vom realistischen Standpunkt aus betrachtet ist es ein extrem hochwertiges Produkt mit einer geradezu manischen Liebe zum Detail. Die Software berechnet sogar die Erdbeschleunigung in Abhängigkeit des Breitengrades. Beeindruckend, allerdings ist sie nicht perfekt.

Nachdem wir die präzise Simulation einer Cessna 172SP erlebt haben, wird das gleiche Maß auch bei größeren Flugzeugen erwartet. Leider sind nur drei Schwergewichte am Start, die nicht leicht zu meistern sind. In der unvergesslichen Boeing 747 ist das Cockpit recht vollständig. Es gibt alle wichtigen Tasten und ein anständiges Flight Management System, dass ich sofort verwende, um einen neuen Flugplan zu definieren.

X-Plane 10
Die Optik ist okay, aber in einigen Fällen scheitert es daran, die visuelle Qualität von Microsoft Flight Simulator X zu erreichen.

Allerdings sind nicht Schaltflächen auf dem Bildschirm nutzbar. Es wiederholt sich, in gewisser Weise, der Fluch des Flight Simulator X. Auch dort gab es umfangreiche Paneele mit viel Knöpfen und Hebel, von denen nur 20 bis 30 Prozent tatsächlich verwendet werden dürften. Das ist wirklich schade.

Auch das Fehlen kleinerer Linienmaschinen beunruhigt. Wo ist die 737-800? Wo ist der Airbus A320? Diesem Simulator fehlen völlig die Flugzeuge mittlerer Größe, während es eine große Sammlung von Militärflugzeugen, Prototypen und sogar Raumschiffen gibt. Ich hab‘ sogar ein Flugzeug entdeckt, dass auf einem Manga basiert. Irgendwie fehl am Platz in einem Spiel, das ja eigentlich eine Simulation ist.

Die Künstlichen Intelligenz hat auch so ihre Probleme. Bei meinem ersten Flug vom Flughafen in Trento - ein kurzer Streifen Asphalt im Herzen der italienischen Alpen - bemerkte ich die ominöse Anwesenheit einer Boeing 747, die darauf wartete, von Startbahn 18 aus abzuheben. Im wirklichen Leben würde das sicher nie passieren.

X-Plane 10
Ein kleiner Vergleich des Flughafens von Trient im Spiel und in echt.

Auch optisch ist X-Plane 10 nicht perfekt. In einigen Fällen scheitert es sogar daran, die visuelle Qualität von Microsoft Flight Simulator X zu erreichen - ein sechs Jahre altes Produkt. Dennoch ist da eine lobenswerte Genauigkeit bei der Erstellung der Berge und Flüsse spürbar. Herausstechend ist auch die Qualität der Wolken. Ein bisschen weniger angenehm sind die Anwesenheit von hüpfenden Rehen auf den Start- und Landebahnen sowie aerostatischen Ballons, die den Himmel von jeder Stadt zu bevölkern scheinen. Die Sounds indes sind sehr realistisch, vor allem bei der Simulation der verschiedenen Motorengeräusche.

X-Plane 10 ist absolut kein Produkt für jedermann. Es erfordert Geduld, Hingabe und ... die Lektüre eines voluminösen Handbuchs. Man sollte nicht glauben, dass man dieses Produkt mal eben einfach installieren kann, um dann los zu fliegen. Man braucht Zeit, um alles zu verstehen, selbst als Veteran und Kenner der Microsoft-Simulatoren. X-Plane 10 erreicht nicht die Attraktivität des Microsoft Flight Simulator X, auch wegen der viel kleineren Community. Aber durch den gefährlichen Casual-Ansatz, den Microsoft mit der neuesten Version seines Franchise unternahm, wird X-Plane allmählich zu einem sichtbaren Wahrzeichen für jeden Flug-Enthusiasten.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
realistische Physik, Tausende von Flughäfen, detaillierte und präzise Karten
-
fehlende Linienmaschinen, zweifelhafte Künstliche Intelligenz
overall score
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